Das abwesende Spanien gibt die EU-Präsidentschaft ab
Nach dem gescheiterten Zapatero wird nun geschäftsführend der Belgier Leterme das Ruder übernehmen
Die meisten Menschen in Deutschland dürften kaum gemerkt haben, dass Spanien turnusgemäß sechs Monate die EU-Ratspräsidentschaft innehatte. Den Spaniern ging das nach dem grandiosen und publikumswirksamen Fehlstart im Web nicht viel anders. Innerhalb und außerhalb des Landes bestimmten vor allem die Negativschlagzeilen und die gravierenden Probleme im Land das Bild. Da ist die Rekordarbeitslosigkeit von über 20 Prozent, ein riesiges Haushaltsdefizit, fast so hoch wie in Griechenland, und so einige sehen schon den Pleitegeier über Spanien kreisen, dessen Sparkassen abstürzen.
Regierungschef José Luis Zapatero war in den vergangenen sechs Monaten tief spanischen Chaos verstrickt, für das er allerdings mit seiner Schlingerkurspolitik maßgeblich verantwortlich ist. Da der bisherige EU-Ratspräsident, der den Vorsitz am 1. Juli an das von Auflösung bedrohte Belgien abgegeben hat (Open Source und Separatismus), ums politische Überleben seiner Minderheitsregierung kämpft, widmete er sich kaum um EU-Belange. Da mit Zapatero gleichzeitig Herman Van Rompuy das Amt als ständiger Ratspräsident einnahm, fiel das meist nicht weiter auf. Schmerzhaft bekamen das aber im April viele Reisende zu spüren. Denn Spanien brauchte fünf Tage, um angesichts des Chaos im europäischen Flugverkehr eine Videokonferenz einzuberufen, um wegen der Aschewolke aus Island ein gemeinsames Vorgehen in der EU abzustimmen.
Von einer "historischen" Präsidentschaft hatte Zapatero geschwärmt, denn er wollte als erster EU-Präsident unter dem gerade in Kraft getretenen Link auf '31418 eine neue Ära einläuten. Doch dieser Vertrag bescherte Zapatero vor allem Kompetenzgerangel mit van Rompuy oder der neuen EU-Außenministerin Catherine Ashton. Er wollte auch erfolgreiche Rezepte gegen die Finanz- und Wirtschaftskrise entwickeln, womit er sich erwartungsgemäß übernommen hat. Denn Spanien schlittert seit drei Jahren weitgehend führungslos in der Krise. Von seinem Ziel die Wirtschaft der Gemeinschaft "produktiver, innovativer und nachhaltiger" zu machen, hat sich Spanien in fünf Jahren unter dem Sozialdemokraten noch weiter entfernt.
Sein Begrüßungsvorschlag, Sanktionen gegen EU-Mitgliedstaaten zu verhängen, die zu wenig für die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Wirtschaft tun, verärgerte deshalb viele, weshalb er schnell wieder in der Versenkung verschwand (EU-Präsidentschaft mit begrenzter Haftung). Der Franzose Nicolas Sarkozy nutzte das Vakuum, dass Zapatero hinterließ, um seine Vorstellungen einer europäischen Wirtschaftsregierung voranzutreiben, die auch in Berlin auf offene Ohren stößt, auch wenn man dort Sprachakrobatik betreibt. So wendet sich nun mit Schweden ausgerechnet Spanien gegen eine Änderung des EU-Vertrags, um Haushaltssünder besser zu disziplinieren, was ja eigentlich dem ursprünglichen Vorschlag von Zapatero nahe kommt. Damit zeigt sich, dass er es nie wirklich ernst meinte.
Ausgefallen sind auch zwei wichtige Termine, mit denen sich Zapatero weltweit im Scheinwerferlicht zeigen wollte. Zunächst sagte US-Präsident Barack Obama die Teilnahme am EU-USA-Gipfel ab. Er störte sich auch an der Inhaltsleere des Programms. Auch der Gipfel der Mittelmeeranrainer musste abgesagt werden und auch der EU-Lateinamerika-Gipfel fiel beinahe ins Wasser. Wichtige Staatschefs ließen sich nur kurz sehen oder reisten gar nicht an. Zwar wurde dabei ein Freihandelsvertrag mit Zentralamerika noch unterschrieben, doch der Dialog mit Kuba, den Spanien vorantreiben wollte, kam nicht in Gang.
Auch in Brüssel scheint man diese Präsidentschaft vergessen zu wollen. Als vergangene Woche im Europaparlament über den EU-Gipfel und die "Strategie 2020" debattiert wurde, vergaßen sowohl Van Rompuy als auch EU-Kommissionspräsident José Manuel Durão Barroso sich bei Spanien für die Beteiligung zu bedanken, obwohl sie in Sitzungen unter spanischem Vorsitz ausgearbeitet wurde. Kommende Woche, wenn Zapatero im Europaparlament auftritt, wird man das diplomatisch nachholen.
Nun hat Belgien den Ratsvorsitz und man darf gespannt sein, zu welcher Kategorie sich der Vorsitz entwickelt. In den letzten drei Semestern gab es drei Varianten: Das Modell Tschechien und das Chaos, das folgte, als im März 2009 die Regierung stürzte und damit auch die EU einen neuen Präsidenten erhielt, die darauf folgende relativ stabile EU-Ratspräsidentschaft Schwedens oder die der spanischen Abwesenheit, die wegen innenpolitischer Verstrickungen und fehlender umsetzbarer Vorstellungen scheiterte.
Zu erwarten ist, dass Belgien wohl näher den Präsidentschaften Spaniens oder Tschechiens liegen dürfte, als an der Schwedens. Nach den Wahlen mit dem verzwickten Ausgang, hat Belgien bisher noch keine Regierung. So übernimmt nun der Christdemokrat Yves Leterme, der geschäftsführend noch im Amt ist, auch die EU-Ratspräsidentschaft. Er war im April vom Amt des Ministerpräsidenten zurückgetreten, wurde bei den Wahlen schwer abgestraft und hat nach den massiven Verlusten der Christdemokraten keine Chance, wieder ins Amt zurückzukehren.