Die Meinungsumfragen der russischen Staatsmedien im Westen

Grafik: Sputnik

Russische Staatsmedien perfektionieren mittlerweile das Geschäft der Meinungsbeeinflussung, das westliche, vor allem amerikanische Auslandssender schon lange betreiben

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Es gibt eine neue Branche der russischen Staatsmedien. Verbunden mit den ausländischen Meinungsforschungsinstituten, zuletzt mit Populus, Forsa und Ifop, werden vom staatlichen russischen Nachrichtenportal Sputnik seit Anfang des letzten Jahres so genannte Sputnik.Polls in den westlichen Ländern durchgeführt. Die Umfragen sollen direkt meinungsbildend sein, was sich auch an der letzten Umfrage über den Syrieneinsatz zeigt.

Letztes Jahr war durch eine Umfrage ermittelt worden: "Ein Drittel der Europäer wünscht eigene Armee statt Nato", so der Titel des Artikels. Eigentlich war es kein Drittel, sondern 28 Prozent der Befragten in Großbritannien, Deutschland und Frankreich waren der Meinung, dass "die EU ihre eigenen Streitkräfte haben sollten", was sie faktisch auch haben. Mit 43 Prozent waren allerdings deutlich mehr der Meinung, dass die Nato die europäischen Länder schützen sollen. Das aber hätte wohl nicht den gewünschten Effekt gehabt.

Eine schon in der Fragestellung verkorkste Umfrage, die im Mai durchgeführt wurde, lautete: "Was sind Ihres Erachtens die wichtigsten Gründe für die zunehmend Popularität von rechtsradikalen Partei wie UKIP (Großbritannien), Front National (Frankreich) und Podemos (Spanien)?" Offenbar kam man später darauf, dass Podemos kaum als rechtsradikal bezeichnet werden kann, weswegen man ein Sternchen hinzufügte und dazu schrieb: "Eine linke Partei".

Man hatte mit Spanien, Frankreich und Großbritannien drei Länder mit tatsächlich starken Oppositionsparteien ausgesucht, kam aber nur bei Großbritannien und Frankreich zu dem vermutlich gewünschten Ergebnis: "Eine Umfrage aus der Serie 'Sputnik.Polls' hat drei Ursachen für die zunehmende Beliebtheit von Oppositionsparteien in Europa ergeben: eine hohe Einwandererzahl (47 Prozent der Befragten), die nicht eingehaltenen politischen Versprechen (46 Prozent) und die Enttäuschung über die Europäische Union (38 Prozent)."

Das trifft die Stimmung am rechten Rand, die Spanier machten dabei einen Strich durch die Rechnung. Die wollen vor allem soziale Reformen, haben aber weniger Probleme mit Zuwanderung oder der EU.

Gestern wurde eine Umfrage veröffentlicht, die Anfang Februar in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und den USA durchgeführt wurde und nach dem Artikeltitel dieses Ergebnis hatte: "US-Amerikaner sprechen sich größere Rolle als Europäern im Kampf gegen Daesh zu". Eigentlich ging es wohl darum, welche Rolle den russischen Streitkräften zugeschrieben wird. Gefragt wurde, wer "die führende Rolle im Kampf gegen Terrorgruppen wie Daesh und Dschebhat an-Nusra" spielt.

Nach den Ergebnissen, offenbar waren Mehrfachangaben möglich, gelten die USA überall als führend. In Deutschland freilich sagen dies allerdings nur 38 Prozent, für 36 Prozent sind es die Russen. Das macht auch die Sonderrolle Deutschlands gegenüber Russland deutlich, zudem werten die Deutschen die Rolle Frankreichs mit 25% hoch, aber auch mit 24% die der Kurden und der syrischen Armee. 18 Prozent finden auch Deutschland führend.

Die Deutschen sind allerdings nur am Rande und nicht direkt kämpferisch aktiv. Daher verwundert nicht, dass in den anderen Ländern die Rolle des eigenen Landes immer höher ausfällt. Die Franzosen sehen mit 32% die Amerikaner führend, gefolgt von Frankreich mit 29% und Russland mit 23%. Ob bei den Briten die Zahlenangaben stimmen, ist zweifelhaft

Die Franzosen nannten die USA (32 Prozent), Frankreich (29 Prozent) und Russland (23 Prozent) als die drei Länder, welche die größte Rolle im Antiterrorkampf spielen. Nur zwei Prozent der befragten Franzosen meinen, dass die Türkei eine bedeutende Rolle im Antiterrorkampf in Syrien spielt. Die Briten nannten die USA (59 Prozent), Großbritannien (52 Prozent), Frankreich (39 Prozent) und Russland (37 Prozent). Die Amerikaner sehen ihr Land mit 80 Prozent als führend an, was ja auch die eigene Führung stetig vorbetet und was auch den tatsächlichen militärischen Aspekt widerspiegelt. Großbritannien rangiert mit 29 Prozent hinter Frankreich mit 36 Prozent, Russland liegt bei 25 Prozent, Deutschland bei 8 Prozent.

Interpretiert wird das Ergebnis: "US-Amerikaner sprechen sich größere Rolle als Europäern im Kampf gegen Daesh zu", was eigentlich auch zutrifft, wenn man zumindest den militärischen Einsatz betrachtet. Offenbar will man da aber einen Spalt zwischen Europa und den USA schieben, was aber den Ergebnissen widerspricht, schließlich sprechen auch die Europäer den USA die größere Rolle zu, wenn auch knapper. In der französischen Ausgabe lautet der Titel ähnlich (La plupart des Américains ne reconnaissent pas le rôle de l’UE dans la lutte contre Daech), sieht man sich die URL an, dann geht daraus hervor, was man wohl gerne daraus gemacht hätte: https://fr.sputniknews.com/international/201603031023086171-americains-ignorent-role-europe-lutte-daech/.

Nett oder vielmehr symptomatisch ist, dass Marco Rumignani, der für die französische Ausgabe von Sputnik Kommentare schreibt, die Umfrage gerade als Beispiel dafür hernimmt, wie in den westlichen Medien die Meinung manipuliert wird. Das Ergebnis der Umfrage soll dies zeigen: "Sondages sur la coalition: ce qu’ils révèlent sur les façons de créer l’opinion". Gemeint ist damit, dass die Rolle Russlands im Westen eben nicht gebührend gewürdigt wird.

Aber die russische Redaktion will dann auch noch der öffentlichen Meinung in den westlichen Ländern die "Fakten" vorhalten und rechnet vor, dass die Russen angeblich doppelt so viele Einsätze in Syrien gegen den Islamischen Staat geflogen hätten als die westlichen Länder zusammen. Damit soll wohl demonstriert werden, dass Russland eigentlich die größere Rolle zusteht, weil sie mehr Bomben und Raketen abgeworfen haben.

Im Überschwang der günstigen "Fakten" geriet dann allerdings auch die Grafik falsch und wurden Frankreich und Großbritannien verwechselt, was die Frage entstehen lassen könnte, ob man die Franzosen schlecht machen wollte oder dies nur ein Zufall war, der sich aber sowohl in der deutschen als auch in der englischen Ausgabe findet.

Mit der Grafik wird gezeigt, dass nach der Logik der Lufteinsätze tatsächlich die USA im westlichen Lager mit 3.267 Flügen am meisten geleistet haben, während 18 Prozent der Deutschen die größte Rolle ihrem Land zuschreiben, das keinen einzigen bewaffneten Einsatz geflogen hat. Frankreich habe 5 Einsätze geflogen, was nach der Logik ebenfalls der Selbsteinschätzung zuwiderläuft. Die Briten, bei denen 52 Prozent ihrem Land die größte Rolle zuschreiben, haben nur 33 Einsätze geflogen.

Die russischen Nachrichtenportale für das Ausland stellen sich als alternative Medien dar

Die staatlichen Auslandsmedien Russlands wollen so verstanden werden, dass sie über das berichten, was ansonsten verschwiegen wird. Das ist nicht nur das Werbekonzept von Russia Today, besonders eklatant bei der deutschen Ausgabe, sondern auch von Sputnik, dem Nachrichtenportal, das aus Ria Novosti hervorgegangen ist und seit 2014 berichtet.

Es mutet seltsam an, dass ausgerechnet russische Staatsmedien den westlichen Medien Einseitigkeit vorwerfen, aber das ist letztlich nur eine Retourkutsche, schließlich haben die westlichen Sender, allen voran die amerikanischen mit der Ideologie des freien Informationsflusses immer versucht, die Öffentlichkeiten der ehemaligen Sowjetunion und dann Russlands zu beeinflussen (Verlieren die USA den Informationskrieg?).

Gleichwohl scheint in Teilen der deutschen Öffentlichkeit, die sich umgeben von einer irgendwie systemabhängigen und "gleichgeschalteten" Lügenpresse wähnen, das Konzept zu funktionieren, auch wenn man damit nur erst recht zu gleichgeschalteten und ziemlich offen einseitigen Medien umschaltet, denen man nun als alternativen Medien mehr vertraut. Das ist fast noch extremer, als wenn man die hiesigen Öffentlich-Rechtlichen plötzlich zu Alternativmedien deklarieren würde.

Wenn jetzt aber die Deutsche Welle und die EU versuchen, der angeblichen russischen Propagandaoffensive eine eigene entgegenzusetzen, als würde es diese bis dahin nicht gegeben haben (Die Propaganda-Offensive der EU wird das Misstrauen gegenüber den Medien stärken, "Unabhängige Medien" und Medienvertreter im Dienste des "Strategischen Kommunikationsteams Ost") ist das ein wenig lächerlich und zeugt eher davon, dass die bislang ausgeübte Informationshoheit nach dem Konzept des freien Informationsflusses (Free Flow of Information) nicht greift, wenn dies auch andere Staaten betreiben.

Sputnik hat sich das Konzept angeeignet, das auch eine Zeitlang al-Jazeera bekannt gemacht hat, nämlich Meinungsmacher und Journalisten aus dem Land einzukaufen, in dem man Einfluss erhalten will. Das kann man mit Gesprächspartnern für Interviews machen, aber eben noch besser mit festen Mitarbeitern. Sputnik holte sich etwa für die deutsche Version den ehemaligen CDU-Abgeordneten Willy Wimmer, den Journalisten Uri Gellermann oder Rüdiger Göbel, stellvertretender Chef-Redakteur der Tageszeitung Junge Welt. Die schimpfen schön über das, was im Westen schief läuft, schweigen jedoch über Russland.

Alles eigentlich kein Problem, man muss ja nicht glauben, was Voice of America, Russia Today, al-Arabiya oder die Deutsche Welle berichten und dabei so tun, als würden sie dies objektiv machen. Gerade in einer Welt, in der man online, wenn keine Filter eingerichtet werden, Informationen aus der ganzen Welt von unterschiedlichsten Medien, Blogs und auch einzelnen Personen beziehen und vergleichen kann, könnten sich die Menschen ja ihre eigene Meinung bilden, wenn sie die Zeit und die Möglichkeiten der Recherche besitzen.