Geheimgefängnis der CIA in Polen oder Rumänien?
Update: die EU will nun doch dem Verdacht nachgehen
Gestern hatte die Washington Post einen Bericht über das geheime Lagersystem der CIA berichtet, in dem heimlich im Ausland angebliche Terrorverdächtige außerhalb jeden Rechtssystems gefangen gehalten werden. Von solchen Lagern, die es in Jordanien, Afghanistan, Marokko oder Ägypten geben soll, wusste man schon länger (Geheimes US-Lager in Jordanien), ebenso wie von den Praxis, manche Gefangene befreundeten Geheimdiensten zur peinlichen Befragung zu überstellen (Outsourcen der peinlichen Befragung). Neu hingegen war die Behauptung, es gäbe solche geheime Lager auch in zwei osteuropäischen Ländern.
Wer in diesen geheimen Gefängnissen festgehalten wird, ist nicht bekannt. Die Washington Post sprach von etwa 100 Gefangenen, davon seien 30 hochrangige al-Qaida-Mitglieder. Zu den von der CIA an einem geheimen Ort festgehaltenen Personen dürfte etwa Ramsi Binalshib gehören, der im September 2002 festgenommen wurde und seitdem verschwunden ist (Wie ein schlechter Krimi). Dass er von den USA festgehalten wird, wird auch dadurch belegt, dass etwa in den Hamburger Prozessen gegen Motassadeq und Mzoudi (Mzoudi-Prozess: Freispruch vom BGH bestätigt) auf Verhörmitschriften verwiesen wurde. Unter anderen um das offene Geheimnis zu hüten, durfte aber Binalshib nicht vor dem deutschen Gericht befragt werden.
Der auch in Nigergate verwickelte Sicherheitsberater Stephen Hadley stritt zumindest auf der Pressekonferenz, die er gestern gab, die Existenz solcher Lager nicht ab, aber bestätigte sie auch nicht. Dafür versicherte er, dass selbst dann, wenn es solche Lager gäbe, dort alles mit rechten Dingen zugehe, was die Behandlung der Gefangenen angeht. Wirklich glauben dürfte das niemand, zumal gerade US-Vizepräsident Cheney versucht, einen Gesetzesvorschlag zu verhindern, der genau vorschreibt, was Regierungsangestellte mit Gefangenen nicht tun dürfen. Zumindest will Cheney just die Mitarbeiter der CIA von diesem Gesetz befreit sehen, was nichts anderes heißt, dass sie Gefangene auch weiterhin foltern dürfen, ohne mit Strafe rechnen zu müssen (US-Regierung will für die CIA eine Ausnahme vom drohenden Folterverbot). Hadley hingegen versicherte:
Während wir das tun, was notwendig ist, um unser Land vor Terrorangriffen zu schützen und den Krieg gegen den Terror zu gewinnen, hat der Präsident sehr deutlich gesagt, dass wir das auf eine Weise machen, die mit unseren Werten übereinstimmt. Er hat sehr deutlich gemacht, dass die USA nicht foltern. Die USA werden ihre Aktivitäten in Übereinstimmung mit dem Gesetz und internationalen Verpflichtungen ausführen.
Zudem erklärte er, dass in den Fällen, in denen die "vom Präsidenten verordneten Maßstäbe" nicht eingehalten worden sein könnten, Untersuchungen eingeleitet worden seien. Man habe die Schuldigen bestraft und auch Vorschriften verändert, um sicher zu stellen, dass die Vorschriften des Präsidenten eingehalten werden.
Die Washington Post hat die Namen der beiden osteuropäischen Länder, in denen es solche CIA-Lager geben soll, nicht genannt. Das sei auf Bitten von Regierungsangehörigen geschehen, die warnten, dass sonst der Kampf gegen den Terrorismus Schaden erleiden könne. Im Verdacht, solche Lager für die CIA auf ihrem Boden zugelassen zu haben, stehen nach Meinung der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch zwei enge Verbündete der Bush-Regierung: Polen und Rumänien. Hier sollen einige der "ghost detainees", also der geheim gehaltenen Gefangenen, mit Flugzeugen, die die CIA benutzt, aus Afghanistan gebracht worden sein.
Tom Malinowski, der Direktor von Human Rights Watch, ist sich zu 9i0 Prozent sicher, wie er der britischen Times sagte, dass die CIA dazu 2003 den Szymany-Flugplatz in Polen benutzte, der in der Nähe einer Einrichtung des Geheimdienstes liegt. In Rumänien habe es sich um den Militärflugplatz Mihail-Kogalniceanu gehandelt. Auch die polnische Zeitung Gazeta Wyborcza verweist auf "Quellen", die ähnliches behaupten.
Bulgarien, die Slowakei und Ungarn stritten schnell die Existenz von CIA-Gefängnissen ab. Der tschechische Innenminister Frantisek Bublan erklärte jedoch gestern, dass die US-Regierung vor einem Monat bei seiner Regierung angefragt habe, ob sie bereit sei, Verdächtige auf ihrem Territorium gefangen zu halten. Die Regierung habe sich aber geweigert. Auch Rumänien und Polen wiesen inzwischen die Behauptungen zurück. Nach der Washington Post gibt es zumindest ein solches Gefängnis der CIA in einem europäischen Land des ehemaligen Ostblocks, das nach dem Zerfall der Sowjetunion demokratisch geworden sei.
Die EU würde sich gerne aus dem Fall heraushalten. Das habe nichts mit der EU zu tun, sagte Javier Solana. Wenn es sich nicht um Bulgarien oder Rumänien, sondern beispielsweise um Polen oder Ungarn handelt, dann wären aber Menschenrechtsverletzungen innerhalb der EU begangen worden, wenn Gefangene ohne Anklage und Zugang zum Rechtssystem in geheimen Lagern gehalten und womöglich nach den angeblich seit Sommer 2004 nicht mehr verwendeten "Enhanced Interrogation Techniques" der CIA gefoltert oder misshandelt wurden, was zusätzlich ein Verstoß gegen das Folterabkommen wäre.
Update: Friso Roscam Abbing, Sprecher der Europäischen Kommission für den Bereich Justiz, Freiheit und Sicherheit, hat heute angekündigt, dass die Kommission alle Mitgliedsländer nach CIA-Gefängnissen in ihrem Land befragen wird. Es handele sich dabei aber nur um das Einholen von Informationen, nicht um eine Untersuchung. Man gibt sich weiterhin skeptisch, wollte aber der Kritik durch die Befragung vorbeugen. "Ich glaube nicht", sagte Abbing ein wenig gewunden, "dass es so etwas in Osteuropa gibt, zumindest nicht, soweit ich Bescheid weiß."
Abbing erklärte, dass solche Gefängnisse in der Tat europäisches Recht verletzen würden, in erster Linie die Europäische Menschenrechtskonvention. Was die Behandlung von Gefangenen betrifft, hätten alle Mitgliedsländer die Menschenrechtskonvention und das Internationale Abkommen gegen Folter ratifiziert und müssten die Verpflichtungen einhalten. Allerdings hätte die EU kaum Möglichkeiten, gegen ein Mitgliedsland vorzugehen, dass ein solches CIA-Gefängnis auf seinem Boden dulden würde. Sollte es sich um eines der Länder handeln, die der EU betreten wollen, so wären diese nach den Erweiterungskriterien verpflichtet, die Menschenrechte einzuhalten. Die Existenz von geheimen Gefängnissen würden diese auf jeden Fall verletzen, meinte Abbing.
Mittlerweile fordert das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) die US-Regierung auf, den Zugang zu allen ausländischen Terrorverdächtigen zu ermöglichen, die sich in US-Haft befinden. "Wir sind über das Schicksal einer unbekannten Zahl von Menschen in Sorge, die im Zuge des so genannten globalen Kriegs gegen den Terror gefangen genommen wurden und an geheimen Haftorten festgehalten werden. Der Zugang zu Gefangenen ist eine wichtige humanitäre Priorität für das ICRC und eine logische Fortzsetzung unserer Arbeit in Afghanistan, im Irak und in Guantanamo Bay", sagte Antonella Notari, ICRC-Sprecherin.