Freihandel mit aller Gewalt

Seite 2: Sibirien brennt

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Richtig schlimm sieht es aber weiter in Osten, in den größten zusammenhängenden Wäldern der Erde aus. Sibirien ist nicht nur viel zu warm und leidet unter auftauendem Permafrost. Mit der Wärme kommt auch die Trockenheit und ein erheblicher Anstieg der Waldbrandgefahr. Die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtet von sogenannten Zombie-Feuern, die im torfigen Untergrund selbst im Winter weiterschwelen können. Im Frühjahr können diese dann neu entfacht werden.

Im Juni seien die Feuer, gemessen an der Menge freigesetzten CO2, noch etwas schlimmer als im Juni 2019 gewesen. Dieser galt bisher als der schlimmste Monat in einer Datenserie, die bis 2003 zurückreicht. Im Juni 2020 wurden durch die sibirischen Brände 60 Millionen Tonnen des Treibhausgases in die Luft geblasen. Das entspricht gut sieben Prozent der deutschen Jahresemissionen.

Schweinezyklen

Mehr Schlagzeilen haben im letzten Jahr die Feuer im brasilianischen Amazonasbecken gemacht. Der dortige Regenwald steht vor allem unter dem Druck der Agrarindustrie, die der ewige Landhunger für Rinderweiden und Sojaanbau umtreibt. Soja, das nach Europa oder China exportiert wird, um dort in riesigen, Umwelt und Anwohner belastenden Mastbetrieben verfüttert zu werden, für die Aufzucht gequälter Tiere, die dann unter unmenschlichen Arbeitsbedingungen von miserabel bezahlten und von Ministerpräsidenten rassistisch diskriminierten Arbeitern geschlachtet und zerlegt werden.

Um diese Geschäfte künftig noch etwas reibungsloser abwickeln zu können, drängt die Agrarlobby in Brasilien und Argentinien auf ein Freihandelsabkommen mit der EU. Hierzulande ist die Exportindustrie mehr als aufgeschlossen. Seit vielen Jahrzehnten gehörten erst Westdeutschland und dann der später vereinigte deutsche Staat zu den weltweit eifrigsten Werbern für Freihandelsabkommen.

Berlin will Mercosur-Abkommen

Deshalb hat sich die Bundesregierung vorgenommen, den Verhandlungen über das sogenannte Mercosur-Abkommen während ihrer gerade begonnenen EU-Ratspräsidentschaft neuen Schub zu geben. Benannt ist der angestrebte Vertrag nach dem südamerikanischen Staatenbund, dem Argentinien, Uruguay, Brasilien und Paraguay angehören. Venezuelas Mitgliedschaft ist ausgesetzt. Die anderen südamerikanischen Länder sind größtenteils assoziiert.

Die Chancen für das Abkommen sind aber nicht besonders gut, weil es auf beiden Seiten des Atlantiks erheblichen Widerstand gibt. So sprach sich letzten Monat die Zweite Kammer des niederländischen Parlaments mit knapper Mehrheit gegen das Abkommen aus. Befürchtet wird von den Kritikern neben dem wachsenden Druck auf den Amazonas-Regenwald ein weiteres Aufweichen von Sozial- und Umweltstandards im Namen des ungebremsten Freihandels.

Über den Charakter der brasilianischen Agrarindustriellen, eifrigen Freunden des rechtsextremen Präsidenten Jair Bolsonaro, gibt eine Reportage der taz Aufschluss. Mit kleinen Privatarmeen machen sie im südlichen Bundesstaat Mato Grosso Jagd auf Angehörige des Volks der Guarani. Diese versuchen seit einigen Jahrzehnten, sich das Land mit Besetzungen zurückzuholen, von dem ihre Vorfahren einst von weißen Siedlern vertrieben wurden.

Diese haben inzwischen die Wälder abgeholzt und riesige Soja-Monokulturen angelegt. Nun bezahlen sie Pistoleros, die immer wieder Guarani-Aktivisten ermorden. Daran konnten selbst die linken Präsidenten Lula da Silva und Dilma Rousseff zwischen 2003 und 2016 nichts ändern, die im Parlament meist auf Stimmen der Agrarlobby angewiesen waren. Und seit neuestem hat das Land einen Präsidenten, der alle Schranken für die Großgrundbesitzer einreißen will.

"Klima der Angst"

Wie immer gab es in der vergangenen Woche mal wieder viel mehr aus dem Bereich Klima und Energie, als hier Platz hatte. Über das Kohleausstiegsgesetz hatten wir hier auf Telepolis ja schon mehrfach berichtet, über den schleppenden Ausbau der Windenergie auch, verlinken wollen wir aber hier noch einmal auf die neuesten Zahlen.

Erwähnen sollten wir noch die innergewerkschaftliche Kritik in der IG Metall, die sich an deren Ruf nach einer Abwrackprämie reibt, den wichtigen Erfolg der US-amerikanischen Umweltbewegung gegen die Dakota-Access-Ölpipeline, die von einem Gericht am gestrigen Dienstag vorerst gestoppt wurde und den beschleunigten Eisverlust in der Antarktis. Auch die Entwicklung der EEG-Umlage, die nun gedeckelt wird, - ein Aufschlag auf die Stromrechnung der Verbraucher von etwas über sechs Cent pro Kilowattstunde - wäre noch eine Erwähnung wert.

Und dann war da noch die französische Werbeaufsichtsbehörde, die einen Werbeclip einer niederländischen Fahrradmarke verboten hat. Einige der gezeigten Bilder seien "unausgewogen und geeignet, die Autobranche zu diskreditieren". Es würde ein "Klima der Angst" erzeugt.

Die scheint allerdings ohnehin in der Branche umzugehen. Die Corona-Beschränkungen sind größerenteils vorerst vorüber, aber die Kauflust will nicht recht wieder anspringen. Im Juni 2020 gab es in Deutschland 32,3 Prozent weniger Neuzulassungen als im Juni 2019, vermeldet das Kraftfahrtbundesamt.

Die Zahl der privaten Neuzulassungen sei gar um 38,2 niedriger gewesen. Damit setzte sich der stark negative Trend der vergangenen Monate fort. Insgesamt wurden im ersten Halbjahr 2020 in Deutschland 34,5 Prozent oder gut 580.000 weniger neuer Pkw zugelassen.