Freie Einwanderung - ein Menschenrecht?
Seite 5: Teil 5: Eigentum verpflichtet, aber nicht zwangsläufig zu liberaler Einwanderungspolitik
- Freie Einwanderung - ein Menschenrecht?
- Teil 2: Die moralische Argumentation für freie Einwanderung
- Teil 3: Der Staat und seine Ressourcen als Gemeinschaftseigentum
- Teil 4: Grenzenloser Zugriff auf Gemeinschaftseigentum?
- Teil 5: Eigentum verpflichtet, aber nicht zwangsläufig zu liberaler Einwanderungspolitik
- Teil 6: Desolidarisierung im Inneren und grenzenlose Solidarität nach außen gehen nicht zusammen
- Teil 7: Entschädigung der Einwanderungsverlierer konkret gemacht
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In allen gut funktionierenden Staaten ist natürlich das Privateigentum eben nicht vollständig vor dem Zugriff anderer geschützt. Es gibt Regeln darüber, was und wie viel abgegeben werden muss, um Gemeinschaftsanliegen zu finanzieren. Abgeben für die Gemeinschaft liegt dabei auch im Eigeninteresse der Geber. Denn alle, auch die Wohlhabenden, profitieren vom Gemeinschaftseigentum.
Obwohl oft geleugnet, gilt das sogar für die Hilfe zum Lebensunterhalt. Eine gut auskömmliche Grundsicherung für Bedürftige hält den Staat stabil und schützt ihn vor Revolten, senkt die Eigentumskriminalität, beugt der Verbreitung von Seuchen wie Tuberkulose vor und lässt auch die Mittelschicht ruhiger schlafen, da man weiß, dass man in unerwarteten Notsituationen versorgt wäre.
Analog zum Privateigentum verpflichtet natürlich auch Gemeinschaftseigentum. Wie beim Privateigentum wird ein funktionierender Staat demokratisch regeln, inwiefern Gemeinschaftseigentum nicht oder nicht nur den derzeitigen Eigentümern, also den eigenen Bürgern, zu Gute kommt, sondern an Dritte abzugeben ist. Wie bei der Erhebung von Steuern und Abgaben sind die Motive dafür nicht nur humanitär, sondern auch selbstdienlich.
Häufig werden Ziele verfolgt, die auch etwas Positives an die Geber zurückfließen lassen: Sei es die Arbeitskraft und Freundlichkeit einer neu eingewanderten Altenpflegerin, die Hoffnung auf Reziprozität bei Katastrophenhilfe, die Hoffnung auf spätere Geschäftsbeziehungen bei Studienstipendien für die Elite von Drittländern, die Beförderung des eigenen guten Rufs oder die Stärkung von Humanität und Solidarität in der eigenen Gesellschaft durch gemeinschaftliche Hilfe für Dritte.
Eine ethische Verpflichtung besteht zudem zu Hilfe für Menschen in Drittländern, für deren Misere man eine Mitverantwortung trägt. (Deutschland hat meines Erachtens eine Mitverantwortung für fast alle Balkanländer. In Albanien z.B. hat man als Beteiligter an dem Gespann EU-Kommission, IWF und Weltbank geholfen, ein noch halbwegs organisiertes Entwicklungsland mittels Schocktherapie, Zerstörung vorhandener Strukturen und untauglichem, aber "pro-westlichem" Personal binnen weniger Jahre komplett dysfunktional zu machen.)
Einwanderung ist aber nur eine Möglichkeit, Dritte teilhaben zu lassen, und humanitär und entwicklungspolitisch gesehen nicht unbedingt die effizienteste. Leute aus Entwicklungsländern auszubilden und sie danach wieder zum Besten ihrer Länder zurückzuschicken, wäre langfristig und global betrachtet womöglich besser, als die Ausgebildeten zu deren und hiesiger Nutznießer Freude hierzubehalten.
Will man Menschen in akuter Überlebensnot helfen, so kann man oft aufgrund des Preisgefälles mit dem gleichen Geld in den Heimatländern oder in primären Fluchtländern viel mehr Personen helfen, als wenn man sie bei uns aufnimmt. Lässt man mit lokalen Arbeitern in Afghanistan eine Schule mit Berufskolleg bauen und finanziert dauerhaft die Lehrer und deren Ausbildung, kostet das pro Jahr weniger, als hier einen einzigen minderjährigen afghanischen Flüchtling zu betreuen, hat aber für mehr Menschen positive Effekte.
Auch das utilitaristische Argument pro freie Einwanderung ist also keineswegs schlagend, da man "the greatest good for the greatest number" häufig besser mit anderen Maßnahmen als mit Einwanderung erreicht. (Ich ignoriere hier, dass Menschen emotional in mancher Hinsicht anders ticken, als es der reine Utilitarismus fordert und utilitaristisch korrektes Handeln daher oft schwer durchzusetzen ist.)
Fazit der Teile 3 bis 5: Ein universelles Recht auf freie Einwanderung existiert nicht nur derzeit nicht. Es lässt sich auch moralphilosophisch unter heutigen realweltlichen Bedingungen nicht überzeugend begründen.