Die Angst geht zurück, die Bedenken wachsen

Bei den Amerikanern nimmt die Sorge über mögliche Einschränkungen ihrer Freiheiten zu, bei Ausländern ist man aber weniger zimperlich - und die Bush-Regierung darf wieder kritisiert werden

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Umfragen erzielen zwar sicher keine beliebigen Ergebnisse, ihr Ergebnis hängt jedoch stark von der Art der Fragen ab. Eine Umfrage der Washington Post hatte vor zwei Wochen noch ergeben, dass die Amerikaner nicht nur mit über 90 Prozent die Politik von Präsident Bush unterstützen und für einen Angriff auf den Irak sind, sondern 81 Prozent waren auch der Meinung, dass die Regierung sich ausreichend um den Schutz der Bürgerrechte der Amerikaner bei der Terrorbekämpfung kümmern (Überwältigende Mehrheit der Amerikaner für Militäraktion gegen den Irak). Eine gestern von der New York Times veröffentlichte Umfrage ergibt da bereits ein etwas anderes Bild.

Allerdings können in Kriegszeiten zwei Wochen eine lange Zeit sein, zumal wenn der Gegner in der Ferne sich dank der überlegenen Technik für die eigenen Soldaten als weitgehend ungefährlich erweist und die Angst zurückgeht, im eigenen Land unmittelbar neuen Terroranschlägen ausgesetzt zu sein. Möglicherweise erwachen die Menschen allmählich auch aus dem Schockzustand, in den sie durch die Anschläge, das schnelle politische Reagieren der Bush-Regierung und den nachfolgenden Krieg versetzt wurden, um nun ein wenig kühler beobachten zu können, was nicht die Terroristen, sondern deren Bekämpfung an Folgen für die Gesellschaft bewirkt hat und noch bewirken kann (But we are under attack).

Noch immer zeigte die Befragung allerdings, dass die Zustimmung zum US-Präsidenten mit 86 Prozent sehr hoch. 91 Prozent finden, dass die Regierung den Krieg gegen den Terrorismus richtig geführt hat, immerhin 75 Prozent finden auch die Außenpolitik überzeugend. Und den Fortschritt des Krieges in Afghanistan findet die überwältigende Mehrzahl gut, 51 Prozent sogar sehr gut. Die meisten glauben noch daran, dass Usama bin Ladin gefasst oder getötet wird, die Mehrzahl aber auch, dass der Krieg sich über Afghanistan hinaus ausweiten werde. Angst vor drohenden Terroranschlägen haben hingegen nur noch 23 Prozent. Im Oktober rechneten damit noch 53 Prozent der Befragten.

Genau das aber könnte die Stimmung im Land verändern, wodurch manchen Vorstößen der Bush-Regierung, die als dringend notwendige Bekämpfung der Terrorismusgefahr ausgegeben wurden, und dieser selbst bald ein anderer, wieder normalerer Wind entgegen blasen könnte. Noch bei der letzten Befragung Anfang Oktober fanden es 58 Prozent der Menschen akzeptabel, Bush wegen seiner Wirtschafts- oder Innenpolitik zu kritisieren, jetzt sind es schon 73 Prozent. Auch wegen seiner militärischer Entscheidungen ist Bush bereits weniger tabu als zu Beginn des Krieges. Da nützen offenbar immer wieder ausgegebene Warnungen und Erinnerungszeremonien nichts mehr (Macht und Erfolg verführen).

Hauruckverfahren wie die Bewilligung von Militärtribunalen durch einen präsidialen Erlass am Kongress vorbei, finden schon 80 Prozent der Bürger nicht mehr als richtig. 51 Prozent meinen, die Einrichtung von Militärtribunalen, die hinter verschlossenen Türen tagen, sei keine gute Idee. Zerrissen sind die Bürger, was die Frage anbelangt, ob die Regierung zu lasche (43 Prozent) oder zu strenge neue Antiterrorgesetze (45 Prozent) realisiert, die die Freiheiten der Bürger zu sehr einschränken.

Eigentlich fordern die meisten, dass amerikanische Bürger und Ausländer vor dem Recht gleich behandelt werden sollen. Wenig verwunderlich freilich ist dennoch, dass die Menschen zwar Einschränkungen für ihr eigenes Leben ablehnen, aber nichts dagegen haben, wenn Ausländer härter behandelt werden. Eine wachsende Zahl der Menschen, alle früher oder später Einwanderer, wollen sich denn auch abschotten und die legale Zuwanderung beschränken (59 Prozent), auch wenn weiterhin 51 Prozent der Meinung sind, dass Einwanderer ihren Beitrag zum Wohlergehen des Landes leisten. So haben 80 Prozent nichts dagegen einzuwenden, wenn Ausländer aufgrund einer Bedrohung der nationalen Sicherheit unbegrenzt festgehalten werden können, während 65 Prozent die Sorge äußerten, eigene Rechte verlieren zu können, oder 63 Prozent, dass die für Ausländer geschaffenen Maßnahmen schließlich doch auch auf sie selbst angewendet werden könnten. Und weiter erstaunlich ist auch nicht, dass bei den Schwarzen diese Angst doppelt so hoch ausgeprägt ist als bei den Weißen.

Dennoch haben daher nur wenige etwas dagegen, dass die Gespräche zwischen den derzeit aufgrund eines oft bestenfalls sehr vagen Terrorismusverdachts verhafteten Ausländern, die nach dem 11.9. ins Gefängnis kamen, und ihren Anwälten abgehört werden. Dabei handelt es sich ja um Ausländer, denn allgemein gefragt, ob die Gespräche zwischen Verdächtigen und ihren Anwälten abgehört werden sollen, finden das schon 64 Prozent eine schlechte Idee. Zwei Drittel (65 gegenüber 51 Prozent im Oktober) wollen aber nicht, dass die Regierung die Telefongespräche und die Emails von normalen amerikanischen Bürgern zur Terrorismusbekämpfung überwachen kann, allerdings sprachen sich 48 Prozent dafür aus, dass die Regierung leichter Gespräche abhören können soll. Insgesamt scheinen die Amerikaner aber wenig Ahnung zu haben, was da die Regierung über ihre Köpfe hinweg und im Eilverfahren ohne ausreichende Diskussion im Kongress an Maßnahmen durchgepeitscht hat. Danach gefragt, ob die Gesetzesvorschläge der Bush-Regierung im Hinblick auf die Bürgerrechte zu weit gegangen seien, sagten die Hälfte (49 Prozent), dass sie dazu nichts sagen könnten, weil sie darüber zu wenig Bescheid wüssten. Dennoch sind 71 Prozent gleichzeitig der Überzeugung, dass die Regierung bislang noch nicht ihre Rechte über Gebühr eingeschränkt hat.

Dass viel von der Formulierung abhängt, zumal bei Telefonbefragungen, geht aus diesen Fragen mit eigentlich identischen Inhalten hervor. So meinten 61 Prozent, es sei "eine gute Idee" 5000 junge Männer, die kürzlich aus dem Mittleren Osten ins Land gekommen sind, "aufgrund ihres Alters und ihres Herkunftslands" zu befragen. In der folgenden Formulierung sahen hingegen schon 54 Prozent eben darin eine Verletzung der Rechte derselben Menschen: "Sind Sie der Meinung, dass die US-Regierung routinemäßig Männer aus dem Mittleren Osten verhören soll, die in den letzten zwei Jahren in die USA gekommen sind, auch wenn sie keines Verbrechens beschuldigt werden, oder verletzt dies die Rechte der Menschen." (US-Justizminister übt sich in Verschwiegenheit)

Angesichts der derzeitigen Lage in Israel ist auch interessant, wie die US-Bürger in dem Konflikt des Landes zu den arabischen Ländern stehen. 57 Prozent empfinden gegenwärtig, ein ziemliches Hoch, mehr Sympathie zu Israel als zu den arabischen Staaten. Nur bei 13 Prozent ist es umgekehrt. Nur 27 Prozent sprechen sich für einen palästinensischen Staat in der West Bank und im Gaza Streifen aus, 39 Prozent sind dagegen.

Und ein wenig hoffnungsvoll mag auch stimmen, dass immerhin 42 Prozent der Amerikaner Bin Ladin, sollte er gefasst werden, vor ein internationales Gericht stellen wollen, was die US-Regierung weit von sich abweist. Allerdings ist ein Drittel auch dafür, ihn durch ein Militärtribunal abzuurteilen. Für die Bombardierung Iraks spreche sich in dieser Umfrage 74 Prozent aus, falls Hussein keine ausreichenden Kontrollen im Hinblick auf Massenvernichtungswaffen zulassen sollte. Die vielen ambivalenten bis widersprüchlichen Positionen weisen darauf hin, dass die Menschen noch nicht wissen, in welche Richtung sie sich bewegen sollen. Klar ist nur eines: Sollte kein neuer Anschlag in den USA stattfinden, so werden Innen- und Außenpolitik wieder stärker getrennt, wodurch die seit den Anschlägen weitgehend uneingeschränkt Macht von Präsident Bush erste Risse erhält. Bleibt nur zu hoffen, dass eben dieser Prozess die US-Regierung nicht dazu verleitet, sich sofort in das nächste Kriegsabenteuer zu stürzen.