Bremen: SPD setzt auf Ausschluss einer Koalition mit der CDU
Fraktionschef legt sich auf "Mehrheit links der Mitte" fest
Am nächsten Sonntag den 26. Mai findet nicht nur eine Europawahl statt, sondern auch die Wahl zur Bremischen Bürgerschaft - dem Parlament des kleinsten deutschen Bundeslandes. Kurz vor dieser Wahl hat der Landesvorstand der dort seit 1946 regierenden SPD bekannt gegeben, unabhängig vom Wahlausgang nicht mit der CDU zu koalieren. Bürgermeister Carsten Sieling meinte sogar, er werde mit dieser Partei nicht einmal Sondierungsgespräche aufnehmen.
Hintergrund der Verlautbarung ist, dass sich die Christdemokraten in den letzten Umfragen vor den Sozialdemokraten finden: Beim für die ARD fragenden Institut Infratest dimap liegen sie mit 27 zu 24 Prozent vorne, bei der für das ZDF tätigen Forschungsgruppe Wahlen mit 26 zu 24,5 Prozent. Bei der letzten Bürgerschaftswahl waren sie trotz eines Verlusts von 5,8 Punkten noch auf 32,8 Prozent gekommen.
Tschöpe schließt auch Zusammenarbeit mit FDP aus
Liegt die CDU auch beim Wahlergebnis vor der SPD, könnte Sieling im Falle einer Koalition mit der CDU kaum den Bürgermeisterposten für sich beanspruchen. Auf den würde wohl der christdemokratische Spitzenkandidat Carsten Meyer-Heder Anspruch erheben. Anders sieht es aus, wenn sich das mit zusammen nur noch 42 Prozent Umfragewert stark abwählgefährdete rot-grüne Regierungsbündnis die Linkspartei als dritten Koalitionspartner mit ins Boot holt, die beim letzten Mal auf neuneinhalb Prozent kam und aktuell bei zwölf Prozent gemessen wird.
Der Bremer SPD-Fraktionschef Björn Tschöpe legte sich indirekt bereits auf so eine Koalition fest, als er auch ein Bündnis mit der FDP ausschloss verlautbarte, seine Partei wolle eine "Mehrheit links der Mitte zum Tragen bringen". Einige Wähler könnten von der Aussicht auf so eine rot-grün-rote Koalition abgeschreckt werden und anstatt der SPD lieber der CDU die Stimme geben - vielleicht auch in der Hoffnung, dass eine Koalition der CDU mit den bei 18 Prozent liegenden Grünen (wie es sie in Hessen gibt) oder ein schwarz-gelb-grünes Jamaika-Bündnis wie in Schleswig-Holstein nicht die Auswirkungen der Berliner Landeskoalition hat. Andere, die sich vor allem über die Große Koalition im Bund ärgern, könnten dagegen versucht sein, doch noch für die SPD zu stimmen. Welche Gruppe überwiegt, wird sich vielleicht am Abend des 26. Mai zeigen.
Wird es knapp, könnte ein Ergebnis auch etwas länger auf sich warten lassen. Das gilt vor allem dann, wenn es - wie bereits 2007, 2011 und 2015 - wieder zu Unregelmäßigkeiten kommt. 2015 entstanden die Fehler dem Statistischen Landesamt Bremen zufolge nicht in den Wahllokalen, sondern in einem Auszählzentrum, wo man Schüler zwischen 16 und 18 Jahren als Wahlhelfer einsetzte. Das Verwaltungsgericht sprach in seiner Entscheidung dazu unter anderem von "Unstimmigkeiten bei den Zählvorgängen", "Unstimmigkeiten bei den absoluten Zahlen der abgegebenen Stimmen", "nicht nachvollziehbare Angaben in den Wahlniederschriften", "Divergenzen bei den Unterschriften", nicht auffindbaren Stimmzetteln und Stimmeingaben ohne Grundlage. Hinweise auf absichtliche Wahlfälschung verneinte es jedoch (vgl. Statistisches Landesamt Bremen sieht keine Hinweise auf absichtliche Wahlfälschung
Landes- und bundespolitische Fragen
Welche Bündnisse auf eine Mandatsmehrheit kommen, hängt auch davon ab, ob der FDP der Wiedereinzug in die Bürgerschaft gelingt. In den Umfragen wird sie bei fünf und 5,5 Prozent gemessen. In Bremen hat sie es allerdings insofern leichter als in anderen Bundesländern, als dort das Überschreiten der Fünf-Prozent-Hürde in einem der beiden Landesteile (also in Bremen oder Bremerhaven) reicht, um in das Landesparlament einzuziehen. Deshalb sitzt in der aktuellen Bürgerschaft auch Jan Timke von der Wählervereinigung Bürger in Wut, die 2015 landesweit nur auf 3,2 Prozent kam. Die AfD, die 2015 mit 5,5 Prozent in die Bürgerschaft einzog, kann diesmal mit sechs bis acht Prozent der Stimmen und mit einem sicheren Wiedereinzug rechnen. Alle anderen Parteien kommen in den Umfragen zusammengerechnet nur auf drei bis fünf Prozent.
Eine weitere Voraussetzung für eine Koalition ist, dass sich die Parteien in den landespolitischen Fragen auf ein gemeinsames Regierungsprogramm einigen können. Hier gibt es deutliche Unterschiede zwischen CDU und FDP auf der einen und den Grünen auf der anderen Seite: Während letztere gegen eine Weservertiefung, gegen das Offshore-Terminal Bremerhaven, gegen eine Einstufung der Maghrebländer als sichere Herkunftsstaaten im Bundesrat, gegen Noten ab der dritten Klasse und für ein absolutes Rauchverbot in Gaststätten sind, verhält es sich bei ersteren genau umgekehrt.
Ausschlaggebend für die individuelle Stimmabgabe dürften aber nicht nur diese landespolitischen Themen sein, sondern auch bundespolitische Debatten. Hier könnte der SPD-Jugendorganisationsvorsitzende Kevin Kühnert den einen oder anderen SPD-Wähler verprellt haben, als er in einem Interview die "Vergesellschaftung" profitabler Unternehmen forderte. Einer ZDF-Umfrage nach kam dieser Vorstoß nur bei 18 Prozent der SPD-Anhänger gut an, während der BMW-Betriebsratsvorsitzende Manfred Schoch danach meinte, "für Arbeiter deutscher Unternehmen" sei "diese SPD nicht mehr wählbar".
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