Die fremde Seite der KI
Eine KI entwickelt in nur drei Monaten einen extrastarken Dauermagneten ohne Seltene Erden. Warum ist das geopolitisch bedeutsam und welche Konsequenzen müssen Industrie- und Forschungspolitik ziehen?
Viel wird über Künstliche Intelligenz (KI) berichtet, auch kritisch – vornehmlich aber über Sprachmodelle wie Chat GTP von Open AI. Das ist wohl auch deshalb so, weil sowohl das Publikum als auch die schreibende Zunft vor allem mit ihnen in Berührung kommen.
Häufiger diskutiert wird auch über KI-gestützte Expertensysteme, wenn es um medizinische Anwendungen geht; zum Beispiel, wenn KIs Diagnosen von Röntgenbildern durchführen oder unterstützen.
Aber die Anwendung von KI in Expertensystemen könnte für die weitere wirtschaftliche und technologische Entwicklung als noch weit, weit bedeutender herausstellen, als es bisher abzusehen ist. Expertensysteme können Lösungen komplexer Probleme in fast jedem Fachgebiet zur Verfügung stellen. Sie können auch Handlungsempfehlungen liefern.
Lösungen komplexer Probleme aus vorgegebenem Wissen
Lösungen und Empfehlungen leiten sie mittels Künstlicher Intelligenz (KI) aus einer vorgegebenen Wissensbasis ab. Das ist prinzipiell in jedem Bereich menschlicher Aktivität möglich, in dem ausreichende Daten vorliegen und ein wirtschaftliches oder Forschungsinteresse besteht. Sprachmodelle und Bilderzeugung sind da lediglich zwei von fast unendlich vielen Anwendungsmöglichkeiten.
Denn gerade hat ein KI-gestütztes Expertensystem nun innerhalb von nur drei Monaten einen superstarken Magneten ohne den Einsatz Seltener Erden entwickelt. In diesem kleinen Vierteljahr wurde der neue Magnet nicht nur entworfen und synthetisiert, sondern sogar schon getestet.
Dafür analysierte die KI über 100 Millionen mögliche Zusammensetzungen von Magneten ohne Seltene Erden und ermittelte dabei nicht nur die potenzielle Leistung, sondern auch die Sicherheit der möglichen Lieferketten sowie die Herstellungskosten und erwog Umweltaspekte.
Geopolitik und Grüne Zukunft
Seltene Erden sind (bisher) unverzichtbare Bestandteile moderner Geräte und Elektrotechnologien - darunter Autos, Transformatoren, Windturbinen und Solarpaneele. Starke Dauermagneten werden in Haushaltsgeräten wie Kühlschrank, Mikrowelle und Elektroventilatoren, in Computern und Druckern und selbstverständlich im militärischen Bereich verbaut. Die Rohstoffe aus dem Boden zu holen und zu raffinieren, kostet viel Geld, Energie und verursacht hohe Umweltbelastungen.
Technologien, die ohne diese strategischen Metalle auskommen, können helfen, den Übergang zu einer grüneren Zukunft zu beschleunigen. Sie sind nämlich bedeutend preiswerter: Nach Angaben des britischen Herstellers Materials Nexus liegen die Materialkosten im Vergleich zu herkömmlichen Magneten bei 20 Prozent, und bei der Herstellung werden die Kohlenstoffemissionen um 70 Prozent reduziert.
Selbstverständlich hat eine solche Entwicklung auch geopolitische und geowirtschaftliche Auswirkungen, denn die allermeisten Seltenen Erden werden in der Volksrepublik China raffiniert. Das gibt Peking im aktuellen Wirtschaftskrieg ein gewichtiges Druckmittel in die Hand.
Entwicklung um den Faktor 200 beschleunigt
Der nun vorgestellte Magnet ist zwar nicht der erste seiner Art, aber die Entdeckung derartiger Materialien erfordert bisher viele, viele Versuche und konnte sogar Jahrzehnte dauern. Der Einsatz von KI beschleunigt alles um etwa das 200-fache.
KI-gestütztes Materialdesign wird sich nicht nur auf die Magnetik, sondern auf den gesamten Bereich der Materialwissenschaft auswirken.
Jonathan Bean, CEO von Materials Nexus
Materials Nexus hat nach eigenen Angaben "jetzt eine skalierbare Methode für das Design neuer Materialien für alle Arten von industriellen Anforderungen gefunden". Das Unternehmen geht davon aus, dass ähnliche Techniken auch für die Entwicklung anderer Geräte und Komponenten verwendet werden könnten.
Herstellungsprozesse weiter optimieren
Neben dem Einsatz von künstlicher Intelligenz, um Herstellungsprozesse effizienter zu gestalten, arbeiten Forscher daran, Wege zu finden, Seltene Erden auf nachhaltigere Weise zu sammeln. Durchbrüche wie diese könnten die Abkehr von fossilen Brennstoffen und die Senkung der CO₂-Emissionen ankurbeln.
Überdies wurde die Entwicklung von Expertensystemen in den letzten Jahren stark beschleunigt, weil die Fundamente inzwischen gelegt sind.
Das Beispiel beweist: Die Kombination von KI mit Expertensystemen ist eine disruptive Technologie und kann technologische und wirtschaftliche Vorsprünge erreichen und sichern helfen.
40.000 Nervengifte in wenigen Stunden
Und manche Anwendungsmöglichkeiten sind wirklich gruselig: Eine auf die Entwicklung von Medikamenten spezialisierte KI hat in sechs Stunden 40.000 Nervengifte (wieder)entdeckt, aber auch neu entworfen – also Moleküle erdacht, die den Menschen bislang noch gar nicht bekannt waren.
Die Forscher haben diese neuen Substanzen allerdings nicht synthetisiert oder getestet. Ihnen ging es vor allem um einen "Weckruf". Hoffentlich haben die Verantwortlichen den Schuss auch gehört.
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