Britische Regierung will Nationale Gendatenbank der Polizei erweitern

Auch von Verdächtigen, deren Unschuld erwiesen wurde, sollen die genetischen Fingerabdrücke behalten werden dürfen

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Während andere Länder wie Island, Estland oder Tonga sich beeilen, eine möglichst umfassende nationale Datenbank aus medizinischen und kommerziellen Zwecken aufzubauen, um Voreiter und Nutznießer der Genforschung zu werden, scheint die britische Regierung den Vorsprung wahren zu wollen, den Großbritannien bei Überwachungskameras oder eben auch bei der genetischen Datenbank der Polizei bereits eingenommen hat. Jetzt gibt es nicht mehr nur noch mehr Geld dafür, sondern man will auch diejenigen genetischen Identitätsnachweise behalten, die von einst Verdächtigen, auch wenn sie unschuldig waren, abgenommen wurde.

Was man einmal hat, das soll man nicht mehr weggeben, scheint die Devise des Innenministers Jack Straw zu sein, der auch die Ehre hatte, den Big Brother Award zu erhalten (Und der Gewinner ist ... Jack Straw!). Bislang müssen Fingerabdrücke und Genproben von den Menschen vernichtet werden, die keines Vergehens überführt werden konnten, von denen aber diese erst einmal als Verdächtige abgenommen wurden. Und wenn Genproben bei Massentests genommen wurden, um beispielsweise bei einer Vergewaltigung die Suche nach dem Schuldigen in einer bestimmten Region eingeengt werden kann, dann sollen auch diese Proben in Zukunft mit schriftlicher Einverständniserklärung der betreffenden Menschen aufbewahrt werden. Dann bräuchte man nur noch genügend Massentests vorzunehmen, um allmählich eine umfassende nationale Gendatenbank aufzubauen, die dies von manchen Polizeibeamten ja auch bereits gewünscht wurde (Die Wünsche der Kontrolleure). Und wer dann sein Einverständnis nicht gibt, könnte schnell zu den Verdächtigen beim nächsten Vorfall zählen, was dann zur Abnahme der Genprobe führen würde - oder er könnte wegen eines anderen, damit nicht zusammen hängenden Vergehens überführt werden.

So weit allerdings ist es noch nicht. Die im Criminal Justice and Police Bill enthaltenen Vorschläge zur Gesetzesänderung aber könnten die Zahl der vorhandenen genetischen Fingerabdrücke aber zumindest stark vermehrt werden. Umgesetzt werden sollen allerdings damit lediglich ältere Pläne (UK: Cash für polizeiliche DNA-Analyse). Enthält die Datenbank bislang die genetische Identität von über einer Million Menschen, so könnten das in drei Jahren schon drei Millionen sein. In Großbritannien ist die Schwelle sowieso schon sehr niedrig, um gezwungen werden zu können, eine Genprobe durch Abnahme von Blut oder Speichel abzuliefern. Jeder, von dem angenommen werden kann, in eine Straftat verwickelt zu sein, auf die Gefängnis steht, muss erst einmal, auch wenn die Schuld nicht nachgewiesen ist, seine genetische Identität feststellen und archivieren lassen. Wenn sich jemand weigert, dann kann eine gewaltsame Abnahme durch einen Superintendent vorgenommen werden. Straw will, dass auch ein Inspektor dies anordnen darf.

Der Innenminister hat wenig Bedenken, damit zu sehr in die Privatsphäre der Menschen einzudringen. Schließlich habe man einst solche Bedenken auch gegenüber den Überwachungskameras an öffentlichen Orten gehabt, aber jetzt seien diese von der Allgemeinheit akzeptiert. "Wir investieren bereits 143 Millionen Pfund, um die nationale Gendatenbank zu erweitern, weil wir den sehr wichtigen Beitrag erkennen, den die DNA zur Identifizierung der Täter von oft sehr unerfreulichen Verbrechen macht." Die Erweiterung der Gendatenbank wist für Straw eine "Modernisierung der polizeilichen Befugnisse und Verfahren". Um Verbrechen bekämpfen zu können, müsse die Polizei alle Entwicklungen der neuen Technologien ausschöpfen können.

Benn Gunn, der Sprecher des Polizeiverbands für Themen der forensischen Wissenschaft, begrüßte gegenüber BBC die Vorschläge des Innenministers. Man habe bereits seit Einführung der Gendatenbank 1995 134812 "Treffer" erzielt und dadurch viele Tausend Menschen einer Straftat überführen können. Insgesamt gäbe es in Großbritannien drei Millionen "aktive Kriminelle", die man gerne alle in der Datenbank hätte. Er betont, dass Genproben auch die Unschuld von Verdächtigen erweisen könnten und dass nicht daran gedacht werde, die Datenbank auf alle britischen Bürger zu erweitern. Da muss man vielleicht sagen: vorerst.

Vorerst ist zumindest in Deutschland Ende Dezember 2000 durch ein Urteil der 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts festgelegt worden, dass nur von verurteilten Straftätern mit "Straftaten von erheblicher Bedeutung" Genproben entnommen und gespeichert werden dürfen. Einschränkend wurde auch vom Gericht erklärt: "Die Regelungen sind auch inhaltlich mit dem Grundgesetz vereinbar. Der absolut geschützte Kernbereich der Persönlichkeit, in den auch auf Grund eines Gesetzes nicht eingegriffen werden dürfte, ist nicht betroffen. Dies gilt jedenfalls, solange lediglich der nicht - codierende Teil der DNA erfasst und ausschließlich die Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters zum Zweck der Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren vorgenommen sowie das Genmaterial anschließend vernichtet wird. Insoweit kann der "genetische Fingerabdruck" mit dem herkömmlichen Fingerabdruck und anderen Identifikationsmethoden verglichen werden, auch wenn sein Beweiswert ungleich höher ist.

Entscheidend ist, dass durch die Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters Rückschlüsse auf persönlichkeitsrelevante Merkmale wie Erbanlagen, Charaktereigenschaften oder Krankheiten des Betroffenen, nicht ermöglicht werden und ein "Persönlichkeitsprofil" nicht erstellt wird."

Aber die britische Regierung schlägt noch etwas anderes vor. Paul Boateng, der für Gefängnisse zuständig ist, ist der Meinung, dass die Gefangenen, sollten sie Vermögen haben, doch selbst für ihren staatlichen Aufenthalt zahlen sollten. Ihr Vermögen könnte konfisziert werden, um die Versorgungskosten für ein Jahr in einem privaten Gefängnis (bis zu 50000 Pfund) oder in einem staatlichen Gefängnis (11000 Pfund) zu tragen. Zur Zeit gibt es in Großbritannien über 64000 Gefängnisinsassen. Über wieviel Vermögen genau verfügen, ist nicht bekannt, die Hoffnung allerdings ist, dass man durch solch eine Maßnahme immerhin über 400 Millionen Pfund jährlich einnehmen könnte. Tatsächlich ist ja die Frage, warum die Steuerzahler für die Versorgung der Straftäter aufkommen sollen.