"Gas tötet": Greenpeace gegen Konzerne, die Ukraine-Schock missbrauchen

Greenpeace-Aktivist:innen malen den Schriftzug "Gas kills" auf den Rumpf der Cape Ann. Bild: Jean Nicholas Guillo / Greenpeace

Protestaktion gegen neues LNG-Terminal in Le Havre. Gas-Unternehmer nutzen Ukraine-Krieg schamlos aus, sagen Umweltschützer. Wie ein fossiler Notstand fabriziert wird.

Während gegen LNG-Terminals in Deutschland, insbesondere vor der Insel Rügen, weiter protestiert wird, versuchten am Montag Aktivist:innen von Greenpeace Frankreich, ein neues Flüssiggasterminal des Öl- und Gaskonzerns TotalEnergies im Hafen von Le Havre zu blockieren.

Die Aktivist:innen fuhren mit Kajaks zwischen der Hafeneinfahrt um dem Tanker, der das Terminal transportierte, hin und her. Sie schrieben zugleich die Aufschrift "Gas kills" ("Gas tötet") mit weißer Farbe auf die Schiffswand.

Hélène Bourges, Kampagnenleiterin für die Bereiche Öl, Transport und Ozeane bei Greenpeace Frankreich, schreibt in einer Pressemitteilung:

Dieses LNG-Terminal ist ein weiteres eklatantes Beispiel für die "Schock-Doktrin", bei der die Gasbetreiber ihre öffentlichen Botschaften und ihre Lobbyarbeit von der "Energiewende" auf die "Energiesicherheit" verlagert und zynisch die Gelegenheit genutzt haben, nach den durch die russische Invasion in die Ukraine ausgelösten Energieversorgungsproblemen die Regierungen zu massiven, unnötigen Investitionen in den Ausbau von fossilen Gasimporten und Infrastrukturen zu verleiten.

Das schwimmende LNG-Terminal mit einer Länge von 280 Metern erreichte schließlich den Hafen. Es sollte eigentlich bereits am 15. September in Betrieb genommen werden, um die "Energiesicherheit Frankreichs" während des durch den russischen Einmarsch in die Ukraine ausgelösten Krieges zu gewährleisten, so die französische Regierung.

Greenpeace stellt jedoch infrage, dass der Ausbau von LNG notwendig ist, um den Energiebedarf Frankreichs und des übrigen Europas nach der russischen Invasion zu decken. Das gelte auch für den Fall eines kalten Winters, anders, als das französische Energiewende-Ministerium behauptet.

In einem Bericht, der im Juni veröffentlicht wurde, weist Greenpeace darauf hin, dass die bestehenden LNG-Terminals Frankreichs selbst im Jahr 2022 nicht ihre maximale Kapazität genutzt hätten und in der ersten Hälfte des Jahres 2023 nicht ausgelastet gewesen seien.

Wenn Frankreich im Jahr 2022 wirklich unter einer Gasversorgungskrise litt, die derart tiefgreifend war, um das neue schwimmende Terminal in Le Havre zu rechtfertigen, ist es überraschend, dass die Kapazitäten der bestehenden Terminals, insbesondere die in Dünkirchen und Fos Tonkin, nicht ausgelastet sind,

schreiben die Autoren des Berichts. Stattdessen argumentierten sie, dass der LNG-Anstieg das Ergebnis der Lobbyarbeit der Öl- und Gasindustrie sei.

Die einzigen Nutznießer der LNG-Gasinfrastruktur in Le Havre sind TotalEnergies, der Betreiber des schwimmenden Terminals, und seine Anteilseigner, deren private Interessen und Gewinne über den Klimaschutz und die Gesundheit der Menschen gestellt werden, ermöglicht durch die komplizenhafte Unterstützung der französischen Regierung, die eine beispiellose rechtliche Ausnahmeregelung für die Einrichtung gewährt hat,

so Bourges in einer Erklärung.

Die Kanu- und Kajak-Fahrer:innen von Greenpeace hielten auch Transparente mit der Aufschrift hoch "Total: shale dealer" ("Total: Frackinggas-Dealer"), "Macron: shale dealer" ("Macron: Frackinggas-Dealer") und "End Fossil Crimes" ("Beendet die fossilen Verbrechen").

Die Umweltschutzorganisation kritisiert insbesondere den französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Er habe im letzten Jahr versprochen, Frankreich zum ersten großen Land zu machen, das sich von den fossilen Brennstoffen im Angesicht der Klimakrise verabschiede. Die Gasterminals widersprächen dieser Ankündigung.

Außerdem handele es sich bei dem Gas größtenteils um US-amerikanisches Frackinggas, das mit sehr schmutzigen und energieintensiven Methoden aus dem Schiefergestein freigesetzt werden muss. Aufgrund der schädlichen Auswirkungen auf das globale Klima, die Gesundheit und Umwelt der lokalen Gemeinschaften hat Frankreich Fracking im eigenen Land verboten, importiere es jetzt aber aus den USA.