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Seite 4: Tauschen im WWW

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Auch das World Wide Web, dessen Siegeszug 1993 mit dem Erscheinen des ersten grafischen Browsers begann, wird natürlich zum Tauschen von Dateien aller Art genutzt. Beliebt ist es vor allem wegen der einheitlichen Software: Wer einen Web-Browser hat, kann (fast) alle Websites besuchen. Dabei ist das WWW zum Tauschen nicht unbedingt gut geeignet. Denn Nutzer-zu-Nutzer-Kommunikation ist nur über Umwege möglich.

Prinzipiell sind Webseiten nämlich eine einseitige Geschichte: Man kann sie zwar anschauen, aber nichts daran ändern. Zur Kommunikation mit dem Autor wird meist E-Mail eingesetzt. Jeder halbwegs brauchbare Web-Server unterstützt heute deshalb das Common Gateway Interface (CGI). Dieses erlaubt es, mit Hilfe von beliebigen Programmen, die z.B. in C oder in Perl geschrieben sein können, Inhalte von Benutzern zu empfangen, zu verarbeiten und Ergebnisse zurückzuliefern. Damit wird die Unveränderlichkeit von Webseiten aufgehoben und erst die gesamte Interaktivität des heutigen WWW möglich. (Alternative Techniken wie Active Server Pages von Microsoft gewinnen zunehmend an Bedeutung.) Man nehme zum Beispiel das Diskussionsforum am Ende dieses Artikels: Ohne CGI oder eine vergleichbare Technik wäre es nicht realisierbar.

Zu unterscheiden ist, was das Tauschen im Web angeht, zwischen verschiedenen Angeboten:

  1. Webspace-Anbieter, die eine bestimmte Menge an Platz anbieten, um HTML-Seiten, Bilder und ähnliches zu speichern. Die hier gespeicherten Dateien sind für jedermann per WWW-Browser abrufbar.
  2. Speicherplatz-Anbieter, die Backup-Platz für beliebige Dateien anbieten. Dabei sind bestimmte Bereiche meist nur dem Besitzer zugänglich (der natürlich sein Passwort anderen mitteilen kann), andere aber offen.
  3. "Clubs", deren Mitglieder Dateien auf einem vom Anbieter bereitgestellten Server speichern können. Hier ist meist eine Registrierung erforderlich, teilweise werden neue Mitglieder einzeln geprüft.
  4. Diskussionsforen, in denen sich Nutzer treffen, um Links zu veröffentlichen oder direkt über andere Mittel Dateien untereinander auszutauschen - eine Übersicht sparen wir uns an dieser Stelle.
  5. Peer-to-Peer-Tauschdienste, die es Nutzern ermöglichen, Tauschkontakte zueinander herzustellen. Diese machen in der Regel Gebrauch von zusätzlicher auf dem Client-Rechner installierter Software. Einige davon wurden in Teil 2 vorgestellt.
  6. Suchmaschinen, die andere Angebote erfassen und indexieren.

Alle Angebote sind i.d.R. werbefinanziert (was auch die Sammlung von Benutzerprofilen einschließt). Es ist in allen Fällen üblich, Zugänge sofort zu löschen, wenn auch nur die leiseste Beschwerde von einer Anwaltskanzlei kommt. Kaum ein Freespace-Provider ist willens, einzelne Dateien zu überprüfen. Allerdings beschränkt man sich meist auf die Löschung. Die IP-Adresse wird in der Regel nur nach einem Gerichtsbeschluss bekannt gegeben (vgl. Heise-Online vom 6.8.2000).

Auch die Verfolger illegaler Websites sind nur in Sonderfällen daran interessiert, Rechteverletzer vor Gericht zu zerren: Das kostet Geld und bringt bei einem 13-jährigen MP3-Tauscher höchstens schlechte Publicity. Mit der Popularität des Materials nimmt die Verfolgung in der Regel ab, je seltener und spezieller ein geistiges "Gut" ist, desto stärker wird dessen Verbreitung kontrolliert.

Webspace und "Backup"-Space

Webspace gibt es zwar an jeder Ecke umsonst, für ernsthafte Web-Präsenzen lohnt sich aber auf Dauer ein Pay-Provider. Natürlich muss man bei einer nicht anonymen Site schon sehr auf seine Inhalte achten: Ein Link zum falschen Explorer (siehe www.freedomforlinks.de) kann teuer werden, und wer weiß, ob nicht irgendjemand die Rechte am "Hänschen Klein"-Midi hält, das man als Hintergrundmelodie verwendet? Und ist das Erotikbild in der Galerie pornographisch, weil die Erektion den zulässigen Höchstwinkel überschreitet?

Wer gleich im Napster-Stil MP3s oder Pornobildchen tauschen will, kommt ohnehin um einen (relativ) anonymen Freespace-Account nicht herum. Einen solchen Zugang kann man schnell einrichten, wobei die Anmeldung i.d.R. automatisch abläuft und keine manuelle Prüfung der Daten vorgenommen wird. Manchmal wird eine E-Mail-Bestätigung gefordert, aber Free-Mail-Provider gibt es wie Sand am Meer.

Zu den Webspace-Anbietern ist nicht viel zu sagen. Viele versuchen ihren Nutzern den Upload über einfache Web-Interfaces so leicht wie möglich zu machen, die meisten bieten aber dennoch reguläre FTP-Uploads (was für Power-User ein Muss ist). Eine Übersicht einiger kostenloser Anbieter und Links auf weitere Listen gibt es z.B. bei den deutschen Cooltips. Über die Erstellung von Webseiten für Dateilisten und ähnliches kann man sich in den entsprechenden Tutorials informieren, z.B. im genialen SelfHTML.

Will man Dateien nur im kleinen Kreis tauschen, ist ein passwortgeschützter "Backup"-Account eine gute Lösung. Eine Besprechung einiger solcher Dienste findet sich z.B. in c't 15/00, S.98 ff., eine übersichtliche Linkliste gibt es bei den Webwizards.

Das Hauptproblem bei allen Freespace-Providern ist natürlich, dass sie nach dem Client-Server-Prinzip arbeiten: Wenn der Server überlastet ist, geht halt nichts mehr.

Hier sollen nur kurz einige spezialisierte größere Storage-Anbieter vorgestellt werden. Prinzipiell sollte man selbst auf die Suche gehen, auch nach dem Kriterium der Server-Geschwindigkeit. Wenn der Platz wirklich nicht ausreicht, lassen sich ja gegebenenfalls problemlos weitere Accounts einrichten.

Myplay

Bei Myplay erhält man speziell für MP3s satte 300 MB Platz - mehr als bei den meisten Free-Webspace-Anbietern. Über ein primitives Web-Interface (alle Web-Upload-Interfaces sind browserbedingt primitiv) oder ein kleines Programm, Dropbox genannt, kann man Dateien heraufladen. Sinn ist, seine eigene Musik von überall abrufbar zu machen. Gleichzeitig kann man legale Musikstücke für sog. Mixes freigeben, die dann per Streaming Audio von allen angehört werden können. Hierbei wird allerdings ein Filter angewandt, um geschützte Stücke zu entfernen.

Natürlich ist es ohne weiteres möglich, die Zugangsdaten für den eigenen Account an andere weiterzugeben. Allerdings können Dritte die eigenen Daten dann auch löschen. Myplay empfiehlt sich also nur zum Tauschen mit Freunden.

Streamload

Streamload bietet seinen Nutzern sogar 5 GB an Speicherplatz, wobei Dateien, die schon anderswo gespeichert sind, nicht mitgezählt werden. Außerdem weist man darauf hin, dass man den Platzverbrauch einzelner User nicht prüfen würde, der Platz also de facto unbegrenzt sei. Über sog. Memberships kann man Verzeichnisse für andere User freigeben, entweder kostenlos, gegen ein Passwort oder gegen Bares (wobei Streamload eine Provision kassiert). Die vorhandenen Sammlungen lassen sich mitsamt ihrer Beschreibungen durchblättern. Da wird teilweise nicht lange drumherumgeredet: "Commercial Music ... full DivX movies" etc. Andere verteilen aber auch selbstgemachte Bilder. Eine Trennung zwischen legal und illegal ist auch hier kaum möglich, ohne das System zu zerstören.

Zwar ist der Webserver manchmal recht langsam, die Download-Geschwindigkeit lässt aber meist wenig zu wünschen übrig.

ezAttach

ezAttach illustriert die eigene Verwendung am Beispiel eines Jazz-MP3s, das man seinen Bekannten schicken will. Anstatt die große Datei an eine Email anzuhängen, was viel Platz verbrauchen würde, soll man sie auf den Server laden und die URL kopieren. Zum Download ist dann kein Login erforderlich. Einschränkungen, was Größe einzelner Dateien oder Gesamtgröße angeht, gibt es nicht. Im Test erzeugte das System allerdings nur eine Fehlermeldung.

Xooms Sharehouse

Sharehouse bietet 500 MB zum Up- und Download. In einem großen Pool lassen sich vorhandene Dateien durchsuchen. Der Server ist recht langsam und zur Anmeldung muss man eine recht langwierige Spam-Abwähl-Prozedur über sich ergehen lassen, außerdem ist eine gültige Email-Adresse zur Bestätigung erforderlich.

Virtuelle Festplatten

Es gibt unzählige weitere "virtuelle" Festplatten, die teilweise auch mit kleinen Desktop-Programmen daherkommen, mit denen man wie auf normalen Platten per Drag & Drop Dateien verschieben kann (natürlich meistens nur für Windows). In der Regel kann man einzelne Verzeichnisse öffentlich freischalten und andere privat halten. Manchmal gibt es auch Suchfunktionen. Oft kann man über "Affiliate Programs" (legale) Daten von bekannten Servern wie MP3.COM in sein eigenes Verzeichnis "übertragen", wobei sie natürlich entweder schon auf dem Server sind oder nur verlinkt werden.

Alle diese Dienste haben eine Gemeinsamkeit: Eine Prüfung der Dateien findet nicht statt, nach einer Beschwerde wird dafür sofort zensiert (oft findet man bereits auf der Hauptseite einen "Report Copyright Violations" Link oder ähnliches). Dieses Verfahren ist im Prinzip alles, was man von solchen Speicherdienstleistern verlangen kann.

Ob diese Dienste sich durch Werbung wirklich finanzieren können, ist unklar, aber da für Dot-coms das Risikokapital nach wie vor leicht zu bekommen ist, schießen sie wie Pilze aus dem Boden.

Und natürlich haben in diesem Business auch die Unternehmen, die über ihre Firmenpartnerschaften, Tochterfirmen oder aus Eigeninteresse Copyright-Verletzungen verfolgen, ihre Finger im Spiel. MSN bietet z.B. sog. File Cabinets mit 30 MB an - zugegebenermaßen zu klein für die meisten relevanten Microsoft-Programme.

Peer-to-Peer-Communities

Auf den ersten Blick sind virtuelle Festplatten von Peer-to-Peer Communities wie Spinfrenzy und dem bereits in Teil 2 vorgestellten AudioGalaxy nicht zu unterscheiden. Das Funktionsprinzip ist aber ein völlig anderes. SprinFrenzy und AudioGalaxy speichern wie Napster keine Daten, sondern lediglich die Links (Napster & Co. haben damit eigentlich eine wesentlich sicherere Rechtsgrundlage als z.B. Streamload.)

Die Bedienung läuft fast vollständig per Web ab. Damit der Nutzer-zu-Nutzer-Tausch aber klappen kann, ist immer ein clientseitiges Programm erforderlich, das man sich herunterladen muss. Deshalb ist eigentlich auch die Web-Oberfläche überflüssig, aber sie lässt die Dienste eher wie herkömmliche Suchmaschinen wirken, was ihnen vielleicht eine gewisse Verschnaufpause verschafft, bis die AAs (RIAA, MPAA) auf sie aufmerksam werden.

Clubs

Excite, Yahoo, eCircles und andere bieten so genannte Clubs oder Communities an, innerhalb derer man Dateien, Nachrichten, Termine und ähnliches teilen kann. Abgesehen von der Benutzerschnittstelle, die auf Otto Normaluser ausgelegt ist, und den weiteren Dienstleistungen neben dem Datei-Sharing unterscheiden sich die Clubs nicht sonderlich von anderen Speicherdiensten. Ein nützliches Feature ist die automatische Erzeugung von Thumbnails bei Bildern. Diese Funktion und die leichte Bedienung haben Clubs bei Porno-Sammlern recht beliebt gemacht - so beliebt, dass Saudi-Arabien gleich den ganzen Zugang gesperrt hat (Saudi Arabien sperrt wegen Pornographie Zugang zu den Yahoo-Clubs). Da sieht man, in welcher Gesellschaft sich diejenigen befinden, die eine Zensur fordern.

Meta-Suchmaschinen

Spezialisierte Suchmaschinen z.B. für MP3s oder Bilder erfassen die offenen Dienste - solche, die nicht durch Passwörter geschützt sind - und indexieren sie. In manchen Fällen kann man solche Suchmaschinen als Parasiten ansehen: Wenn z.B. mit TellaFind das Gnutella-Netz durchsucht wird, werden so zwar Dateien zugänglich gemacht, die Downloader bieten aber selbst nichts an.

Manche FTP-Server, deren Einträge man in Suchmaschinen findet, lassen zwar ihre Verzeichnisse anschauen, vor dem eigentlichen Download wird aber ein Upload oder eine Bannerklick-Orgie verlangt.

Eine Übersicht von MP3-Suchmaschinen findet sich z.B. bei MP3Now. Auch Branchenriesen wie AltaVista und Lycos bieten schon seit geraumer Zeit MP3-Suchmaschinen. Vor Napster war es üblich, solche Web-Engines zu verwenden - mittlerweile gibt es unzählige bessere Wege. Besser deshalb, weil die meisten MP3-Sites einfach zu schnell sterben: Durch Bandbreitenüberlastung oder die Industriefahnder. Moderne Musik-Suchmaschinen prüfen teilweise tote Links automatisch und bewerten die Verlässlichkeit der Sites.

Allerdings: Wenn man einmal einen funktionierenden Server gefunden hat, der die Musikrichtung bietet, die man will, bekommt man oft Downloadgeschwindigkeiten, die den meisten Napster-Usern weit überlegen sind -- und kann ohne weiteres auch mal die ganze Nacht saugen.

Einen unkonventionellen Weg geht MP3Board.com. Hier posten die User Links, und die neuesten Beiträge werden zuerst gelistet. So findet man zwar nicht unbedingt das, was man sucht, bekommt aber in der Regel funktionierende Downloads (meist aktuelle Chart-Hits). Weil der Dienst so effizient ist, wurde er von der RIAA verklagt. Wenig später musste AOL, zukünftiger Besitzer von Mitkläger Warner Music, eingestehen, dass man über Winamp selbst eine MP3-Suchmaschine angeboten hatte ... peinlich.

Diskussionsforen

Jeder Webautor, dessen Provider ihm die Möglichkeit gibt, Skripts über CGI (s.o.) auszuführen, kann Diskussionsforen und ähnliche Kommunikationssysteme installieren. Unzählige Foren widmen sich speziell Themen wie MP3, Warez oder Pornos. Dort finden sich dann entsprechende Links - zu FTP-Servern, Webseiten, virtuellen Platten, Clubs usw. Dieser wichtige Bestandteil webbasierter Tauschsysteme ist allerdings leider hoffnungslos unterentwickelt. Es fehlen Rating-Systeme, die meisten Foren besitzen noch nicht einmal Suchfunktionen. Und natürlich verschwinden sie recht schnell, weil die entsprechenden Seiten häufig denunziert und gelöscht werden. Ein dezentralisiertes System wie Gnutella wäre ideal, um Links zu propagieren. Aber auch anonyme Postings ins Usenet eignen sich dazu. Hier muss noch eine Menge getan werden.