German Naivität 2

Seite 9: "Sehr langes ideengeschichtliches Erbe"

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In einem Beitrag im Heute-Journal vom 13.4.2016 nahm das ZDF den hessischen Religionsunterricht genauer unter die Lupe. Zu dem Zeitpunkt lief das Projekt seit knapp 3 Jahren in den hessischen Grundschulen und sollte ab Schuljahr 2016/17 auch in den 5. Klassen eingeführt werden. Seit 2015 hatte Fuat Kurt, der sich für die Einführung stark gemacht und die hessischen Behörden durch seine Offenheit überzeugt hatte, nichts mehr damit zu tun.

In dem Beitrag wurde der Freiburger islamische Theologe Abdel Hakim Ourghi um eine Einschätzung gebeten. Der stellte kein gutes Zeugnis aus, der Unterricht sie "viel zu unkritisch", so sein Fazit. Mit Koranversen wie "Die Männer stehen eine Stufe über ihnen (den Frauen, Anm. d. Verf.)" oder "Und tötet sie, wo immer Ihr sie trefft (die 'Ungläubigen', Anm. d. Verf.)" legitimierten "die Islamisten ihre Taten", so Ourhgi. "Und ich glaube, darüber müssen wir auch unsere Schüler und Schülerinnen aufklären. Das ist unsere Aufgabe, wenn wir Interesse an einem aufgeklärten Islam haben."

Dieses Interesse scheint Doruğer, der in dem Beitrag zu seiner Haltung befragt wurde, nicht zu teilen. Im Gegenteil, er bekannte sich zu einer fundamentalen Auslegung des Korans, indem er verklausuliert als "sehr langes ideengeschichtliches Erbe" die in dem Beitrag thematisierte Geschlechterapartheid sowie die Aufstachelung zum Hass gegen die Mehrheitsgesellschaft verteidigte.

In dem ZDF-Beitrag wurde Erdoğan mit folgenden Sätzen zitiert: "Mindestens drei Kinder sollte jede Frau gebären", "Lachen in der Öffentlichkeit gehört sich nicht für Frauen"; und Diyanet wie folgt: "Auch verlobte Paare sollten in der Öffentlichkeit nicht Händchen halten", oder "Ehebruch" sei auch "mit Blicken möglich".

Doğruer wurde befragt, inwieweit sich diese Einstellungen in seinem Ditib-Landesverband widerspiegelten. "Es ist sicherlich ein anderes Familienbild, für das man (der Ditib-Landesverband Hessen, mit dem das Land Hessen eine Kooperation in Sachen Religionsunterricht einging und als dessen Vertreter der Befragte im Rundfunkrat sitzt, Anm. d. Verf.) einsteht. Aber das ist ja legitim. Dafür gibt es ja die Religionsfreiheit. Wir beziehen uns auf einen Islam. Der ein sehr langes ideengeschichtliches Erbe hat, für das auch die Diyanet einsteht".

Das Grundgesetz, das auch in Hessen gilt, garantiert die Gleichheit von Frau und Mann. Die ebenfalls darin garantierte Religionsfreiheit steht nicht über diesem verfassungsrechtlich garantierten Gleichheitsgrundsatz der Geschlechter. Demnach haben sich die Religionen in ihren Lehrmaterialien dem Grundgesetz anzupassen und nicht einem "sehr langen ideengeschichtlichen Erbe" des Islams.

Maßgeblich in diesem Land, auch in Hessen, ist das Grundgesetz und es sind nicht die Direktiven der staatlichen türkischen Religionsbehörde oder des türkischen Präsidenten. Statt also Kooperationen mit erklärten Vertreter dieses "sehr langen ideengeschichtlichen Erbes", sprich bekennenden Anhängern des fundamentalen Islams einzugehen, und diesem einen Platz im Rundfunkrat des Hessischen Rundfunks (HR) einzuräumen, sollten die hessischen Behörden sich veranlasst sehen zu prüfen, inwiefern die Aktivitäten des Ditib-Landesverbands Hessen kompatibel sind mit dem Grundgesetz, oder anders ausgedrückt: Es wäre zu prüfen, ob es sich beim hessischen Ditib-Landesverband um eine verfassungsfeindliche Organisation handelt.