Despot von Gottes Gnaden
Trump über dem Weißen Haus, Folge 3
Folge 1: "America will rise again"
Folge 2: Präsident und Dealmaker
Einige Fragen sind noch offen: Warum ist Obama der erste schwarze Präsident der USA, obwohl er eine weiße Mutter hat? - Wie werde ich den Kongress los, wenn er mich beim Durchregieren stört? - Wie instrumentalisiere ich als Populist die Medien? - Was macht man mit kriminellen Ausländern? - Antworten gibt der dritte und letzte Teil dieser Geschichte über einen Diktator im Weißen Haus.
Film der Inspiration
Nachdem er den Film mehrfach gesehen hatte begann Hays, das Licht am Ende des Tunnels zu entdecken. Also rief er Louis B. Mayer in Los Angeles an. In einem Brief an Dr. Wingate (11.3.), seinen Statthalter an der Westküste, fasste er zusammen, was er dem Studioboss gesagt hatte. Das ganze Land, so Hays, liege danieder und schaue auf den frisch vereidigten Roosevelt "wie ein Ertrinkender auf einen Lebensretter schaut". Es sei eine Tatsache, "dass Hunderttausende von Menschen ein Auge auf ihn gerichtet haben und eines auf Gott und in einer Stimmung und einer Geistesverfassung sind, in der sie sich über Betrachtungen zur Institution und den Faktoren der Regierung, die eine Lösung finden müssen, ernsthaft ärgern werden."
Hays, der Ex-Politiker und Ex-Parteichef, schrieb gern solche verquasten Sätze. Dumm war er aber nicht, und er hatte sehr gut verstanden, dass der Film die Lösung in Gestalt eines Diktators präsentierte und die gewählten Volksvertreter als eine Ansammlung von kindischen, unfähigen und korrupten Figuren diffamierte, weil sich die Diktatur dem Publikum besser verkaufen ließ, wenn man die demokratische Regierungsform als ein nicht funktionstüchtiges System zum Wohle unnützer Funktionäre darstellte und so den Ressentiments der Wutbürger im Kinosaal weiter Nahrung gab.
Er halte es für essentiell, schrieb Hays, den Anfang des Films zu ändern und anzudeuten, dass es in Regierungskreisen "eine gewisse Intelligenz und eine gewisse Weisheit und so etwas wie eine höhere Zielsetzung gibt" und nicht nur versucht wird, sich um das Einhalten gegebener Versprechen herumzudrücken, ohne eine "korrekte Pflichterfüllung" auch nur anzustreben. Kurz gesagt: Die Regierung in Washington sollte nicht ganz so schlimm sein und das Gute wenigstens anstreben, wenn sie schon nicht in der Lage war, es zu erreichen.
Entfernt wurden dann die Saufgelage im Weißen Haus, die zur Pokerrunde umfunktionierten Kabinettssitzungen und die Dialoge, in denen Präsident Hammond besonders abfällig über den Kongress herzog. Der Witz über die unmöglich einzuhaltenden Wahlversprechen blieb genauso drin wie der Präsident, der sich und die Regierung in Washington mit zynischer Nonchalance für nicht zuständig erklärt, wenn er nach Lösungen für die dringendsten Probleme gefragt wird. Schließlich musste es konkrete Missstände geben, wenn Gott es für nötig hält, dem Präsidenten durch den Erzengel Gabriel seine Botschaften zu schicken. Dieser Teil gefiel dem obersten Zensor sehr gut.
Das amerikanische Volk, so Hays, erwarte einen "Film der Inspiration", und einen solchen habe es auch verdient. Ein Schlag auf den Kopf sei zu wenig. Die Geschichte habe gezeigt, dass bei Männern, die Präsident der USA werden, "ein spiritueller Wandel" zu beobachten sei, nachdem sie sich zum Wohl des Volkes schier umbrächten. Wenn man andeuten könne, dass so etwas auch Jud Hammond passiert, wenn der Erzengel Gabriel zu ihm niedersteigt, sein Handeln also vom göttlichen Geist beseelt ist, dann, so Hays, wäre die andere Botschaft des Films (das Land braucht einen Diktator auf Zeit) nicht mehr so heikel.
Das sollten wir hier noch einmal festhalten: Eine Diktatur war eigentlich schlecht, denn die Vereinigten Staaten waren eine Demokratie und stolz darauf. Wenn Gott sie aber anordnete war das etwas anderes. Darüber könnte man sich unbeschwerter amüsieren, wenn die Berufung auf Gott nicht zum Standardrepertoire amerikanischer Politiker gehören würde. Dazu noch ein Zitat:
Politiker reden nur immer, sie handeln nicht. Sie bringen uns nicht in das Gelobte Land. […] Ich sehe mir die Reden dieser Leute an, und sie sagen, dass die Sonne aufgehen wird, und dass der Mond untergehen wird, dass alle möglichen wunderbaren Sachen passieren werden. Und die Menschen sagen: ‚Ich will nur einen Job. Besorg mir nur einen Job. Das Gerede brauche ich nicht. Ich will einen Job.’ [...] Ich werde der größte Job-Präsident sein, den Gott je erschaffen hat.
Wiederherstellung der Religionsfreiheit
Gesagt hat das nicht Jud Hammond, der Aktivisten-Präsident in Gabriel Over the White House, sondern Donald Trump im Juni 2015, als er seine Präsidentschaftskandidatur bekanntgab. Gott durfte da nicht fehlen. Trump war vielleicht der Kandidat, dem man das Gerede von der göttlichen Botschaft, die in seiner Agenda steckt, weniger abnahm als allen Kandidaten vor ihm. Trotzdem blitzte die göttliche Sendung bei seinen Wahlkampfauftritten immer wieder auf, weil er genau wusste, welche Stimmen er ergattern musste, um am Ende zu gewinnen.
Trump holte nicht nur den Rust Belt, also die krisengeschüttelten Industrieregionen der USA, sondern auch den vom evangelikalen Protestantismus geprägten Bible Belt, obwohl man eigentlich denken könnte, dass ein mehrfach verheirateter, mit Sexskandalen von sich reden machender Lebemann aus dem Sündenbabel New York ein Kandidat ist, den die Evangelikalen keinesfalls wählen würden. Offenbar hat er ihnen versprochen, sich zu revanchieren und frei werdende Plätze im Supreme Court in ihrem Sinne zu besetzen.
Der Oberste Gerichtshof hat einen wachsenden Einfluss auf die amerikanische Gesellschaft, seitdem dort immer mehr politische Entscheidungen auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüft werden. Dafür, dass Trump sein Versprechen einhält, garantiert sein Vizepräsident Mike Pence, ein christlicher Fundamentalist aus Indiana, der von sich sagt, er sei "Christ, Konservativer und Republikaner", in dieser Reihenfolge. "Konservativ" ist dabei eine Untertreibung.
Pence ist ein radikaler Abtreibungsgegner, glaubt, dass Homosexualität eine Krankheit ist, die man heilen kann und fabuliert gern über den Kampf des Guten gegen das Böse. Als Gouverneur von Indiana hat er den Religious Freedom Restoration Act durchgeboxt. "Wiederherstellung der Religionsfreiheit" heißt, dass man Minderheiten unter Umständen wieder diskriminieren darf, wenn man geltend macht, andernfalls in seinen religiösen Gefühlen verletzt zu werden. In Indiana hat das zu einem Kulturkampf rund um Läden und Restaurants geführt, deren Besitzer sich weigerten, Schwule und Lesben zu bedienen oder als Gäste zu akzeptieren, weil sie an "Adam and Eve" glauben wie in der Bibel und nicht an "Adam and Steve", wie es ein Geschäftsmann in einer Radiosendung formulierte.
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