Die große Lüge: Warum Trumps Isolationismus den USA schadet

Donald Trump vor US-Fahne

Donald Trump vor US-Fahne. Bild: Jonah Elkowitz/ Shutterstock.com

Trumps "America First" findet Anklang. Viele US-Bürger sehen Globalisierung kritisch. Doch was steckt wirklich hinter dem Isolationismus?

In gut zwei Wochen finden in den USA die Präsidentschaftswahlen statt. Für einige Beobachter ist es ein Rätsel, wie das Rennen zwischen der Demokratin Kamala Harris und Donald Trump so eng werden konnte.

Trump ist mittlerweile eine feste politische Größe und kann nach zwei Wahlkämpfen und einer Amtszeit kaum noch den Außenseiterstatus für sich geltend machen. Warum aber sehen ihn immer noch so viele US-Wähler als Alternative zum politischen Mainstream?

Isolationismus als Antwort auf die Krise

Viele US-Bürger betrachten die starke Außenorientierung der USA in Verbindung mit der zunehmenden Globalisierung als Ursache für die Deindustrialisierung und die wachsende soziale Ungleichheit im eigenen Land.

Auch der Neo-Liberalismus, lange die dominante politische Ideologie in den USA, befindet sich in einer Krise. Trump proklamiert eine eigene Form des Isolationismus und spricht damit eine Grundüberzeugung vieler Amerikaner an.

In den Grundzügen beschreibt Isolationismus eine eher nach Innen als Außen gerichtete Politik, welche die Interessen der USA an erste Stelle stellt. Die politische Strömung hat in den USA eine lange historische Tradition.

Historische Wurzeln: Was Isolationismus bedeutet

George Washington hatte sich geweigert, an der Seite des revolutionären Frankreichs in den Krieg gegen England zu treten. Im 19. Jahrhundert, unter Präsident Monroe, wurde der Isolationismus zur vorherrschenden Staats-Doktrin.

In der Monroe Doktrin verkündete die US-Regierung 1822, sich generell aus internationalen Streitigkeiten heraushalten zu wollen.

Hierbei sollte allerdings erwähnt werden, dass die USA bereits Ende des Jahrhunderts begannen, ihre wirtschaftlichen Interessen im Ausland mit Waffengewalt durchzusetzen.

Diese Bereitschaft bewiesen die USA erst im Krieg mit dem Spanischen Empire und dann in den sogenannten Bananenkriegen, um ihren politischen und wirtschaftlichen Einfluss in den ehemaligen spanischen Kolonien Zentralamerikas zu sichern.

Isolationismus bedeutete für die Regierenden der USA eben nie die unbedingte Achtung der Souveränität anderer Staaten. Vielmehr wollten sie keine außenpolitischen Verpflichtungen eingehen, die die Vereinigten Staaten in fremde Konflikte hineinziehen könnten.

Auch der Eintritt der USA in den Ersten Weltkrieg erfolgte zögerlich. US-Präsident Woodrow Wilson, der noch 1916 mit dem Slogan "Er hat uns aus dem Krieg herausgehalten" wiedergewählt worden war, hatte große Mühe, die US-Bevölkerung von der Notwendigkeit eines Kriegseintritts zu überzeugen.

Während des Zweiten Weltkriegs war es an Franklin D. Roosevelt, die US-Bevölkerung und Wirtschaft entgegen dem Willen der Isolationisten für einen Kriegsbeitritt zu mobilisieren.

Eine Aufgabe, die durch den japanischen Angriff auf Pearl Harbour erleichtert wurde. Im Zweiten Weltkrieg wurden die USA zur Hegemonialmacht und begannen immer und überall militärische und Soft Power auszuüben.

Spätestens also seit dem Kalten Krieg kann man in den USA wohl kaum noch von einer isolationistischen Politik sprechen. Auch die US-Wirtschaftspolitik nahm zunehmend einen globalen Charakter an.

In weiten Teilen der Gesellschaft verankert

In den 1970er- und 1980er-Jahren bedeutete diese Wendung nach außen eine Abkehr vom Fordismus und Keynesianismus der Kriegs- und Nachkriegszeit hin zu einer neoliberalen Wirtschaftslogik.

Durch die mit dem neuen System einhergehenden Deindustrialisierung, "strategische Überdehnung" und demografischen Veränderungen hat der Isolationismus in den USA wieder an politischer Relevanz gewonnen. Kein Wunder also, dass Trumps isolationistische Rhetorik so viele Menschen in den USA erreicht.

Ferner spricht der Isolationismus in den USA die verschiedensten politischen Gruppen an und ist daher weiten Teilen der Gesellschaft fest verankert.

Für Progressive und Idealisten bedeutete eine isolationistische Politik, statt in die Rüstungsindustrie und das Militär lieber in die eigene Wirtschaft und den Sozialstaat zu investieren. Libertäre sahen sozialistische Politik als notwendige Voraussetzung, um die vermeintlich übermäßige Macht des Staates innerhalb der eigenen Grenzen kleinzuhalten.

Nationalisten, Rassisten und Anti-Migrationsbewegungen nutzten den Isolationismus als Argument, um die Einwanderung zu beschränken und so die von ihnen propagierte "soziale Homogenität" zu bewahren.

Selbst Wirtschaftsfunktionäre, normalerweise Verfechter des freien Marktes, verstanden Isolationismus historisch immer wieder als protektionistische Wirtschaftspolitik, die es ihnen ermöglichte, die ausländische Konkurrenz im Zaum zu halten.

Der Trend zum Rückzug

Seit von einer Krise des US-Liberalismus die Rede sein kann, wünschen sich viele US-Amerikanerinnen eine Politik, die innenpolitische Belange priorisiert. Trump verstärkte den politischen Trend zum Rückzug, indem er verspricht, die USA von ausländischen Verpflichtungen zu befreien und sich auf innenpolitische Probleme zu konzentrieren.

Dank eines Mangels an Gegenvorschlägen vonseiten der Demokraten bleibt Trumps Politik der Neuausrichtung trotz seiner realpolitischen Misserfolge für viele attraktiv.

Ähnlich wie bei seinen historischen Vorbildern ist Trumps Isolationismus eher vom Unilateralismus als ganzheitlicher strategischer Abgrenzung geprägt.

Er zeigt sich skeptisch gegenüber internationalen Abkommen, die die US-Souveränität einschränken könnten, was beispielsweise zum Austritt der USA aus dem Pariser Klimaabkommen, dem Atomabkommen mit dem Iran, und sogar UNESCO führte.

Allerdings trägt Trumps Vision für eine neu-isolationistische Außenpolitik auch geradezu progressive Züge. Immerhin begann das US-Militär während seiner Amtszeit mit der Planung des Truppenabzugs aus Afghanistan.

Trump und der Ukraine-Krieg

Im Kontext des liberalen Mainstreams, der weiterhin an einen Sieg der Ukraine über das übermächtige Russland glaubt, betrachteten viele in den USA Trump als Stimme der Vernunft. Obwohl ihm oft eine übermäßige Freundlichkeit gegenüber Putin vorgeworfen wird, sehen sie in seiner Bereitschaft, mit ihm zu verhandeln, die einzige Möglichkeit, den Krieg in der Ukraine zu beenden.

Was Liberale als eine Zuneigung zu Autokraten und Diktatoren im Ausland verstehen, sehen Trumps Anhänger als Skepsis gegenüber Nation Building und der Rolle der USA als weltweiter Streiter für Demokratie. Zwei liberale Konzepte, die spätestens seit den Kriegen im Irak und in Afghanistan an Glaubwürdigkeit und Rückhalt in der US-Bevölkerung verloren haben.

Die Gründungsväter der USA waren überzeugt, dass ausschweifende außenpolitische Ambitionen die Freiheit und den Wohlstand im Inland gefährden könnten. Damit hatten sie sicherlich nicht Unrecht.

Schon Truman warnte vor der Verbindung zwischen dem US-Militär und der Rüstungsindustrie, dem sogenannten militärisch-industriellen Komplex, der mittlerweile einen Großteil der Staatsausgaben verschlingt und die internationale militärische Vormachstellung der USA sowohl möglich als auch notwendig macht.

Obwohl Trump öffentlich die Rüstungsindustrie kritisierte, unternahm er während seiner Amtszeit keine Schritte, um den Einfluss dieses Wirtschaftssektors zu begrenzen.

Erfolg bei den Libertären

Immer wieder haben Staaten, die im Ausland Strategien zur Ausbeutung und Unterdrückung entwickelten, diese Methoden auch gegen ihre eigene Bevölkerung eingesetzt. Die USA bilden hier definitiv keine Ausnahme, wie die fortschreitende Militarisierung der Polizei zeigt.

Trump hat gewiss kein Problem damit, staatliche Elemente als Instrumente reaktionärer Unterdrückung zu nutzen. Dennoch muss er sich um die Stimmen der Libertären kaum sorgen.

Denn Trumps Angriffe auf den Staat stoßen auf Anklang bei den Libertären. Wobei es keine Rolle spielt, dass seine staatskritische Rhetorik häufig durch reinen Eigennutz motiviert ist, sei es, weil er seine Wahlniederlage nicht akzeptieren will oder aufgrund persönlicher rechtlicher Probleme.

Das hat einen einfachen Grund: Auch die Freiheitsliebe und Staatskritik der meisten Libertären in den USA geht oft nicht über den Schutz ihrer eigenen individuellen Interessen und Freiheiten hinaus. Das zeigt sich besonders im Umgang mit Migrantinnen und Geflüchteten.

Ressentiments und Repression

Denn Trumps Isolationismus ist in erster Linie von einem Ressentiment gegen jegliche Form der Zuwanderung geprägt. Der Republikanische Präsidentschaftskandidat hat, genau wie seine sonst so "Big-Government"-kritischen Anhänger, kein Problem mit Institutionen staatlicher Kontrolle; solange diese Repressions-Mechanismen nicht gegen weiße Menschen gerichtet sind. Diese Grenz-, Asyl- und Immigrationspolitik wurde von der aktuellen demokratischen Regierung weitgehend übernommen.

Auch Trumps Wirtschaftspolitik ist stark vom Isolationismus geprägt. Während seiner Amtszeit lenkte er die US-Wirtschaft auf einen protektionistischen Kurs, den auch sein Nachfolger Joe Biden weitgehend fortgeführt hat.

Die Maganomics-Agenda

Trump bezeichnet seine wirtschaftspolitischen Ansätze als "Maganomics", das aggressive Zölle auf Importe, insbesondere aus China, und Steuersenkungen umfasst.

Seine Agenda strebt einen stärkeren politischen Einfluss auf die Geldpolitik an und stellt in ihrer radikalsten Form grundlegende Elemente des bisherigen Wirtschaftsmodells in Frage. Der neue Kurs könnte eine Abkehr von Steuereinnahmen hin zu Handelszöllen als primäre Einnahmequelle für den US-Staat bedeuten.

Trump erwartet, dass die Zölle nicht nur Einnahmen generieren, sondern auch die US-Produktion ankurbeln werden. Allerdings warnen Ökonomen vor den Kosten solcher Maßnahmen: Hohe Zölle könnten die Lebenshaltungskosten für Haushalte erhöhen und vorwiegend einkommensschwache Haushalte belasten.

Seine Berater argumentieren, dass die Einnahmen zur Finanzierung von Steuersenkungen verwendet werden würden, was die Preisanstiege ausgleichen könnte. Trumps bisherige Steuersenkungen kamen allerdings bisher besonders den oberen Einkommensklassen entgegen.

In dieser Form würde Trumps protektionistische Wirtschaftspolitik vorwiegend eine Umverteilung von unten nach oben bedeuten, eine, in der die Konsumenten die Kosten tragen und die Wirtschaftseliten die Vorteile genießen.

Karriere einer Ideologie

Alles in allem ist Donald Trumps Isolationismus weniger ein durchdachtes politisches Programm als eine Ideologie, die tief verwurzelte Ängste und Glaubensgrundsätze vieler Amerikaner anspricht. In einer Zeit, in der der internationale Liberalismus in den USA an Einfluss verliert, findet Trumps "America First"-Politik Zuspruch.

Viele Amerikaner fühlen sich durch die Folgen der Globalisierung und der damit verbundenen außenpolitischen Position der USA benachteiligt, was Trump erlaubt, sich als Advokat für politischen Wandel aufzuspielen.

Die Demokraten können dem wenig entgegensetzen und täten gut daran, eine eigene Strategie zu entwickeln, anstatt Trump einerseits zur Gefahr für die US-Demokratie zu deklarieren, andererseits dem republikanischen Programm der Republikaner immer weiter entgegenzukommen.