Diplomatisches Theater

Die EU verlangt von der US-Regierung Aufklärung über die Verschleppung von Menschen und etwaige CIA-Geheimgefängnisse, aber an einer wirklichen Aufklärung ist man wohl auch hier nicht interessiert

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Schon bevor die islamistischen Terroristen mit Entführungen begonnen haben, wurden im Auftrag der Bush-Regierung von amerikanischen Militärs und Geheimdiensten des Terrorismus Verdächtige unter Missachtung von Menschenrechten, von nationalen Rechten und grundlegenden Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit entführt und verschleppt – auch schon vor dem 11.9. (Etwas Foltern lassen bei Freunden). Die Entführungen von Menschen aus Europa und deren Inhaftierung und womöglich Folterung in geheimen Gefängnissen in Drittstaaten, womöglich auch in Europa (Geheimgefängnis der CIA in Polen oder Rumänien?), haben nun erstmals größere Proteste gegen diese, bislang aus Südamerika bei von den USA unterstützten Diktaturen bekannte Praxis des Verschwindenlassens ausgelöst. Aber der regierungsamtliche Protest der Eruopäer ist nicht sonderlich überzeugend.

Allerdings wurden vor allem, aber nicht nur in Afghanistan und im Irak Hunderte von Menschen verschleppt, auf unbestimmte Zeit eingesperrt und teilweise auch misshandelt. Guantanamo und Abu Ghraib sind dafür markante Symbole geworden. All das geschah ausgerechnet im Namen von Freiheit und Demokratie, als Verteidigung der freien Welt gegen das Böse, das sich nicht an Recht und Moral hält. Und all das hat auch bei vielen Menschen muslimischen Glaubens das Gefühl des Misstrauens in die USA und in den Westen insgesamt verstärkt, das schon mit dem Kaschmir- und vor allem dem Tschetschenienkonflikt gewachsen ist.

Jetzt will also die EU Auskunft von der US-Regierung über die CIA-Flüge und mögliche Geheimgefängnisse in europäischen Ländern. Nachdem Großbritannien noch den Ratsvorsitz innehat, wurde mit dem Auftrag natürlich der Bock zum Gärtner gemacht. Warum sollte gerade die britische Regierung, die eisern mit Bush verbunden war und nahezu alles diensteifrig mitvollzog, was der große Bruder meinte, machen zu müssen oder zu können, jetzt Bush und Co. mit kritischen Fragen bedrängen? Ganz herauswinden konnte sich die britische Regierung nicht, also schickte der britische Außenminister und amtierende EU-Ratsvorsitzende Jack Straw ein nettes Briefchen an die Freunde und bat um Aufklärung nicht etwa über mögliche Sachverhalte, sondern nur über "Medienberichte", die Verletzungen des internationalen Rechts nahe legen.

Dass nicht nur über 300 Landungen von CIA-Flugzeugen auf europäischen Flughäfen, die Mehrzahl in Deutschland, an zweiter Stelle in Großbritannien, dokumentiert sind, sondern dass auch in mehreren Ländern Ermittlungen wegen der CIA-Flüge und der Entführungen laufen und bereits Haftbefehle gegen CIA-Mitarbeiter ausgestellt wurden (Haftbefehl für CIA-Agenten). Überdies hat eben die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch eine Liste mit 26 Gefangenen vorgelegt, die in den CIA-Gefängnissen verschwunden sind – deren Gefangennahme ist teilweise vom Weißen Haus selbst bestätigt worden. Das sind nicht nur luftleere Medienberichte, aber Straw meint trotzdem, dass man sich nicht in "Spekulationen über Behauptungen" ergehen dürfe. Man habe jetzt den "angemessenen" Weg eingeschlagen und die US-Regierung um Aufklärung gebeten, wohl wissend, dass dies eine Farce ist. Er versicherte zudem, dass die britische Regierung nichts davon wissen, dass der britische Luftraum oder das britische Territorium zu unrechtmäßigen Entführungen von der CIA benutzt worden seien. Man habe auch keine diesbezüglichen Anfragen erhalten.

Nun hat zwar der Sprecher des US-Außenministers angekündigt, dass Rice womöglich schon nächste Woche während ihres Besuchs in Europa zu dem Brief Stellung nehmen werde, aber man braucht kein Hellseher sein, um zu wissen, dass die versprochene Aufklärung eher eine Vernebelung sein wird. Rice hatte schon beim Besuch des deutschen Außenministers, der zwar pflichtschuldig das Thema zur Sprache gebracht hatte, aber wohl nicht besonderen Druck ausübte, die Argumentationslinie vorgegeben (Die Illusion der Einheit). Zur CIA wird nichts gesagt und überdies seien doch alle Länder vereint im gemeinsamen Kampf gegen den Terrorismus, der mit Entschiedenheit und Härte geführt werden müsse. So muss man nichts einräumen und braucht nicht zu lügen. Ähnlich windet sich Rice um die Frage herum, ob das Weiße Haus die CIA vom Folterverbot ausnehmen will, wozu Vizepräsident Cheney den Kongress drängen möchte (US-Regierung will für die CIA eine Ausnahme vom drohenden Folterverbot). Man müsse alles tun, um die Bürger des Landes zu schützen, ist die monotone Antwort, der Präsident habe jedoch klar gesagt, dass er gegen Folter sei.

Was näher läge, als eine Auskunft von der US-Regierung zu verlangen, wären natürlich Untersuchungen der EU-Mitgliedsländer, allen voran Deutschland und Großbritannien, wo die meisten CIA-Flugzeuge gelandet sind, was hier eigentlich geschehen ist. Die Starts und Landungen sind nachweisbar, es ließen sich Nachforschungen anstellen, ob sich Indizien oder Beweise für den Transport von illegal Verschleppten finden lassen und wohin diese gebracht wurden. Dass die CIA solche Entführungen machen, ist in einigen Fällen wie in Schweden oder Italien beweisbar. Auch die Entführung des deutschen Khaled Masri aus Mazedonien und dessen Inhaftierung in einem CIA-Gefängnis in Afghanistan, ist kein Gerücht. Die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt auch hier. In Mazedonien wie auch in Schweden waren allerdings auch die nationalen Sicherheitskräfte an den Verschleppungen beteiligt, in Schweden bekanntermaßen auch mit Genehmigung der Regierung (Schweden und die CIA-Praxis des Verschleppens von angeblichen "Terroristen" in Folterländer). Zu vermuten ist, dass dies zumindest auch in Italien der Fall war. Überdies dürften die Flüge und Verschleppungen auch den europäischen Geheimdiensten und damit auch den Regierungen, zumindest einigen, nicht unbekannt gewesen sein. Wurden diese Machenschaften, die gegen elementare Menschenrechte und nationales Recht verstoßen, also auch von europäischen Regierungen geduldet? Ist die zwar pflichteifrige Forderung nach "Aufklärung", aber der mangelnde Nachdruck nicht nur Ausdruck dafür, die transatlantischen Beziehungen nicht gefährden zu wollen, sondern auch eigene Verstrickungen nicht zutage treten zu lassen?

Von den Regierungen ist hier wohl nicht viel zu erwarten, wenn nicht erheblicher Druck von der jeweiligen Opposition und der Öffentlichkeit ausgeht. Interessant wäre zumindest auch dann, wenn europäische Regierungen nicht beteiligt und auch nicht informiert waren, warum ihre Geheimdienste ihre Informationen nicht weiter gegeben oder warum sie dies nicht mitbekommen haben. Aber das kann man wohl wirklich nicht glauben, zumal die Geheimdienste miteinander kooperieren (Die CIA betreibt in über 20 Ländern geheime Operationszentren). Die britische Menschenrechtsorganisation Liberty verlangt von der britischen Regierung, keine weiteren Landungen von CIA-Flugzeugen mehr zu genehmigen. Und sie hat Briefe an die Polizeidienststellen geschickt, die für die Flughäfen zuständig sind, auf denen CIA-Flugzeuge zwischengelandet waren, und diese aufgefordert, über etwaige Flüge mit verschleppten Personen nachzuforschen.