Das Öl und der Irak-Krieg: Niederlage der NeoCons?

Nach einem Bericht haben Vertreter der US-Ölkonzerne die von den Neokonservativen geplante Privatisierung des irakischen Öls verhindert

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Dass der Sturz des Hussein-Regimes nicht erst nach dem 11.9. im Blick der Personen und Interessensgruppen stand, die mit George W. Bush an die Macht gekommen sind, ist hinreichend bekannt. Die Sicherung der Energieversorgung ging dabei Hand in Hand mit dem politisch legitimierbaren Regimewechsel, versprach Stabilität in der wichtigen Region und Festigung der wirtschaftlichen Vorherrschaft und des Dollars für die Supermacht, die nach Ansicht der Neokonservativen das Jahrhundert beherrschen und formen sollte. Die Demokratisierung und der Greater Middle East-Dominoplan dienten, wie der von Bush gerade zum nächsten Präsidenten der Weltbank nominierte Vizeverteidigungsminister Wolfowitz unverblümt im Mai 2003 sagte, als eine Art moralische Verkaufsstrategie für die Irak-Invasion.

Mit Wolfowitz kommt einer der Falken der Bush-Regierung an die Hebel der Weltbank und wird entscheidend mitbestimmen, welche Regierungen und Projekte in den Entwicklungsländern gefördert werden und welche nicht. Das hat an sich viel mit dem Kampf gegen den Terrorismus zu tun, doch wenn Wolfowitz die Irak-Strategie auch in der Weltbank fortsetzt, verspricht das nicht unbedingt Gutes. Schließlich hat der Irak-Krieg bislang die Region nicht stabiler und vor allem den Terrorismus nicht geringer gemacht. Allerdings gilt Wolfowitz, verstrickt auch in die Folterpraxis oder das Office of Special Plans, als einer der strammsten Ideologen unter den Neokonservativen, der womöglich die Ideologie der Befreiung über die wirtschaftlichen Interessen der USA stellt. Dass US-Präsident Bush und seine Berater nicht an einer veränderten Politik interessiert sind, haben die Berufungen der letzten Zeit deutlich demonstriert.

Philip Carroll, der frühere Chef von Shell Oil USA, der nach dem Sturz von Hussein als Vorsitzender das Management der irakischen Ölindustrie übernommen hatte, macht deutlich, dass Wirtschaft und die Ideologie des Neokonservatismus zumindest nicht bruchlos Hand in Hand gehen. Der BBC gegenüber sagte er:

Viele neue Neokonservative sind Menschen, die bestimmte ideologische Ansichten von Märkten, von Demokratie, von diesem und jenem haben. Internationale Ölkonzerne sind ohne Ausnahme sehr pragmatische wirtschaftliche Organisationen. Sie besitzen keine Theologie.

Gemünzt ist diese Kritik auf einen innerhalb der US-Regierung gehegten Plan, die Ölindustrie Iraks nach der Invasion zu privatisieren, was allerdings anfangs Carroll auch betrieben hat, um dann über die Ausarbeitung eines Plans doch die Interessen der Ölkonzerne durchzusetzen (Ölpolitik). Die Beschäftigung mit dem irakischen Öl ist (Die Bush-Regierung und das irakische Öl), wie eine BBC-Newsnight-Sendung erneut deutlich macht, ganz unabhängig von den Anschlägen am 11.9. entstanden. Der Terrorismus bot nur eine günstige Gelegenheit, die in der Schublade schlummernden, allerdings in vielen Hinsichten, wie sich nach dem Sieg herausstellte, unausgegorenen Pläne in die Tat umzusetzen. So achtete man etwa darauf, dass der Irak durch schnelles Aufdrehen der Ölhähne bald für die Kosten des Wiederaufbaus aufkommen würde, wovon eben auch die US-Industrie profitieren würde (das war auch die Meinung von Wolfowitz). Allerdings sollen, so will es Greg Palast in Harper's Magazine sehen, worauf sich BBC bezieht, nicht die strammen Neokonservativen, sondern die Ölkonzerne und die pragmatischen Fraktionen im US-Außenministerium gewonnen haben. Politisch spiegelt sich dies aber zumindest nicht in der Mannschaft von Bush und der Strategie, die der Präsident und seine Außenministerin vorgeben.

Mit dem irakischen Öl die Macht der Opec brechen

Ursprünglich habe man vorgehabt, die irakische Ölindustrie zu privatisieren. Dieser angeblich kurz vor der Invasion verfolgte Plan wollte mit der Privatisierung die Macht der Opec brechen, weil so die Fördermengen über die von der Opec beschlossenen Quoten heraufgesetzt werden könnten und damit das Öl billiger würde. Der Verkauf soll kurz vor dem Krieg während eines Geheimtreffens in London unter dem Vorsitz des damaligen Pentagon-Lieblings Tschalabi beschlossen worden sein. Das sagt zumindest Robert Ebel, der an dem Treffen teilgenommen hatte. Ebel war Ölexperte bei der CIA und ist jetzt Mitglied im Center for Strategic and International Studies.

Falah Aljibury, ein Berater in Sachen Öl, der schon unter Ronald Reagan für Kontakte mit Hussein zuständig war, ist jedoch überzeugt, dass die Privatisierungspläne den Aufstand geschürt haben. Der geplante Ausverkauf des Öls auch an ausländische Konzerne habe Befürchtungen geweckt, dass die Ressourcen des Landes an "reiche Milliardäre" übergeben werden, während die Iraker arm bleiben. Man habe daraufhin eine Zunahme der Angriffe auf die Öl-Infrastruktur beobachten können.

Carroll, der im Mai 2003 im Irak eintraf, will allerdings die Interessen der Ölkonzerne im Irak vertreten und den Verkauf des irakischen Öls unterbunden haben. Wie Greg Palast ausführt, wurde dann Robert McKee von ConocoPhillips zu einem maßgeblichen Mann fürs Öl, der mit der Unterstützung von Amy Jaffe vom James Baker Institute und anderen Ölexperten den neokonservativen Plan zu Fall brachte (Der Ausverkauf des Irak). Nun wollte man, wie dies auch geschehen ist, die staatliche Kontrolle über das Öl beibehalten, da sich nur so sichern lässt, dass ausländische Firmen nicht vom Geschäft ausgeschlossen werden. Das erfolgte offenbar auch, so Jaffe, auf dem Hintergrund der Vorgänge in Russland, als mit dem Zusammenbruch des Kommunismus die Amerikaner keinen Nutzen aus der Privatisierung ziehen konnten. Zudem wollte man nicht unbedingt die Opec aushebeln:

Ich bin nicht sicher, dass ich, wenn ich eine amerikanische Firma leiten und man mich an einen Lügendetektor anschließen würde, sagen würde, hohe Ölpreise seien schlecht für mich oder mein Unternehmen.

McKee, der sein Beratungsamt für das irakische Ölministerium nach der Übergabe der staatlichen Kontrolle an die Übergangsregierung unter Allawi an Mike Stinson, ebenfalls von ConocoPhillips, weiter gegeben hat, wollte aus "pragmatischen" Gründen ein staatliches Unternehmen, das besser ausländische Investitionen - natürlich nicht zuletzt amerikanische - ermöglichen kann. Ihm war klar, dass erst einmal viele Milliarden investiert werden müssten, um die durch Embargo und Krieg marode Infrastruktur wieder flott zu machen. Ausgerechnet der russische Konzern Lukoil hat noch aus Saddams Zeiten einen Vertrag für reiche Ölfelder. ConocoPhillips hat sich aber bei Lukoil eingekauft und hofft so ebenso wie Lukoil durch diese Verbindung auf Geschäfte mit dem irakischen Öl. Das ist eben Pragmatismus.