Eurobonds oder Eurohaushalt?

Seite 3: Die Reanimierung der geopolitischen Achse Berlin-Paris

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Letztendlich sind diese Auseinandersetzungen schon Teil des großen Kuhhandels zwischen Deutschland und Frankreich, der nach der Wahl die Reanimierung der geopolitischen Achse Berlin-Paris befestigen soll. Paris pocht darauf, dass die extremen Ungleichgewichte in der Europäischen Union (Deutschlands Exportüberschüsse, die zugleich die Defizite der Eurozone bilden) durch finanzpolitische Transfers gemindert werden. Formell wurden diese Forderungen von Berlin bislang abgelehnt.

Doch ohne irgendeine Art von Ausgleichsmechanismus, der die Folgen der deutschen Beggar-thy-Neighbor-Politik mindert, muss die Eurozone mittelfristig zerfallen. Bereits jetzt drohen die aus den europäischen "Ungleichgewichten" resultierenden Turbulenzen an den Märkten die Friedhofsruhe des deutschen Wahlkampfes zu stören.

Erst nach dem Bekanntwerden der schäublerischen Planungen für einen über den ESM abgewickelten Eurohaushalt habe sich die Lage an den italienischen Bondmärkten beruhigt, meldete beispielsweise Reuters vor kurzem. Die Zinslast sei zuletzt in Italien stark angewachsen, nachdem "Planungen für eine Parallelwährung" publik wurden.

In Berlin hofft man offensichtlich, dass man das Thema im Wahlkampf schlicht ausblenden kann - in der Hoffnung, dass das morsche Gebälk des europäischen Hauses bis zum 24. September schon noch tragen werde. Dies nicht zuletzt deswegen, weil sonst der Anteil des schäublerischen Sparsadismus an dem instabilen Zustand der Eurozone diskutiert werden müsste.

Nach Jahren der Spardiktate, verordnet von Schäuble unter dem Jubel einer chauvinistisch aufgeheizten Öffentlichkeit, ist die Schuldenlast in der Peripherie der Eurozone stark angestiegen, während sich die meisten Krisenländer immer noch nicht von den Konjunktureinbrüchen erholt haben, die durch die Austerität ausgelöst wurden.

Schäubles Sparregime war ein "totales Desaster" für Europa, schlussfolgerte etwa der Ökonom Stiglitz. Die Bundesregierung hofft aber, das Thema - und ihre Verantwortung daran - aus dem Wahlkampf herauszuhalten und der Bevölkerung der Bundesrepublik die Rechnung erst nach der Wahl präsentieren zu können.

Die instabile Eurozone ist zudem nur Teil eines instabilen spätkapitalistischen Weltsystem - der nächste Krisenschub würde den durch chauvinistische Zentrifugalkräfte und nationale Interessengegensätze zerrütteten Währungsraum unvorbereitet treffen. Inzwischen kann es ja selbst unseren "Wirtschaftswissenschaftlern" nicht mehr entgehen dass die derzeitige Liquiditätsblase nicht ad infinitum aufrechterhalten werden kann.

Zuletzt erschien vom Autor im Konkret Verlag das Buch Kapitalkollaps. Die finale Krise der Weltwirtschaft.