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Seite 2: Internet Relay Chat (IRC)

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Im Jahr 1988 erfand der Finne Jarkko Oikarinen IRC, einen Textzeilen-Kommunikationsdienst. Innerhalb von themenspezifischen Gruppen (Channels), die jeder erzeugen kann, lassen sich Gespräche per Tastatur führen. Man tippt eine Zeile nach der anderen und schickt diese dann in den Channel, man sieht also nicht in Echtzeit, was die anderen tippen, sondern nur das abgeschickte Ergebnis.

IRC war als Ersatz für Dienste wie "talk" gedacht, ein kleines Programm unter Unix, mit dem man einen Benutzer auf einer anderen Maschine ansprechen kann (heutigen Instant Messengern nicht unähnlich). IRC-Server lassen sich wie Usenet-Server zu Netzen zusammenschalten, die ihre Kommunikation synchronisieren. Die Netzstruktur ist aber eine andere: IRC-Server sind in einem kettenartigen Netz organisiert. Server A ist mit Server B verbunden, Server B mit Server A und Server C, Server C mit Server B.

Nachrichten und Befehle werden nun an die jeweils benachbarten Server weitergeleitet (deshalb der Name "Relay"-Chat). Dabei kann es vorkommen, dass ein Server ausfällt und dadurch die Kette in zwei Teile gespalten wird (Netsplits). Das führt natürlich zu einer Reihe von Problemen, bis dann die Server wieder synchronisiert sind. Es gibt kein wirksames Gegenmittel -- das Problem ist durch die Netzarchitektur bedingt. Andererseits ist das System sicherer als ein einzelner Server, da man bei den meisten größeren Netzen so ständig einen Server erreichen sollte.

Ein wesentlicher Unterschied zum Usenet ist, dass es nicht "das IRC-Netz" gibt - die Bildung eines monolithischen Netzes wurde um 1990 abgewehrt. Statt dessen gibt es verschiedene Netze mit Namen wie EFNet, Undernet oder Dalnet.

IRC-Channels sind hierarchisch organisiert, der Erzeuger erhält einen Sonderstatus (Operator), den er an andere weitergeben kann. "Ops" können die Eigenschaften des Channels festlegen, z.B. Passwörter, Moderation oder maximale Benutzerzahl. Auch kann ein Op einzelne User kurzfristig oder langfristig aus dem Channel entfernen.

Das Problem ist nun, dass ein Operator einem anderen Operator dessen Status auch wegnehmen kann. Das lässt sich mittels Client-Skripts (Instruktionslisten der Art "Nimm so schnell wie möglich allen anderen ihren Op weg") automatisieren. Und auch auf andere Art und Weise sind so genannte "Takeovers" (Übernahmen) möglich. Das hat zu regelrechten IRC-Kriegen unter unausgelasteten Teenagern ("Skript-Kiddies") geführt. Und wenn die Administratoren des Servers einschreiten, droht ihnen als Racheaktion oft eine Denial of Service Attacke der betroffenen Benutzer.

Einzelne IRC-Netze (z.B. Dalnet) verwenden deshalb Server, die den Nutzern erlauben, Channels mit Passwörtern zu reservieren. Takeovers werden dann sinnlos: Der betroffene Nutzer kann sich über den sog. Channel-Server sofort wieder den Operator-Status zurückholen. Durchgesetzt hat sich dieses Prinzip aber leider noch nicht.

Die Diskussionen im IRC bewegen sich von albern oder anstößig bis zu anspruchsvoll und informativ. Bei Kriegen und Katastrophen hat sich IRC als wichtiges Instrument entpuppt, Meldungen schnell an Betroffene weiterzuleiten. Die Chat-Protokolle vom Golfkrieg 1991, dem 1994er Erdbeben in Kalifornien, dem Bombenanschlag von Oklahoma City und weiteren Events lassen sich hier nachlesen.

Weitere Links:

Geschichte des IRC und Unterschiede zwischen den Netzen
Wie IRC funktioniert

DCC, FServes und Locators

Welche Rolle spielt aber ein textbasiertes Medium beim Tausch von Dateien? Es hilft vor allem, dass Nutzer, die an den gleichen Dateien interessiert sind, zueinander finden. Dann lassen sich über den so genannten DCC-Transfer (Direct Client to Client), das ist eine schlichte Verbindung von Nutzer zu Nutzer, Dateien übertragen. Damit aber noch nicht genug: Moderne Clients bieten dank ihrer Skript-Fähigkeit die Möglichkeit, lokale Dateiarchive mittels Textoberflächen zugänglich zu machen.

Dabei handelt es sich hierbei stets um Möglichkeiten, die die Schöpfer von IRC nicht vorgesehen haben. Deshalb sind sie nicht sehr elegant. Um den Datei-Server (FServe) eines Benutzers aufzurufen, gibt man meist einen so genannten Trigger im Channel ein. Diese werden in regelmäßigen Abständen angekündigt. Z.B.:

Enter "!I love Britney" for Britney Spears MP3s!

Gibt der Benutzer nun - für alle sichtbar - "!I love Britney" ein, wird eine DCC-Verbindung zum Rechner von MP3Britney hergestellt. Anstatt mit dem Benutzer zu chatten, werden alle Nachrichten vom Client abgefangen und interpretiert. Das sieht dann z.B. so aus:

DCC Chat session - Client: MP3Britney (192.168.23.42) - Acknowledging chat request...
DCC Chat connection established - mIRC32 v5.61 File Server K.Mardam-Bey
[\]

Man befindet sich nun im Hauptverzeichnis des Servers und kann mit Befehlen wie "cd" und "get" Verzeichnisse wechseln und Dateien anfordern, die dann per DCC übertragen werden.

Das ist alles andere als komfortabel, aber man findet auf diesem Wege teilweise wahre Schätze. Neben FServes werden in den Channels auch FTP-Server angekündigt (s.u.). Manchmal wird für das Bereitstellen der Dateien im Gegenzug ein Mindestmaß an Uploads gefordert, aber häufig steht alles zur Verfügung, solange die Bandbreite reicht.

Mit speziellen Skripten bekommt IRC auch eine Napster-artige Suchfähigkeit über mehrere Rechner. Dafür einigen sich die Benutzer in einem Channel auf einen Locator-Trigger. Sobald dieser eingegeben wird, scannen alle Benutzer ihre Verzeichnisse nach den entsprechenden Dateien und liefern ggf. die Ergebnisse als private Nachricht zurück. Beispielsweise:

@find Britney oops

Und als Ergebnis kommt zurück:

-MP3Britney- 1 file(s) found: Britney Spears - Oops I did it again.mp3 - Trigger: !I love Britney

Neben den Suchen gibt es auch regelmäßige Ankündigungen von ausgewählten Dateien, das sieht dann z.B. so aus:

BritneyHater [!BritneyHater Oops I'm Pregnant Again.MP3] [3.8MB 128Kbps 44.1Khz Joint Stereo]

Durch die Eingabe des entsprechenden Triggers erhält man dann die Datei. Dieses System bietet sich vor allem für exklusive Releases z.B. von Filmen an.

Wegen der großen Verteiltheit des IRC (mehrere Server-Netze und unzählige Channels) hat man natürlich bei einer Meta-Suche nicht annähernd so große Auswahl wie z.B. bei Napster. Dafür hat man eine thematisch eingegrenztere Suche je nach Channel. Besonders User mit exotischem Geschmack können so vielleicht sogar eher fündig werden.

Die Software

Auch für IRC benötigt man spezielle Clients.

mIRC (Windows)

mIRC, den es immerhin seit 1995 gibt, ist mächtig, einfach zu bedienen und in der Shareware-Version uneingeschränkt nutzbar. Die umfangreichen Skript-Fähigkeiten des Clients lassen sich zum Guten wie zum Bösen einsetzen. Features wie Trigger-gesteuerte FServes wären ohne Skripts nicht möglich. mIRC ist der populärste IRC-Client. Das Programm ist uneingeschränkte Shareware und kostet 20 $.

dIRC (Windows)

Kaum ein Programm wagt sich, langfristig mit mIRC zu konkurrieren -- vielleicht bildet dieser junge Client eine Ausnahme. dIRC hat eine recht intuitive Oberfläche, die an Microsofts Office-Anwendungen angelehnt ist. Im Unterschied zu mIRC kann dIRC mehrere Serververbindungen gleichzeitig aufrecht erhalten, was Vielchatter freuen wird.

BitchX (Multi-Plattform)

BitchX, eine modifizierte Version des Klassikers ircII, ist der ideale Client für Skript-Kiddies. Dank seiner Plugin- und Skript-Fähigkeiten ist damit so ziemlich alles machbar, was sich über IRC theoretisch machen lässt. Allerdings erfordert das Programm auch eine erhebliche Einarbeitungszeit. Zum Dateitausch kann man mit BitchX wie mit mIRC FServes betreiben oder im Channel in regelmäßigen Abständen interessante Dateien ankündigen.

IRC-Server

Wer selbst einen IRC-Server betreiben möchte, hat vor allem unter Unix/Linux eine große Auswahl. Eine Liste findet sich z.B. bei Freshmeat. Unter Windows ist das Angebot dagegen eher spärlich, es handelt sich vorwiegend um Portierungen oder teure Kommerz-Software. Ein recht guter Server ist Unreal, der über eine grafische Benutzeroberfläche verfügt und schnell installiert ist.

Die Zukunft des IRC

Wie das Usenet war IRC nie dafür intendiert, Binärdaten zu tauschen. Die bloße Möglichkeit, mit anderen Usern gleichzeitig zu kommunizieren, schafft aber auch immer die Möglichkeit, Tauschkontakte zu knüpfen. Die eigentlichen Übertragungstechniken sind dabei nebensächlich. Entscheidend ist - wie ja auch bei Napster - dass ein entsprechender Kontakt zustande kommt.

IRC hat für manche Menschen zweifellos eine größere soziale Bedeutung als das Telefon. Sie verbringen täglich Stunden damit, sich mit ihren Online-Bekanntschaften zu unterhalten. Viele ganz reale Liebesbeziehungen sind auf diese Weise entstanden. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die größten Channels auf einigen Servern die sind, auf denen MP3s, Software-Kopien, Filme oder Porno-Bilder getauscht werden. Da jederzeit neue Channels angelegt werden können, wäre auch die Löschung einzelner Channels unsinnig.

Das einzige was bleibt, will man nicht das ganze Medium verbieten (was einem Verbot moderner Telekommunikation gleichkäme), ist die Verfolgung individueller Benutzer, die Gesetze verletzen. Beim Problem der Kinderpornographie z.B. ist dies noch möglich und wird von internationalen Fahndern auch versucht. Bei MP3, "Warez" (geschützte Software), Filmen und ähnlichem ist dies aber bereits heute unmöglich.

Als System zum Dateitauschen wird IRC auf lange Sicht wohl durch spezialisiertere Systeme abgelöst, sofern diese nicht verboten werden. Sollte das aber geschehen, bleibt den Tauschen immer noch der Weg zurück in den Relay Chat. Und einen Server kann jeder betreiben, der ein Modem hat: Der Bandbreitenbedarf ist vergleichsweise niedrig, da ja nur Textzeilen ausgetauscht werden.