Deal in letzter Minute: USA streichen Kuba von Terrorliste

Ein Auto vor einem Gebäude

Botschaft der USA in Havanna

(Bild: Fotos593/Shutterstock.com )

Die USA haben Kuba von der Liste der Terrorunterstützer gestrichen. Im Gegenzug lässt Havanna 553 Gefangene frei. Was steckt hinter dem Deal?

US-Präsident Joe Biden hat am Dienstag die Einstufung Kubas als "Unterstützer des internationalen Terrorismus" offiziell widerrufen – im Gegenzug lässt das Land 553 Gefangene frei.

Damit macht Biden eine der letzten außenpolitischen Entscheidungen seines republikanischen Vorgängers Donald Trump rückgängig. Dieser hatte die sozialistische Karibikinsel am 12. Januar 2021, nur wenige Tage vor Ende seiner Amtszeit, wieder auf die Liste der "Staatssponsoren des Terrorismus" gesetzt.

Das Ende einer willkürlichen Sanktion

Neben Kuba befinden sich derzeit nur Nordkorea, Iran und Syrien auf der US-Liste. Die Listung führt für die betroffenen Länder zu massiven Beschränkungen beim Zugang zu den internationalen Finanzmärkten und behindert die Möglichkeiten, Geschäfte mit anderen Ländern und Körperschaften zu tätigen.

Für internationale Finanzinstitute gelten dort aufgeführte Länder als absolute Pariastaaten. Bei Geschäften mit ihnen bzw. dort angesiedelten Entitäten droht auch Dritten, ins Visier der US-Sanktionsbehörde OFAC zu geraten.

Vertreter verschiedener Staaten und zivilgesellschaftliche Akteure hatten die erneute Listung der Insel in den vergangenen Jahren scharf kritisiert. Vergangenen Februar hatte eine UN-Expertengruppe gewarnt, dass durch die Aufnahme in die Liste grundlegende Menschenrechte wie das Recht auf Leben, Nahrung, Gesundheit, Bildung sowie wirtschaftliche und soziale Rechte und das Recht auf Entwicklung negativ beeinträchtigt seien.

Sogar Spitzenbeamte der Regierungen Trump und Biden bezeichneten die Aufnahme Kubas hinter vorgehaltener Hand als "absurd". Der ehemalige Stabschef von Colin Powell nannte sie "eine Fiktion, die wir geschaffen haben, um die Begründung für die Blockade zu untermauern".

Kuba wurde aufgrund der Unterstützung linker Guerillaorganisationen 1982 erstmals auf die US-Terrorfördererliste aufgenommen und 2015 durch Ex-US-Präsident Barack Obama gestrichen, nachdem Havanna inzwischen Gastgeber für Friedensgespräche zwischen der Farc-Guerilla und der kolumbianischen Regierung geworden war.

Kubas Präsident Miguel Díaz-Canel erklärte in einer ersten Reaktion, dass der Schritt "in die richtige Richtung" gehe, kritisierte jedoch zugleich, dass die meisten Maßnahmen der US-Blockade weiter in Kraft seien.

Biden macht Trumps Kuba-Politik größtenteils rückgängig

Doch zumindest einige jüngere Verschärfungen der 1960 verhängten Wirtschaftsblockade wurden ebenfalls zurückgenommen. So hebt Biden das von Trump eingeführte Klagerecht nach dem dritten Teil der Helms-Burton-Gesetzgebung aus dem Jahr 1996 wieder auf.

Das erst Jahre später von Trump aktivierte Gesetz ermöglicht es Ausländern, Ansprüche auf nach dem Sieg der Revolution 1959 konfiszierte Eigentümer gerichtlich geltend zu machen – was das Investitionsklima auf der Insel massiv verschlechtert hat.

Außerdem setzte Biden eine Schwarze Liste kubanischer Unternehmen außer Kraft, mit denen US-Bürger und -Firmen keine Geschäftsbeziehungen unterhalten dürfen.

Damit sind kurz vor Ende von Bidens Präsidentschaft die schwerwiegendsten Verschärfungen der ersten Trump-Administration wieder aufgehoben worden. Reichlich spät möchte man hinzufügen, wenn man bedenkt, dass Biden und Harris bereits im Wahlkampf 2020 für eine Rückkehr zur Normalisierungspolitik Barack Obamas warben, in der Praxis aber bis auf minimale Schritte fast durchgehend Trumps Kuba-Politik aufrechterhielten.

Die offizielle Prüfung, die formell notwendig war, um Kuba von der "Terrorliste" zu streichen, dümpelte viele Jahre ergebnislos vor sich hin.

In einer Erklärung des Weißen Hauses bestätigte Biden dann lapidar, dass die kubanische Regierung in den vergangenen sechs Monaten keinen internationalen Terrorismus unterstützt habe – und führt zugleich Außenminister Antony Blinken vor, der erst Mitte Dezember öffentlich erklärte, dass es unter der jetzigen Administration "keine Änderungen unserer Politik" (in Bezug auf Kuba) mehr geben wird.

Ein ungewöhnlich hoher Preis

Um die Hintergründe des Deals zu verstehen, muss man sich vor Augen führen, dass es sich eben um einen solchen handelt und nicht um ein "Geschenk" von Biden.

Von den 553 Gefangenen, die Kuba im Gegenzug vorzeitig aus der Haft entlässt, dürften nicht wenige im Rahmen der Proteste am 11. Juli 2021 verhaftet worden sein.

In Folge der größten regierungskritischen Proteste seit den 1990er Jahren wurden über 800 Personen zu teils langjährigen Haftstrafen verurteilt, was zu massiver internationaler Kritik an der Regierung führte. Auch der Vorwurf behördlicher Willkür steht im Raum. Kuba machte seinerseits die USA für den Ausbruch der Proteste mitverantwortlich und verwies auf eine aus dem Ausland finanzierte Twitterkampagne.

Vertreter des Obersten Gerichts erklärten, dass den betreffenden Gefangenen verschiedene Delikte vorgeworfen werden und Einzelfallprüfungen nach Absolvierung eines Teils der Strafe auf Basis von Kriterien wie Alter, Krankheiten, etc. durchgeführt wurden, wobei es sich explizit nicht um eine Amnestie handle. Kuba hatte unter Vermittlung des Vatikan, zu dem die Insel gute Beziehungen unterhält und der auch jetzt involviert war, mehrfach Gespräche angeboten.

Doch warum kommt ausgerechnet jetzt ein solches Abkommen zustande, wo doch in wenigen Tagen Trump und dessen rechtsgerichteter Außenminister Marco Rubio übernehmen und alles rückgängig zu machen drohen?

Dass eine nicht unbeträchtliche Zahl der Verhafteten im Austausch für Sanktionslockerungen, die vielleicht nicht einmal Tage in Kraft sein werden, vorzeitig freigelassen werden, wäre aus kubanischer Sicht ein ungewöhnlich hoher Preis. Warum sollte sich Havanna darauf einlassen?

Absprachen mit Trumps Team?

Eine mögliche Antwort darauf liefert ein Sprecher der Biden-Administration, der gestern erklärte, dass die "Übergangsteams der jeweiligen Verwaltungen der Biden-Regierung und der neuen Trump-Regierung in regelmäßigem Austausch über eine Reihe von Themen stehen" und der Deal mit Kuba "zu den Themen gehört, über die sie sich ausgetauscht haben."

Schwer vorstellbar, dass Raúl Castro, der in diesen Fragen auf Kuba noch immer das letzte Wort hat, einen solchen Deal ohne entsprechende Zusagen der kommenden Trump-Administration akzeptiert hätte. Auf ökonomischem Gebiet mag Kuba teilweise naiv und unbeholfen agieren, auf diplomatischem Gebiet gilt die Insel jedoch als extrem versiert.

Trump wiederum hätte mit einem solchen Deal (wenn er unter seiner Administration Bestand hätte) die Möglichkeit, seiner exilkubanischen Wählerbasis in Florida einen Erfolg auf humanitärem Gebiet zu präsentieren und bekäme mehr Optionen gegenüber Russland und China, die beide gerade dabei sind, ihre Präsenz auf Kuba auszubauen.

Doch selbst wenn es entsprechende Absprachen gäbe, dass Trump nicht wie angekündigt zu seiner Politik des "maximalen Drucks" gegenüber Kuba zurückkehren und alle Lockerungen sofort wieder rückgängig machen wird, bliebe noch die Frage: Was sind solche Zusagen wert?

Es wäre weder das erste noch das letzte Mal, dass sich eine US-Regierung nicht an Absprachen hielte und Trump bleibt die wohl unberechenbarste Wildcard der internationalen Politik. Ob Kuba mit dem Abkommen nach Jahren der Wirtschaftskrise jetzt der entscheidende Befreiungsschlag gelungen ist oder man in Havanna schlicht hoch gepokert hat, kann letzten Endes nur die Zeit zeigen.