Basis gegen Vorstände – Gewerkschafter suchen Schulterschluss mit Friedensbewegung

Ringschlüssel mit Friedenstauben

Gewerkschaften im Zwiespalt: Während Vorstände mit Rüstungslobby kooperieren, fordern Basisinitiativen Friedensaktionen. Eine Konferenz soll Klarheit bringen.

Die nächste Eskalationsstufe ist erreicht: Bundeskanzler Olaf Scholz erteilt der Ukraine die Erlaubnis, von der Bundesrepublik gelieferte Waffen gegen militärische Ziele in Russland einzusetzen.

Das Triumvirat der Ampel-Koalition von Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), Anton Hofreiter (Grüne) und Michael Roth (SPD) war wieder erfolgreich – es hat in TV-Sendungen diese Forderung tagelang vorgetragen. Stimmen für ernsthafte Bemühungen um Friedensverhandlungen im Krieg Russlands gegen die Ukraine haben es seit Monaten schwer.

Über den Aufruf "Nein zu Kriegen – Rüstungswahnsinn stoppen", den Gewerkschafter initiiert und den über 5.500 Gewerkschaftskollegen unterschrieben haben, wird kaum berichtet.

Gewerkschafter fordern "Nein zu Kriegen – Rüstungswahnsinn stoppen

Die gewerkschaftliche Initiative hat auch in der eigenen Organisation einen schweren Stand. Der ehemalige IGM-Bezirksvorsitzende Oliver Burkhard ist Chef des Rüstungskonzerns Thyssenkrupp Marine Systems. Als Waffenlobbyisten zeigen sich Metall-Gewerkschafter: Ein Konzept zur Stärkung der Rüstungsindustrie fordert IG Metall gemeinsam mit dem Wirtschaftsforum der SPD und dem Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie in einem Positionspapier.

Die Unterzeichner erklären:

Der Ukraine-Krieg zeigt einmal mehr, wie wichtig – gerade bei der Landes- und Bündnisverteidigung – vernetzte und zur Kollaboration befähigte Streitkräfte sind.

Diese Sozialpartnerschaft soll "die Leistungsfähigkeit der Industrie" sichern und ihre "Möglichkeiten zur Entwicklung und Produktion" steigern.

IG Metall und Rüstungslobby fordern Stärkung der Rüstungsindustrie

Kritik kommt von Ulrike Eifler, IG-Metall-Sekretärin in Bayern. Für sie sind Gewerkschaften "Teil der Friedensbewegung". "Statt gemeinsamer Positionierungen mit der Rüstungslobby braucht es eine selbstbewusste Rückbesinnung auf die traditionelle Rolle der Gewerkschaften", sagt Eifler, die auch Bundessprecherin der Arbeitsgemeinschaft Betrieb & Gewerkschaft der Linken ist.

Denn "welche andere Position könnten die Gewerkschaften vor dem Hintergrund ihrer Geschichte, im Bewusstsein von zwei furchtbaren Weltkriegen und angesichts des wachsenden Risikos neuer weltkriegerischer Auseinandersetzungen sonst einnehmen? Auf einem zerstörten Planeten lassen sich Arbeitsplätze weder erhalten noch gestalten?", argumentiert sie.

Eifler ist Mitorganisatorin der "Friedenspolitische Gewerkschaftskonferenz", die von 14.06.2024 – 15.06.2024 vom ver.di Bezirk Stuttgart und der Rosa-Luxemburg-Stiftung veranstaltet wird.

Friedenspolitische Gewerkschaftskonferenz: Möglichkeiten gewerkschaftlicher Aktionen gegen Krieg

Verschiedene Aspekte möglicher gewerkschaftlicher Aktionsmöglichkeiten sollen Thema der Veranstaltung sein. Heute sind Aktivitäten zur Verhinderung von Waffenexporten für deutsche Gewerkschaftsvorstände unvorstellbar. Italienische Arbeiter sehen das anders.

Die Hafenarbeiter von Genua verhinderten 2019 die Verladung von Kriegsgerät für das saudische Militär auf dem saudi-arabischen Frachter Bahri Yanbu im Hafen von Genua. Sie weigerten sich, Kompliz:innen des Kriegs in Jemen zu werden. Damit und mit ähnlichen Aktionen haben sie viel Aufmerksamkeit erzeugt und erreicht, dass das Verschiffen von Waffen an Kriegsschauplätze im Hafen von Genua verboten wurde.

labournet.de

In der Logistik nehmen viele Beschäftigte Krieg nicht nur aus einer Distanz wahr.

Als Beschäftigte im Güterverkehr der Deutschen Bahn sind wir Beteiligte am Transport von Militärbewegungen. Jeden Tag treffen Eisenbahner die Entscheidung, militärische Ausrüstung zu transportieren. Sie dient entweder dem Schutz des eigenen Landes oder der Kriegsführung in anderen Ländern. Wir können schon jetzt nicht mehr sagen, dass uns Aufrüstung und Waffenlieferungen nichts angehen. […]

Für manche gehört das zur Ausführung des Jobs. Für andere aber ist das ein innerer Konflikt, der mitunter zur Selbstkündigung führen kann.

Florian Witte, Betriebsrat bei DB Cargo

Der Gewerkschafter nehme aktuell wenig Diskussion dazu wahr. Diese solle in den Gewerkschaften aber geführt werden, so Eisenbahner Witte.

Gewerkschaften zwischen Friedensbewegung und "Kriegskorporatismus"

Die Friedenskonferenz skeptisch betrachtet Malte Meyer, Autor von "Lieber tot als rot: Gewerkschaften und Militär in Deutschland seit 1914" (‎Verlag edition assemblage). In der Friedensbewegung waren Gewerkschaftsmitglieder immer aktiv, die Gewerkschaftsvorstände pflegten "gewerkschaftlichen Kriegskorporatismus".

Zu Antikriegsprotesten der Gewerkschaften kam es, wenn diese auf der Linie der Bundesregierung lagen, etwa im Falle des US-Angriffskriegs auf den Irak 2003.

Anders als oft kolportiert hielt sich aber auch schon vorher der gewerkschaftliche Widerstand gegen Wiederbewaffnung und Notstandsgesetze in überschaubaren Grenzen. […]

Reicht es, wenn Gewerkschaftstage und Konferenzen wohlmeinende Resolutionen verabschieden? Muss Antimilitarismus nicht vielmehr auch auf Demonstrationen und erst recht in Tarifbewegungen zum praktischen Ausdruck kommen?

Malte Meyer

Aufrüstung trifft arbeitende Bevölkerung – Sehnsucht nach Frieden in Gewerkschaften

In Zeiten von Krieg und Aufrüstung sind die "Leidtragenden die arbeitende Bevölkerung", erklärt Eifler: "Nicht zufällig also schlummert eine untergründige Sehnsucht nach Frieden in den Gewerkschaften". Mit dem "Sondervermögen" sei Geld für Militär vorhanden, während für Soziales und Klima die Mittel nicht ausreichen.

Die Gewerkschafterin zitiert das ehemalige Vorstandsmitglied der IG Metall, Georg Benz, der auf der Bundesjugendkonferenz der IG Metall im Mai 1965 forderte: "Der Friede kann nur durch die Demokratisierung der eigenen gesellschaftlichen Ordnung gesichert werden".

Sie kritisiert, dass der Chef des Bundeswehrverbandes, André Wüstner, bereits "eine Kriegswirtschaft" fordere, was in der Konsequenz die Unterordnung aller gesellschaftlichen Bereiche unter die außenpolitische Strategie der Bundesregierung bedeuten würde.

Diskussion gefordert: Was können friedensbewegte Gewerkschafter gegen Atomkriegsgefahr tun?

"In den Schützengrabenkrieg müssen zumeist nicht die Kinder der Reichen", zitiert Anne Rieger die Wiener Zeitung. Rieger referiert bei der Gewerkschaftskonferenz und war Bevollmächtigte der IG Metall in Waiblingen. Es gehe darum, "die Bedrohung bewusst zu machen, dass Atomwaffen in den gegenwärtigen Kriegen von den Kriegskabinetten gezündet werden könnten".

Nun müsse diskutiert werden, "was wir als friedensbewegte Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter dagegen tun können und müssen". Die Basisinitiative hat einiges zu diskutieren.