Die größten Missverständnisse über die Aufmerksamkeitsstörung ADHS

Seite 3: Was ist ADHS?

Pia Kabitzsch nennt dann noch als typische Beispiele für ADHS, bei einem neuen Job nicht genau zu wissen, was von einem erwartet wird; oder genervt beim Supermarkt in der Schlange zu stehen; oder Schwierigkeiten damit zu haben, darauf zu warten, dass eine andere Person ausgeredet hat.

Tja, wer kennt das nicht? Dass die Vielfalt der Symptome bedeuten könnte, dass man es eben nicht mit einer klar umrissenen medizinischen Erkrankung zu tun hat, darauf kommt die Psychologin allerdings nicht.

Zur Diagnose erklärt die Psychologin dann, dass es die Probleme selbst bei Erwachsenen-ADHS schon vor dem 12. Lebensjahr gegeben haben müsse. Das ist jetzt so festgelegt, ja. Vor einigen Jahren wurde allerdings noch das 7. Lebensjahr als Grenze angesehen. Es gab aber schon immer die Frage, wie gültig so eine feste Altersgrenze überhaupt ist.5

Das verdeutlicht, wie willkürlich solche Kriterien mitunter von Menschen (vor allem: Psychiaterinnen und Psychiatern) festgelegt werden, was sich dann später auf Millionen Kinder und Jugendliche auswirkt. Hierüber informiert uns Psychologeek nicht. Der Hintergrund ist wahrscheinlich, dass man an dem Gedanken festhält, bei ADHS handle es sich um eine "neuronale Entwicklungsstörung", eben eine Gehirnstörung im Kinder- und Jugendalter.

Gehirnstörung oder nicht?

Wie bereits erwähnt, bestimmte dies schon die frühere Diagnose von MBD. Kurioserweise lässt sich die angebliche Gehirnstörung aber nur im Verhalten feststellen und nicht im Hirn. Den Behandlungserfolg sieht man ebenfalls nur im Verhalten, nicht in den Hirnzellen (Was heißt es, dass psychische Störungen Gehirnstörungen sind?).

Der auch von Pia Kabitzsch kolportierte Standpunkt, Kinder und Jugendliche mit ADHS würden in ihrer Gehirnentwicklung hinterherhinken, lässt sich nicht halten. Die hierzu maßgebliche Studie6 wird auch nicht in ihren Quellen angeführt. Der Vergleich von über 3000 Menschen mit und ohne ADHS-Diagnose ergab nur minimale Unterschiede im Gehirn.

Auch das spricht gegen den Gedanken, Menschen mit und ohne ADHS anhand ihres Gehirns zu unterscheiden. Die Gruppen überschneiden sich zu stark. Alles Andere ist Spekulation oder Wunschdenken. Wenn man MBD als Vorläufer miteinbezieht, dann sucht man jetzt schon seit bald 100 Jahren nach einer überzeugenden neurologischen Erklärung - vergeblich.

Substanzkonsum

Ließe man diesen Gedanken einmal los, könnte man auch zu diesem Ergebnis kommen: ADHS beschreibt ein Missverhältnis zwischen gesellschaftlichen Erwartungen einerseits und der Aufmerksamkeit und/oder des Benehmens eines Individuums andererseits. Dieses Missverhältnis lässt sich durch Anpassung der Erwartungen auf der einen Seite oder durch Training, Psychotherapie und/oder Substanzkonsum auf der anderen Seite beheben.

Da sich ADHS sowieso nicht objektiv feststellen lässt, weder durch einen Blut- oder Gentest, noch durch einen Hirnscan oder Ähnliches, könnte man einfach auf die Probleme der Menschen schauen. Dann käme man ohne psychologisch-medizinisches Brimborium aus und spräche vielleicht schlicht von instrumentellem Substanzkonsum (Die Droge als Instrument).

Viele Menschen besorgen sich ohnehin die Stimulanzien selbst, weil sie lieber keinen diagnostischen Stempel aufgedrückt bekommen wollen. Mit Blick auf die Angst vor Stigmatisierung ist das nachvollziehbar. Wer das positiv sieht, nennt das "Neuroenhancement" oder "Gehirndoping" (Gehirndoping und Neuroenhancement: Fakten und Mythen)