Das Pentagon und die strategische Kommunikation

Im "Krieg der Ideen" sucht das Verteidigungsministerium nach wirksameren "Informationskampagnen"

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Kriege werden nicht nur mit zerstörerischen Waffen und Heeren gewonnen. Die wesentlich auch von der Informationslage abhängige Stimmung der kämpfenden Parteien sowie ihrer Alliierten und der Bevölkerung, aber auch der Weltöffentlichkeit sind kriegsentscheidende Faktoren. Versuche, die Stimmung der Truppen und der Bevölkerung durch gezielte Informationen, also mit "psychologischer Kriegsführung" und "Informationsoperationen" zu beeinflussen, sind wahrscheinlich so alt wie der Krieg selbst. Mit dem Schlamassel im Irak und in der gesamten Region, aber auch an der Heimatfront versucht das Pentagon nun wieder einmal die Macht der Waffen durch "strategische Kommunikation" zu unterstützen.

Seit dem "Krieg gegen den internationalen Terrorismus" als Reaktion auf die Anschläge vom 11.9. hat die Bush-Regierung zwar zwei schnelle militärische Siege errungen und sich weltweit militärisch neu positioniert, aber die Erfolge waren bislang nur kurzfristig. Während in Afghanistan die Kämpfe wieder aufflammen, hat sich der Irak durch den Krieg und die Besatzung in einen Konfliktherd verwandelt, der fast täglich Opfer fordert und die "Befreier" zu unerwünschten Besatzern verwandelt. Viele Muslime fühlen sich vom "Westen" angegriffen, was die Ablehnung oder gar den "Kampf der Kulturen" verstärkt hat.

Propaganda und Gegenpropaganda

Bombenanschlag auf ein russisches Militärfahrzeug. Aus einem Video von Rebellen in Tschetschenien

Die Dschihad-Extremisten haben eine neue Front gefunden, aber auch ihrerseits "strategische Kommunikation", schlicht Propaganda entwickelt. Videos, die ihre Taten in den Konfliktzonen zeigen, kursieren weltweit und sollen die siegreichen Anschläge der netz- oder schwarmförmig organisierten "Widerstandsbewegung" zeigen, um neue Rekruten für den Kampf zur Befreiung der islamischen Länder zu werben (das Pentagon macht natürlich dasselbe und wirbt beispielsweise neue Rekruten mit dem Computerspiel "America's Army"). Aber auch die arabischen Massenmedien fördern allein schon dadurch, weil sie aus der muslimischen Perspektive berichten, teilweise die Differenz zu den USA, die sich als globale Macht der Befreiung aller Unterdrückten präsentiert, aber sich doch immer als eigennützig interessierte Macht erweisen.

Nicht zuletzt ist die Bush-Regierung auch Zuhause in Zeiten des Wahlkampfs zunehmend wegen des Krieges, der strategischen Schwindeleien zu dessen Begründung und der mangelnden Planung der Nachkriegssituationen unter Druck geraten (Ohne Plan und mit zweifelhaftem Erfolg). Schon im Februar 2002, als man noch mit Afghanistan beschäftigt war, aber schon den nächsten Kriegszug vorbereitete, ist bekannt geworden, dass das Pentagon nicht nur die Bevölkerung in den feindlichen Ländern durch gefinkelte Informationen beeinflussen wollte, sondern auch die Menschen in anderen Ländern, selbst in befreundeten, weil diese von der Macht- und Kriegspolitik der Supermacht oft nicht überzeugt waren, obgleich manche Regierungen sich auf die Seite von Bush stellten.

Bombensanschlag im Irak. Aus einem Video auf einer islamistischen Website

Damals ließ das Pentagon schnell nach Bekanntwerden der Absicht, ein "Office for strategic operations" einzurichten (Das Pentagon will für bessere Propaganda sorgen), diesen Plan - zumindest offiziell - wieder fallen (Aus für die Propaganda-Abteilung des Pentagon), was natürlich keineswegs heißt, dass das Pentagon deswegen stets die lautere und objektive Wahrheit der Öffentlichkeit mitteilte. Zur "strategischen Kommunikation" ist nicht unbedingt eine auch so genannte Abteilung notwendig, schließlich war die Kriegsführung im Irak mit dem Konzept der eingebetteten Journalisten selbst schon eine zeitweise perfekt gelungene Propagandamaßnahme.

Die arabischen Sender al-Arabiya und al-Dschasira sind US-Verteidigungsminister Rumsfeld schon lange ein Dorn im Auge, weil sie angeblich Propaganda für den Feind machen und auch mit ihm zusammen arbeiten sollen (Schwierigkeiten mit der Pressefreiheit im Irak). Dagegen soll jetzt, während die Amerikaner unter Umgehung des "Filters" der Medien direkt vom Pentagon mit Live-Berichten aus Bagdad versorgt werden sollen (Bush-Regierung will den "Filter" der Medien überspringen), im Irak ein Medienkonzern mit amerikanischen Geldern aufgebaut werden, allerdings auf der Grundlage des Hussein-Senders, was vielleicht kein gutes Omen ist. Der wird bislang von der Rüstungsfirma SAIC betrieben, die sich neben militärischen C4I-Systemen (command, control, computing, communications, intelligence) auch mit "Electronic Combat/Warfare" und " Information Warfare/Information Operations" zuständig erklärt, worunter offenbar auch staatseigene Medien fallen.

Kampagne zur "strategischen Beeinflussung" im "Krieg der Ideen"

Und SAIC ist nun, wie die New York Times berichtet, auch vom Pentagon beauftragt worden, für 300.000 US-Dollar, also eigentlich Peanuts, einen Vorschlag zu machen, wie eine Kampagne vorgehen könnte, um den Kampf gegen den globalen Terrorismus durch eine "wirkungsvolle strategische Beeinflussung" zu unterstützen. Der New York Times ist ein Dokument vom September 2003 zugespielt worden, in dem vom bislang misslungenen Einsatz im "Krieg der Ideen" mit al-Qaida die Rede ist. Das ist sicherlich eine richtige Einschätzung, denn die Auseinandersetzung mit dem Terrorismus findet nicht primär, wie die US-Regierung dies praktizierte, militärisch auf dem Schlachtfeld, sondern in der medialen Öffentlichkeit statt. Terrorismus ist seit seinem Beginn eine Medienstrategie, keine wie auch immer asymmetrische Kriegsführung, auch wenn zu den spektakulären Anschlägen der quantitative Aspekt der Toten und Verletzten als Mittel gehört, Angst zu verbreiten, Macht zu demonstrieren und Aufmerksamkeit zu finden.

Unser Unvermögen, die Initiative im 'Krieg der Ideen' mit al-Qaida zu ergreifen, ist vielleicht bislang unser wichtigstes Versäumnis im Krieg gegen den Terrorismus. Wir verstehen al-Qaida und ihre Beziehungen zu unterstützenden Gemeinschaften in der islamischen Welt nicht vollständig, weswegen wir nicht in der Lage sind, eine effektive Strategie zu entwickeln, um ihre Propaganda in diesen Gemeinschaften zu stoppen, ganz davon abgesehen, die Informationskampagne im Krieg gegen den Terrorismus zu gewinnen.

Aus einem Shockwave-Film auf einer al-Ansar-Website, die den Kampf gegen die USA durch Bin Ladin und den Kampf gegen die Russen in Tschetschenien verbindet

Das Pentagon scheint allerdings weiterhin dem in der Bush-Regierung tief verwurzelten Glauben zu folgen, dass nicht die praktizierte Politik Teil des Problems ist, sondern nur die ungenügende Kommunikation. Man muss also durch den Spin der Terroristen, die die Menschen täuschen und verführen, mit einem effektiveren Spin durchstoßen, damit die verblendeten Menschen die Wahrheit erkennen und sich der Sicht der US-Regierung anschließen, deren Präsident schließlich glaubt, im geschichtlichen oder gar im göttlichen Auftrag zu handeln.

Ein Ziel des Auftrags sei es, so das Dokument, einen Entwicklungsplan zur Umsetzung "einer effektiven Kapazität des Verteidigungsministeriums zu schaffen, um effektive Kampagnen zur strategischen Beeinflussung und zum operationalen sowie taktischen Wahrnehmungsmanagement zu entwerfen und durchzuführen". Offenbar träumt im Pentagon davon, die Menschen mit Informationen zu manipulieren zu können, wie man mit Waffen zielgenau Menschen töten oder Dinge zerstören kann. Das zwei Mal verwendete Wort "effektiv" mag allerdings ein gewisses Misstrauen in eine waffenförmige Manipulation von Meinungen andeuten, schließlich geht es bei der psychologischen Kriegsführung nicht nur um Abschreckung und Einschüchterung, sondern auch um Verführung.

Kampagne der European Security Advocacy Group

Das der New York Times zugespielte Papier ist auf den 17.09.2003 datiert. Um diese Zeit herum hat auch die mysteriöse "European Security Advocacy Group" ihre Kampagne gegen den Terrorismus im Allgemeinen mit Annoncen in großen europäischen Zeitungen begonnen (Wer steckt hinter der "European Security Advocacy Group"?). Angeblich handelt es sich um eine von Norman Vale, Direktor der Beratungs- und Werbeagentur Vale International, gegründete Stiftung, von der allerdings nur eine wenig erhellende Hotmail-Emailadresse angegeben wird. Die Gelder für die europaweit angelegte Kampagne sollen von Firmen und Privatpersonen stammen, die anonym bleiben wollen (Anonymität ist eine Frage der Sicherheit).

Seltsamerweise scheint die Anzeigenkampagne nicht vielen aufzufallen, die durchaus einer "strategischen Beeinflussung" im Sinne des Pentagon oder des Weißen Hauses gleichen. Mit den Anzeigen sollen offenbar die Leser, die eine gewisse Nähe zu Terroristen verspüren, davon überzeugt werden, dass es sich um einen menschenverachtenden Schwindel handelt. Rechtfertigungen und Versprechungen der Terroristen - unklar bleibt stets wohl mit Absicht, um welche Gruppen es sich dabei handelt, auch wenn stets der Bezug zu islamistischen Anschlägen im Vordergrund steht - sollen entlarvt werden.

In der bislang letzten Anzeige, die nach dem ersten Anschlag in Istanbul in der SZ (22./23.11.) geschaltet wurde, geht es wiederum nicht um den Hintergrund, der Menschen zu Terroristen oder zu Sympathisanten von diesen werden lässt, sondern um eine Art von Widerlegung ihrer "strategischen Kommunikation". Der Anschlag in Istanbul habe "auf geradezu blasphemische Weise Glaube und Religion als Rechtfertigung missbraucht" und "die Legende vom 'Heiligen Krieg' endgültig zerstört". Die Opfer waren unschuldig, die Täter gespeist - die einzige Begründung - durch eine "unheilige Allianz aus Hass und falsch verstandenem Nationalismus". Hass ist auch das Haupterklärungsmotiv, das die Bush-Regierung hinter al-Qaida und anderen Terroristen sieht.

Bewirken würde Terrorismus nichts, er schaffe weder Frieden, noch beseitige er Armut: "Am allerwenigsten aber bringt er einer betrogenen Jugend die versprochene Zukunft. Sondern Tod." Das alles ist irgendwie richtig und die moralische Verurteilung doch gleichzeitig zu vereinfachend und blind für die Komplexität. Auffällig ist, dass die Ziele des Hasses und des falschen Nationalismus systematisch ungenannt bleiben, als wäre "der Terrorismus" ein Phänomen, das aus völlig unerklärlichen Gründen vom Himmel fällt und solange wirkt, bis die Terroristen eliminiert sind und ihre Propaganda nicht mehr greift.

Ohne den Hintergrund vieler schon lange bestehender und jüngst geschaffener Konflikte zumindest aufzugreifen und die Verstrickung des Westens mit diesen zu thematisieren, wird man die Situationen, aus denen "der Terrorismus" seine Rechtfertigung bezieht und die Jugend ihrer Zukunft beraubt, nicht auflösen können. Wer nicht nur kalt und zweckrational Menschen töten will, sondern mit dem Menschenopfer zugleich sein Leben verwirkt, sieht auch im eigenen Tod, im eigenen Opfer, im Selbstmord ein Versprechen auf die Zukunft. Das ist unter normalen Umständen kaum nachvollziehbar, daher vermutlich auch nicht durch vernünftige Argumente zu bekämpfen.

Aufklärung ist notwendig, auch ein aufgeklärter Islam und wahrscheinlich vor allem eine Emanzipation der Frauen, aber Aufklärung kann nur dort stattfinden, wo auch ein Ausgang aus der Unmündigkeit möglich ist und gewollt, er nicht von außen aufgrund fremder Interessen erzwungen wird. Wie also gibt man einer "betrogenen Jugend" eine erstrebenswerte Zukunft, die nicht mit Tod und Blut erkauft werden muss? Jede fahrlässige Tötung Unschuldiger, wie eben gerade die Kinder in Afghanistan, die durch eine US-Bombe getötet wurden, spielt den "Terroristen" zu - zumal wenn die Verfehlung wie üblich vom Pentagon zugedeckt wird, um die eigenen Soldaten bei der Stange zu halten.