Die Klassiker: Usenet, IRC, FTP, WWW, E-Mail, Hotline
Seite 6: Hotline
Kein Klassiker im engeren Sinne, aber dennoch eine andere Generation als Napster ist Hotline. Das Programm wurde vom damals 17jährigen Adam "Hinks" Hinkley 1996 auf dem Apple Macintosh entwickelt, existiert aber mittlerweile auch in einer Windows-Variante. Das Paket besteht aus Client und Server. Der Server ist eine Kombination aus Chat, Dateiserver und Diskussionsforum. Die Server sind untereinander nicht vernetzt. Um Server zu finden, gibt es so genannte "Tracker", die man nach Suchbegriffen durchforsten kann. Der offizielle Hotline-Tracker akzeptiert natürlich keine MP3-Server, Warez-Server oder ähnliches. Es gibt aber unzensierte Alternativen, die man z.B. über den Tracker-Tracker finden kann.
Dadurch, dass die Server mittlerweile auch indexiert werden und zentral durchsucht werden können, erinnert das Programm inzwischen stark an Napster. Es weist aber auch Ähnlichkeiten mit den klassischen Mailboxen auf, bei denen man sich per Modem einwählte und in Foren diskutieren, downloaden oder chatten konnte (der Clou waren Boxen mit mehreren Telefon-Anschlüssen, bei denen man mit mehreren Benutzern gleichzeitig diskutieren konnte!). Jeder Hotline-Server hat seine eigene Atmosphäre und Regeln, die man befolgen muss, um an die gewünschten Dateien zu kommen.
Die Software ist werbefinanziert. Der Windows-Client erfordert einen installierten IE4+. Von HotlineHQ wird keine Plattform außer Windows und MacOS unterstützt. Die unvermeidliche Konsequenz ist natürlich, dass einige (bannerfreie) Klone entstanden sind. Eine Liste und News gibt es z.B. bei VivaHX.
Wegen Streitereien zwischen Adam Hinkley und den Hotline-Kreditgebern, die 1998 begannen und nach wie vor andauern, ist die Firma hinter Hotline zunehmend in die Kritik gekommen. Auch die mit jeder neuen Version aufdringlicheren Banner stören die ehemals treuen Fans des Programms. Viel Zulauf hat deshalb ein Hotline-ähnliches Programm namens Carracho gefunden, das jedoch derzeit nur für den Macintosh existiert. Es bietet im Wesentlichen die gleichen Funktionen, aber es gibt natürlich viel weniger Server.
Weitere Links:
www.hotlinenews.net - tägliche Hotline-News
Fazit
Napster ist zur Last gelegt worden, dass man von Anfang an einen Dienst zum Tausch urheberrechtlicher Musik schaffen wollte. Für die hier vorgestellten Internetklassiker gilt das ausnahmslos nicht. Sie alle sind inhaltlich agnostisch - unterscheiden also nicht zwischen Gut und Böse. Einen Email-Provider oder Usenet-Server zu verklagen, weil dort auch illegale Dateien getauscht werden, wäre absurd. Eines sollte deutlich geworden sein: Die einzige Hemmschwelle für das Kopieren des nächsten Mediums nach Text, Bildern und Musik ist die Bandbreite. Wie dann die Dateien letztlich getauscht werden, ist prinzipiell irrelevant.
Durch Zensur ist die digitale Evolution nicht aufzuhalten, es sei denn, man zerstört dabei die Technologie. Das wird die Industrieverbände und zelotische Einzelpersonen nicht davon abhalten, Jagd auf Urheberrechtsverletzer zu machen - solange, bis das Gesetz es unmöglich macht. Urheberrechtsgesetze, die nichtkommerzielles Kopieren verbieten, sind in der Internet-Ära gefährlich, so gefährlich wie obsolete Patent- und Markenschutzgesetze, die von findigen und skrupellosen Anwälten zur Geldmacherei ausgenutzt werden können. Es bleibt zu hoffen, dass die Zahl der Opfer gering ist (und nicht das Internet selbst zum Opfer wird), denn der Gesetzgeber arbeitet bekanntlich langsam.
Allgemeine Links:
www.gnutellanews.com - tägliche Neuigkeiten, nicht nur über Gnutella
www.infoanarchy.org - News & Diskussion, mit ausführlicher Linkliste
Teil 1: Napster und seine Freunde
Teil 2: Napsters Konkurrenten - zentralisierte Tauschbörsen
Teil 3: Führerlos: Gnutella, FreeNet, Jungle Monkey & Co
Erik Möller ist freier Journalist und Mitarbeiter beim Online-Magazin Der Humanist.