Die OPEC und vor allem Venezuela hoffen auf Moskau

Seite 2: Kehrt der Fracking-Boom in den USA zurück?

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Diese Situation ist nicht unähnlich zu der, die man auch im Iran vorfindet. Denn eigentlich ist auch das Land nach Aufhebung der Sanktionen nicht dazu bereit, die eigene Fördermenge zu senken. Der Iran will sogar zurück zu der Quote, die es vor der Ausrufung der Sanktionen hatte. So dürfte bei der OPEC-Sitzung im November in Wien der Iran aller Voraussicht nach nur dann mitspielen, wenn andere Länder bei der Verteilung der Förderquoten zurückstecken und das Land mindestens seine derzeitige Produktion halten kann.

Die Vereinbarung kürzlich in Algier kam nur deswegen einstimmig zustande, da damit verbunden war, dass dem Iran "sinnvolle Höchstmengen" zugestanden werden. Inzwischen hat das Land auch schon angekündigt, es werde seine Produktion von 3,8 auf 4 Millionen Barrel pro Tag ausweiten. Und das bedeutet, dass dafür andere OPEC-Länder und/oder Russland zurückstecken müssten, um auch nur eine Deckelung der Produktion zu erreichen.

Ob die sunnitischen Saudis dabei mitspielen, das erneute Aufsteigen des Irans zu einer Regionalmacht durch eine Drosselung der eigenen Produktion mitzufinanzieren, darf abgewartet und durchaus bezweifelt werden. Schließlich war die gesamte Politik der Saudis bisher auch auf Konkurrenz zum Iran ausgerichtet und dessen Einnahmen niedrig zu halten. Dazu verfolgte man in der Wüste auch das Ziel, die Fracking-Industrie in Nordamerika vom Markt zu drängen, die zwischenzeitlich die Saudis vom ersten Rang der Produzenten verdrängt hatten.

Der Iran hat aber, allein über die Spekulationen darauf, dass es ein Abkommen zwischen der OPEC und Russland zur Förderbegrenzung geben könnte, sein erstes Ziel schon erreicht. Denn das Land hatte klargestellt, dass es zunächst nur einen Ölpreis von 50 Dollar pro Barrel anstrebt. Und die Entwicklungen der letzten Wochen haben dafür gesorgt, was auch an deutschen Tankstellen bereits spürbar ist, dass sich der Ölpreis wieder leicht über diesem Niveau eingependelt hat.

Frackinganlage auf dem Fayetteville Shale in Arkansas. Bild: Bill Cunningham, USGS.gov

Überproduktion wird bestehen bleiben

Zu einer merklichen Begrenzung der Fördermenge wird es vermutlich aber nicht kommen. Sogar die OPEC hat schon das lange ausgegebene Ziel kassiert, die Produktion auf dem Stand des vergangenen Januars einzufrieren. Damit würden tatsächlich täglich etwa 1,5 Millionen Barrel weniger auf den Markt geschwemmt, als es der nun beschlossene Kompromiss vorsieht, der durch die reale Verteilung der Fördermengen zudem noch abgesegnet werden muss. Somit bleibt weiter eine massive Überproduktion bestehen. Russland, nun weltgrößter Förderer, wird wohl kaum bereit sein, so stark seine Produktion zu drosseln, dass es real zu einer Verknappung auf dem Markt kommt.

Da die gesamte Fracking-Industrie in Nordamerika in den Versuch nicht eingebunden ist, hat die Strategie, die Preise über eine Deckelung oder eine Senkung der Produktion zu drücken, wenigstens so lange einen großen Haken, so lange die Weltwirtschaft nicht deutlich wächst und damit auch die Nachfrage nach Öl wieder steigt. Doch die Weltwirtschaft schwächelt beträchtlich, weshalb einige schon vor "Schocks" warnen und sich US-Notenbank auch deshalb weiter vor einer Normalisierung der Leitzinsen drückt.

Saudi-Arabien hat mit der Bereitschaft zur Deckelung letztlich eingeräumt, mit einem seiner zentralen Ziele gescheitert zu sein, nämlich die Fracker in Nordamerika vom Markt zu drängen. Die bisherige Strategie hat sich nicht für die USA, sondern für die Saudis als ziemlich ruinös herausgestellt. Bekannt ist, dass das Wüstenland angesichts der eingebrochenen Öleinnahmen 2015 ein enormes Defizit von 100 Milliarden Euro auswies, das waren sogar 21% der jährlichen Wirtschaftsleistung. Nach Schätzungen sollen es 2016 erneut gut 13% werden.

Zwar sind die Kosten zur Ölförderung in Saudi-Arabien geringer, doch der gesamte Staatshaushalt hängt am Ölgeschäft. Nach Schätzung brauchen die Saudis einen Preis von fast 70 Dollar pro Barrel, um wieder einen einigermaßen ausgeglichen Haushalt zu erreichen. Da dort auch Banken in Schieflage geraten und völlig ungewohnt die Beschäftigten beim Staat (die überwiegende Zahl aller Beschäftigten) schon Sparmaßnahmen auferlegt bekommen, will der Staat den Ölkonzern Aramaco privatisieren, um Geld in die Kassen zu spülen.

Das Problem der Saudis ist, dass die Öl-Produktion in den USA vom Peak vor gut zwei Jahren zwar um gut 1,1 Millionen Barrel pro Tag zurückgegangen ist. Doch trotz anhaltend niedriger Preise stabilisierte sie sich im vergangenen Juli wieder bei 8,4 Millionen. Sie stieg seither sogar zeitweise wieder auf 8,6 Millionen an. Und derzeit sind es wieder etwa 8,5 Millionen Statt vom Markt zu verschwinden und eine große Blase platzen zu lassen (Platzt angesichts des Ölpreissturzes nun die Fracking-Blase in den USA?), setzte mit dem Preiskampf eine starke Rationalisierung ein. Die Kosten für die Förderung von Fracking-Öl sind in den letzten Jahren deutlich gesunken und zudem wurde die Ausbeute an den Bohrlöchern gesteigert.

Mit steigenden Preisen wird auch die Fracking-Aktivität wieder zunehmen, zumal wenn die Aussicht besteht, dass die Preise weiter steigen könnten. Falls also die Saudis durch Drosselung der Produktion tendenziell auf dem Weg kommen, einen ausgeglichenen Haushalt zu erhalten, werden auch wieder große Mengen an Fracking-Öl auf den ohnehin noch immer überversorgten Markt gespült werden. Es müsste eigentlich allen klar sein, dass allein die Fracker in den USA relativ schnell die Förderung um eine Million Barrel täglich steigern können. Die von der OPEC geplante Förderbegrenzung (die ohnehin fraglich ist) dürfte also über den angestrebten Preissteigerungseffekt durch das Fracking wieder überkompensiert werden.

Schon all diese Tatsachen sind kaum dazu geeignet, davon auszugehen, dass es mittelfristig zu einem deutlich steigenden Ölpreis kommen wird. Letztlich spielt auch die Nachfrageseite eine bedeutende Rolle. Mittel- bis Langfristig soll ja zumindest über das Klimaabkommen, das noch in diesem Jahr in Kraft treten wird (Pariser Klimaabkommen kann in Kraft treten), eine Dekarbonisierung erreicht werden, weshalb die Öl-Nachfrage eher sinken sollte. Zudem macht sich auch immer stärker die Vorstellung breit, dass Elektrofahrzeuge eine Alternative zum Verbrennungsmotor sind. Mit wieder steigenden Ölpreisen würden alternative Systeme im Bereich Verkehr und Energieversorgung zusätzlich interessanter und dürften dann ebenfalls für Einschränkungen auf der Nachfrageseite sorgen.