"Ein transatlantisches Handelsabkommen birgt große Chancen und Gefahren"

Seite 2: "Aufgrund des NSA-Skandals müssen wir davon ausgehen, dass die USA unsere Verhandlungsstrategie bereits im Detail kennen"

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Was schlagen Sie vor, dagegen zu tun?

Jakob von Weizsäcker: Um diesen Gefahren wirksam entgegenzutreten, benötigen wir Transparenz und Bürgerbeteiligung an den Verhandlungen. Traditionell war man in solchen Verhandlungen um Geheimhaltung der eigenen Positionen bemüht, um den Verhandlungspartnern nicht in die eigenen Karten sehen zu lassen. Aber aufgrund des NSA-Skandals müssen wir davon ausgehen, dass die USA unsere Verhandlungsstrategie bereits im Detail kennen. Aus welchem Grund sollte man nun den eigenen Bürger entsprechende Einblicke verweigern?

Darüber hinaus sollte man die Verhandlungen über den Investitionsschutz aussetzen, wie es der neue deutsche Handelsminister Sigmar Gabriel in seinem Brief an den EU-Handelskommissar Karel de Gucht gefordert hat. Denn auf beiden Seiten des Atlantiks gibt es eine funktionierende Demokratie und einen Rechtsstaat, die nicht durch Investitionsschutzmechanismen ausgehebelt werden dürfen.

Wenn sich Europa am Ende in diesen zentralen Punkten in den Verhandlungen nicht durchsetzen sollte, müssten wir verhindern, dass das Abkommen im Europaparlament ratifiziert wird.

"Die Suche nach demSchuldigen für die Krise etwas leicht Pathologisches"

Der Wirtschaftstheoretiker Heiner Flassbeck sieht einen bedeutenden Zusammenhang zwischen Hartz IV, Niedriglöhnen in Deutschland, Exporterfolgen der deutschen Wirtschaft und den Krisen in den Südländern. Stimmen Sie mit dessen Thesen überein?

Jakob von Weizsäcker: Die Finanz- und Eurokrise lässt sich nicht monokausal erklären. Deshalb hat auch die Suche nach demSchuldigen für die Krise etwas leicht Pathologisches. Das gilt sowohl für den Versuch, Griechenland zum Sündenbock zu stempeln, wie auch für den Versuch, Deutschland zum Sündenbock zu stempeln.

Richtig ist, dass die hohe Staatsverschuldung in Griechenland und die hohe private Verschuldung in Spanien mit den hohen Leistungsbilanzüberschüssen Deutschlands in einem bilanziellen Zusammenhang steht. Richtig ist auch, dass vor der Krise die Rendite von Investitionen in spanische Immobilien oder griechische Staatsanleihen überschätzt und die Rendite von Infrastrukturinvestitionen in Deutschland unterschätzt wurde. Ebenso wurde die Arbeitsproduktivität in Spanien relativ zu Deutschland überschätzt. Beides hat zur Krise beigetragen und muss jetzt korrigiert werden, am besten mit Anpassungen sowohl in den Krisenländern wie auch in Deutschland.

Für wie effektiv halten Sie die EU-Politik, wenn es darum geht, den einzelnen Ländern eine ihnen gemäße Wirtschaftspolitik zu ermöglichen?

Jakob von Weizsäcker: Das Subsidiaritätsprinzip ist hier der richtige Maßstab. Was sinnvoll im Rahmen der nationalen Wirtschaftspolitik geregelt werden kann, sollte nicht auf die europäische Ebene verlagert werden. Allerdings gibt es gerade in der Eurozone wirtschaftspolitische Herausforderungen, die sich mit einer rein nationalen Wirtschaftspolitik kaum bewältigen lassen. Beispielsweise setzt die Europäische Zentralbank ihren Zins nach den Erfordernissen des Durchschnitts der Eurozone. Das bedeutet aber, dass der Zins für einzelne Länder zu hoch ist, für andere eher zu niedrig. Um mit diesem systematischen Problem besser umzugehen, könnte beispielsweise eine europäische Arbeitslosenversicherung sinnvoll sein.

Perspektivisch gehe ich sogar davon aus, dass die Eurozone eine eigene Exekutive und ein eigenes Parlament mit einem eigenen Budget benötigen wird. Siehe dazu die Vorschläge der Glienicker Gruppe

Was halten Sie von den Unabhängigkeitsbestrebungen innerhalb der EU in Schottland, Katalonien et cetera?

Jakob von Weizsäcker: Wenn sich solche Unabhängigkeitsbestrebungen im rechtlichen und demokratischen Rahmen der betroffenen Länder bewegen, ist dagegen grundsätzlich nichts einzuwenden. Dennoch muss die Frage erlaubt sein, ob die Aufspaltung von Ländern in kleinere Einheiten im globalisierten 21. Jahrhundert in jedem Fall sinnvoll ist.

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