CIA-Lager in Osteuropa wurden angeblich in aller Eile letzten Monat geräumt
Dem US-Sender ABC gegenüber bestätigten Informanten die Existenz von zwei Lagern in Osteuropa, nicht nur Rice, auch die europäischen Regierungen geraten immer stärker in Bedrängnis
Hätten die europäischen Regierungen, neben der britischen allen voran auch die deutsche, nicht die Praktiken der CIA gedeckt oder auch mit dem Geheimdienst kooperiert, so würden die neuen Informationen über die Flüge und die Verschleppungen auch auf offizieller Regierungsebene einen Skandal auslösen. So aber kann die Bush-Regierung weiter darauf setzen, dass Nachfragen oberflächlich bleiben und Konsequenzen ausbleiben werden (Diplomatisches Theater). Es liegt an den Oppositionsparteien und der Öffentlichkeit, dass hier wirklich Aufklärung geschieht und nicht weiterhin angeblich zur Verteidigung von Demokratie und Menschenrechte diese weiter ausgehebelt werden und zudem die Bekämpfung des Terrorismus vollends unglaubwürdig wird. Allerdings könnte der Nachweis, dass verschleppte Terrorverdächtige tatsächlich in zwei osteuropäischen Ländern gefangen gehalten und misshandelt wurden, den Skandal noch deutlicher als bislang nach Europa zu holen.
Die Strategie der US-Außenministerin Rice für ihren Besuch in Europa (Fragestunde mit Rice) besteht bislang in einer überraschend unverblümten Vorwärtsverteidigung:
One of the difficult issues in this new kind of conflict is what to do with captured individuals who we know or believe to be terrorists. The individuals come from many countries and are often captured far from their original homes. Among them are those who are effectively stateless, owing allegiance only to the extremist cause of transnational terrorism. Many are extremely dangerous. And some have information that may save lives, perhaps even thousands of lives.
The captured terrorists of the 21st century do not fit easily into traditional systems of criminal or military justice, which were designed for different needs. We have to adapt. Other governments are now also facing this challenge.
We consider the captured members of al-Qaida and its affiliates to be unlawful combatants who may be held, in accordance with the law of war, to keep them from killing innocents. We must treat them in accordance with our laws, which reflect the values of the American people. We must question them to gather potentially significant, life-saving, intelligence. We must bring terrorists to justice wherever possible.
Condoleezza Rice
For decades, the United States and other countries have used "renditions" to transport terrorist suspects from the country where they were captured to their home country or to other countries where they can be questioned, held, or brought to justice.
Gegen den Terror müsse man mit ungewöhnlichen Mitteln und mit aller Härte vorgehen. Das rettet angeblich Menschenleben und ist daher verzeihlich, wenn nationale und internationale Rechte verletzt werden. Man habe keine Gefangenen zum Foltern geschickt, versicherte Rice, allerdings erlaubt die Definition von Folter in den USA schwerste Misshandlungen, zudem hatten "Rechtsexperten", darunter auch der jetzige Justizminister, für eine große Auslegungsfreiheit von Folter und Menschenrechten gesorgt und mit den "feindlichen Kämpfern" eine Klasse von Rechtlosen geschaffen, die beliebig aufgefüllt werden kann (Die US-Regierung und die Folter). Aber selbst in diesem groben Raster kommen Ausrutscher eben vor, beispielsweise wenn die Gesetze anderer Länder verletzt werden. Aber, so Rice, die europäischen Länder haben, freiwillig oder unter Zwang, mitgespielt und sollen jetzt nicht so tun, als hätten sie von den Flügen, Verschleppungen und Verhören nichts gewusst.
Im Fall von Deutschland trifft dies, wie mittlerweile bekannt ist, auch zu. Schily, womöglich auch das Kanzleramt – und damit der jetzige deutsche Außenminister – sowie das Außenministerium, hatten nicht nur Kenntnis von der Verschleppung des deutschen Staatsbürgers el-Masri nach Afghanistan, die CIA und die US-Regierung wurden auch gegenüber der in diesem Fall ermittelnden Staatsanwaltschaft gedeckt. Zumindest wurde die Verfolgung einer Straftat damit be-, wohl eher aber verhindert. Überdeutlich war ja in den Hamburger Terrorprozessen, dass die CIA Gefangene an geheimen Orten hält und diese dort verhört. Zur Aussage vor Gericht durften sie aber nicht erscheinen, weil damit das Vergehen der US-Behörden nicht mehr zu übersehen gewesen wäre. Überdies hat die Bundesregierung und/oder der Innenminister nicht nur Straftaten gedeckt, sondern auch Ermittler zu einem von der CIA nach Syrien verschleppten Gefangenen geschickt, der dort höchstwahrscheinlich gefoltert wurde. Damit machten sich die Verantwortlichen genau des "Outsourcing der Folter" schuldig, das auch die US-Regierung praktiziert, wenn sie die Folter nicht selbst in die Hand nimmt.
Ein Problem könnte nun auch in Italien entstehen. Bislang ermittelt dort zwar schon die Staatsanwaltschaft wegen der Verschleppung eines Imam und hat Haftbefehle gegen einige CIA-Mitarbeiter und Botschaftsangehörige der USA ausgestellt, die US-Regierung blieb aber von der italienischen Regierung, unter Berlusconi stramme Verbündete, unbehelligt. Jetzt berichtet die Washington Post, dass die CIA offenbar die italienischen Behörden angelogen hatte.
Die CIA hatte nach der Verschleppung des Imam aus Mailand der italienischen Polizei mitgeteilt, sie habe glaubwürdige Hinweise, dass der Mann in einen unbekannten Ort im Balkan geflohen sei. Erst ein Jahr später stellte sich durch Ermittlungen der Staatsanwaltschaft heraus, dass der Mann von der CIA gewaltsam von der Straße weg entführt, dann zunächst nach Deutschland und schließlich nach Ägypten verschleppt wurde. Angeblich sei, so hörte man von amerikanischer Seite, die Entführung mit der italienischen Regierung abgesprochen gewesen. Mit der Verschleppung wurde der Imam jedoch der italienischen Gerichtsbarkeit entzogen, die bereits gegen diesen Ermittlungen eingeleitet hatte:
Die Entführung Abu Omars war nicht nur eine schweres Verbrechen gegen die italienische Souveränität und die Menschenrechte, sie zerstörte auch mit schwerwiegend Antiterrormaßnahmen in Italien und Europa. Wenn Abu Omar nicht entführt worden wäre, dann würde er jetzt im Gefängnis sitzen und einem normalen Prozess unterzogen werden, und wir hätten wahrscheinlich seine anderen Komplizen identifizieren können
Der Mailänder Staatsanwalt Armando Spataro
Noch nicht schlimm genug, so wird von dem US-Sender ABC nun bestätigt, dass es tatsächlich CIA-Gefängnisse auf US-Stützpunkten in zwei osteuropäischen Ländern gegeben hat. Angeblich seien letzten Monat, wie dem Sender unter der Bedingung der Anonymität CIA-Mitarbeiter berichtet haben, in aller Eile nach den Berichten der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch und der Washington Post (Geheimgefängnis der CIA in Polen oder Rumänien?) 11 hohe al-Qaida-Mitglieder aus den osteuropäischen Gefängnissen in ein CIA-Lager in Afrika gebracht worden. Zunächst habe es in Osteuropa nur ein solches Gefängnis gegeben, später seien Gefangene in ein weiteres Geheimgefängnis in einem anderen Land gebracht worden.
Nach den Aussagen der Informanten seien bis auf einen alle der 11 Gefangenen den harten Verhörmethoden (Die genehmigten harten Verhörtechniken der CIA) unterzogen worden, die vor kurzem erst ausführlich beschrieben wurden, aber für die US-Regierung keine Folter darstellen ("Dieser Geheimdienst foltert nicht"). Nur Ramsi Binalshibh soll aus Angst gleich zur Kooperation bereit gewesen sein. Seine Bekenntnisse haben bei den Hamburger Terroristenprozessen eine wichtige Rolle gespielt (Mzoudi-Prozess: Freispruch vom BGH bestätigt, Das geplatzte "Geständnis").
Eile war geboten, weil Human Rights Watch bereits auf Polen und Rumänien als wahrscheinliche Orte der CIA-Gefängnisse hingewiesen hatte und die Forderungen nach Aufklärung in Europa laut wurden. Eile war aber auch wegen des geplanten Besuchs von Rice in Europa notwendig. Während sie die CIA-Flüge mit entführten Gefangenen mehr oder weniger einräumte, vermied sie es, zu den Gefängnissen in Osteuropa Stellung zu nehmen. In Polen und Rumänien versuchen derweil Regierungsmitglieder, Unwissen vorzugeben. Der polnische Verteidigungsminister deckte sich bereits selbst und sagte, der polnische Präsident habe erklärt, dass diese Berichte nicht zutreffen. Der neue Ministerpräsident Rumäniens weiß auch nichts, will aber der Sache nachgehen.
Die Informanten von ABC bestätigten zudem, dass auch Festgenommene in Länder wie Marokko, Ägypten, Syrien oder Jordanien gebracht würden, in denen bekanntermaßen härtere Verhörmethoden, sprich: Folter, eingesetzt würden. Dabei müsse es sich nicht um Personen handeln, die aus diesen Ländern stammen.