Geoengineering in der Klimakrise: Kühler in den USA, heißer in Europa?
Eine Technik, die erprobt wird, könnte Temperaturen in Kalifornien senken – aber Nebeneffekte in Europa haben. Studie alarmiert mangels Regeln.
"Technologieoffenheit" ist ein Stichwort, auf in Deutschland öfter von FDP und Unionsparteien zu hören ist, wenn es um Klimaschutz-Maßnahmen geht. Gemeint sind hier meist "klimafreundliche Kraftstoffe", die Entfernung von bereits emittiertem CO2 aus der Atmosphäre – oder nicht näher benannte Maßnahmen in der Zukunft, um emissionsbedingte Klimaschäden zu beheben und die Erde künstlich wieder abzukühlen.
Letzteres meint Geoengineering – und dies war bisher stark tabuisiert, weil Risiken und Nebenwirkungen schwer einzuschätzen sind. Die Geschwindigkeit, mit der der die globalen Temperaturen in letzter Zeit anstiegen, hat aber einige Forschungseinrichtungen und private Organisationen dazu veranlasst, sich dem Thema zu widmen.
Geoengineering mit Risiken und Nebenwirkungen
So bleiben auch Risikoanalysen bleiben nicht aus: Eine Geoengineering-Technik, mit der die hohen Temperaturen in Kalifornien gesenkt werden sollen, könnte unbeabsichtigt Hitzewellen in Europa verstärken. Dies geht aus einer Studie hervor, die kürzlich im Fachmagazin Nature veröffentlicht wurde und über die der britische Guardian am Freitag berichtete.
Für die Studie mit dem Titel "Verminderte Wirksamkeit der regionalen Meereswolkenaufhellung in einer wärmeren Welt" wurden auch unbeabsichtigte Folgen solcher regionalen Eingriffe modelliert – mit einem Ergebnis, das Fragen aufwirft: nach globaler Gerechtigkeit und einem verbindlichen Regelwerk.
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Die Autoren der Studie nannten dieses Ergebnis "beängstigend", da es weltweit nur wenige oder gar keine Vorschriften gibt, um regionale Anwendungen einer Technik der marinen Wolkenaufhellung zu verhindern, bei der reflektierende Aerosole (in der Regel in Form von Meersalz oder Gischt) in Stratocumulus-Wolken über dem Ozean versprüht werden, um mehr Sonnenstrahlung in den Weltraum zurück zu reflektieren.
In Australien erproben Wissenschaftler seit mindestens vier Jahren Strategien zur Aufhellung mariner Wolken, um das Great Barrier Reef abzukühlen und seine Korallenbleiche zu verlangsamen.
Gutes Klima für reiche Regionen, Desaster für den Rest?
Solche Maßnahmen zur Senkung der Temperaturen in einem bestimmten Gebiet während einer bestimmten Jahreszeit können laut der aktuellen Studie für einige Bevölkerungsgruppen vorübergehend von Vorteil sein, hat aber potenziell negative Nebenwirkungen in anderen Teilen der Welt.
Nach Ansicht von Experten können einzelne Länder, Städte, Unternehmen oder sogar wohlhabende Einzelpersonen aufgrund der unzureichenden Kontrollen kaum daran gehindert werden, ihr lokales Klima zu verändern, selbst wenn dies zum Nachteil der Bevölkerung anderer Gebiete geschieht.
"Unsere Studie ist sehr spezifisch", sagte laut Guardian Jessica Wan, die dem Forschungsteam unter der Leitung der Scripps Institution of Oceanography der University of California in San Diego angehört. "Sie zeigt, dass die Aufhellung von Meereswolken für die Westküste der USA sehr effektiv sein kann, wenn sie jetzt durchgeführt wird, aber in Zukunft könnte sie dort unwirksam sein und Hitzewellen in Europa verursachen."
Die Ergebnisse sollten demnach politisch Verantwortliche beunruhigen – und veranlassen, Richtlinien zu schaffen, nicht nur auf globaler, sondern auch auf regionaler Ebene, so Wan. "Wir wollen nicht, dass eine Region gezwungen ist, Geoengineering zu betreiben, um das zu bekämpfen, was ein anderer Teil der Welt getan hat, um auf Dürren und Hitzewellen zu reagieren."