EU-Juristen warnen: Mediensanktionen gegen Russland rechtlich bedenklich

Protest für Pressefreiheit in Russland

Protest für Pressefreiheit in Russland. Bild: Irina Boldina/ Shutterstock.com

EU-Juristen sehen Sanktionen gegen russische Medien kritisch. Deutschland und Ungarn folgen der Linie. Gerät Pressefreiheit zwischen Fronten?

Der Juristische Dienst des EU-Rates hat intern davor gewarnt, dass Sanktionen gegen russische Medienunternehmen einem Sendeverbot gleichkommen und Fragen der Verhältnismäßigkeit aufwerfen könnten. Besonders Deutschland und Ungarn lehnen bestimmte Listungsvorschläge in diesem Bereich ab.

Das Thema ist Gegenstand einer hitzigen Diskussion innerhalb der EU über Sanktionen gegen russische Medienorganisationen. Das nächste, inzwischen 15. Sanktionspaket soll bis zum Jahresende beschlossen werden.

Medien sind unlängst verstärkt ins Visier von Sanktionen und Gegensanktionen zwischen westlichen Staaten und Russland geraten. Das wurde zuletzt in Deutschland deutlich, nachdem zwei ARD-Korrespondenten von russischen Behörden die Arbeitserlaubnis entzogen wurde; sie mussten das Land verlassen.

Zuvor hatten Berliner Behörden zwei russischen Journalisten die Aufenthaltserlaubnisse entzogen. Betroffen waren der Korrespondent des TV-Senders Erster Kanal, Iwan Blagoi, und sein Kameramann Dimitry Wolkow. Bei der ARD waren Moskau-Korrespondent Frank Aischmann und der technische ARD-Mitarbeiter Sven Feller betroffen.

Während der russische Botschafter in Deutschland das Vorgehen verteidigte und auf entsprechende Gegenmaßnahmen für die Zukunft beharrte, lud das Auswärtige Amt – noch unter Leitung der Grünen-Politikerin Annalena Baerbock – ihn vor. Auf Sanktionen und Gegensanktionen, so wurde klar, folgen Vorwürfe und Gegenvorwürfe.

Dass das Thema in der EU kontrovers behandelt wird, zeigen Schilderungen von Diplomaten, die an EU-Ratssitzungen teilgenommen haben. In internen Beratungen wurde demnach zuletzt hitzig über neue Sanktionen gegen Russland und Belarus diskutiert.

Deutschland und Ungarn teilen Bedenken

Während einige Mitgliedstaaten weitere harte Strafmaßnahmen fordern, äußern andere Länder rechtliche Bedenken – insbesondere wenn es um Sanktionen gegen russische Medien geht – und folgen damit der vorsichtigen Linie des Juristischen Dienstes des EU-Rates. Schilderungen beteiligter Diplomaten zeigen: Die EU ringt um die richtige Balance zwischen effektiven Sanktionen und Pressefreiheit.

EU-Staaten wie Estland, Polen, Litauen und Schweden hatten auf zusätzliche Listungen von Personen und Organisationen im Rahmen der Sanktionsregimes gegen Russland und Belarus gedrängt und dazu konkrete Vorschläge vorgelegt. Andere Mitgliedstaaten wie Deutschland, Frankreich, Italien und Ungarn äußern noch Prüfvorbehalte zu einigen der Sanktionsvorschläge. Sie pochen auf rechtliche Solidität der Listungen.

Besonders umstritten sind eben Sanktionen gegen russische Medienunternehmen. Der Juristische Dienst des EU-Rates warnt, ein Einfrieren von Vermögenswerten komme einem Sendeverbot gleich und werfe Fragen der Verhältnismäßigkeit auf. Beachtlich: Deutschland und Ungarn lehnen bestimmte Listungsvorschläge in diesem Bereich ab, auf die Litauen gedrängt hatte. Berlin an der Seite des Orbán-Diplomaten? Eine seltene Allianz.

Ein weiterer Diskussionspunkt war nach Darstellung eines deutschen EU-Vertreters die Glaubwürdigkeit und Wirksamkeit der EU-Sanktionen. Auch Zypern, Griechenland, Italien und andere betonen, wie wichtig die rechtliche Solidität der Listungen für die Reputation des Sanktionsregimes ist.

Die Frage von Medien und politischer Intervention stand bei den internen EU-Beratungen auch anderweitig zur Debatte: Die EU-Kommission stellt nach eigenen Angaben mehr finanzielle Mittel für "strategische Kommunikation" gegenüber der moldauischen Bevölkerung bereit.

Bei den Präsidentschaftswahlen dort hatten prorussische Kräfte trotz EU-Unterstützung unerwartet gut abgeschnitten. Brüssel möchte nun herausfinden, was aus EU-Sicht schiefgelaufen ist und welche Handlungsoptionen es noch gibt.