Gift für die Ferien: Invasive Rotfeuerfische im Mittelmeer
Das Mittelmeer wird immer wärmer – ideale Bedingungen für einwandernde Exoten. Rotfeuerfische schaden nicht nur dem fragilen Ökosystem.
Mit seinen markanten Streifen und stacheligen Rückenflossen wird der Indische Rotfeuerfisch seit einigen Jahren immer öfter im Mittelmeer gesichtet. Eine aktuelle niederländische Studie, die im Fachblatt NeoBiota veröffentlicht wurde, untersucht, inwieweit sich der invasive Räuber in dem für ihn fremden Ökosystem bereits ausgebreitet hat.
Das Team um Davide Bottacini wertete alle verfügbaren Daten aus und befragte Tauchzentren nach Sichtungen, um die Verbreitung der Fische innerhalb der letzten zwölf Jahre zu ermitteln. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass sich der Rotfeuerfisch vor allem im östlichen Teil des Mittelmeers etabliert habe. Dies sei auch durch eine Befragung Hunderter Tauchzentren rund um das Gewässer bestätigt worden.
Die Daten anderer Studien zeigten aber auch, dass sich die Art weiter gen Westen und Norden ausbreite und nun auch in kälteren Gewässern beobachtet werde, von denen bisher angenommen wurde, dass sie für diese Art ungeeignet sei. Es sei erstaunlich, wie leicht sich die Fische an so viele verschiedene Umgebungen anpassen und auch in anderen Meeresregionen erfolgreich sein können, erklärt Davide Bottacini.
Gift verursacht Schmerzen und Krämpfe
Die rund 40 Zentimeter langen Fische tragen auffälligen vertikale rot-weißen Streifen am ganzen Körper. Die langen Brustflossenstacheln legen sich wie ein Fächer um den ganzen Fisch. In den langen Stacheln der Rückenflosse befindet sich ein sehr starkes Gift, ähnlich dem der Kobra.
Bei einem Stich könne es zu brennenden bis hin zu unerträglichen Schmerzen im Bereich der Einstichstelle und starken Schwellungen kommen. In ernsten Fällen drohten Atembeschwerden, Kreislaufkollaps und Ohnmacht, seltener komme es auch zu Todesfällen.
Rotfeuerfische fressen das Mittelmeer leer
Wie Magenuntersuchungen der University of Hawaii in Manoa ergaben, fressen Rotfeuerfische dutzende verschiedene Fisch- und Krebsarten. Weil ein Weibchen im Jahr bis zu zwei Millionen Eier legt, vermehren sich die gefräßigen Raubfische derartig rasant, dass sie innerhalb kürzester Zeit ein Riff leer fressen können.
Weil sie oft so lange fressen, bis eine lokale Beutefisch-Population komplett ausgerottet ist, können sie zur potenziellen Bedrohung für die lokale Fauna werden. Einige ihrer Beutefische zum Beispiel ernähren sich von Algen und sorgen somit dafür, dass die Riffkorallen nicht überwuchert werden. Fehlen diese Arten, sterben die Korallen über kurz oder lang ab. Infolgedessen stirbt das ganze Riff.
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Die Räuber fressen in großem Umfang einheimische – auch endemische – Arten und bedrohen damit deren Existenz. Denn weil diese Fische nicht an die Räuber gewöhnt seien, nähmen sie in der Regel nicht Reißaus. Allerdings stehen Langzeituntersuchungen über Auswirkungen an den Fischbeständen noch aus.
Die bis zu 45 Zentimeter langen Tropenfische mit ihrer stacheligen Rückenflosse und ihrem markanten Streifenmuster sind in Aquarien sehr beliebt. Doch in freier Wildbahn verursachen sie große Schäden in allen Gewässern, die sie erobern. So wurde auf den Bahamas zwischen 2004 und 2010 ein steigender Rotfeuerfischbestand mit einem Rückgang seiner Beutetierarten in Verbindung gebracht.
Rotfeuerfisch-Population explodiert
Rotfeuerfische produzieren jährlich zwei Millionen Eier. Während die Erwachsenen standorttreu sind, lassen sich die winzigen Larven mit der Strömung treiben und gelangen so in immer neue Regionen. Zudem können sie mit dem Ballastwasser von Schiffen verfrachtet werden. Dabei profitiert die Art davon, dass sich das Mittelmeer weiter aufheizt, denn das verbessert ihre Lebensbedingungen.
Normalerweise leben Rotfeuerfische im Westpazifik, im Indischen Ozean und im Roten Meer, wo ihre Feinde und Konkurrenten, wie zum Beispiel Zackenbarsche, die Population in Zaum halten.
In der Karibik – wie auch im Mittelmeer – haben sie aber keine Fressfeinde, denn hier haben Raubfische noch keine Strategie entwickelt, wie sie die giftigen Stacheln umgehen können. Wie Daten aus dem westlichen Atlantik zeigen, ging die Biomasse heimischer Arten um bis zu 65 Prozent zurück, nachdem die eingewanderten Feuerfische intensiv Jungfische jagten und fraßen. Auch im Atlantik haben sie keine natürlichen Feinde.
Von Tauchern gejagt, im Restaurant serviert
Umweltschützer und Sporttaucher jagen die Rotfeuerfische mittlerweile gezielt mit Harpunen und erbeuten dabei riesige Mengen. So werden in Fang-Wettbewerben Taucher, die die meisten Exemplare erbeuten, beispielsweise in Florida mit Geldprämien in Höhe von mehreren Tausend Dollar belohnt. Zudem wird Rotfeuerfisch auf den Speisekarten diverser Restaurants angeboten. Es ist, als wolle man Kakerlaken bekämpfen, erklärt der Biologe Mark Vermeij, der auf Curaçao gegen die tierischen Invasoren kämpft. Die Population könne eingedämmt, aber nicht ausgerottet werden.
Bei der Verfolgung und Meldung von Rotfeuerfisch-Sichtungen spielen Bürgerinitiativen und Privatpersonen eine wichtige Rolle, denn sie liefern wertvolle Daten für laufende Forschungsarbeiten.
Vom Zierfisch zum gefräßigen Meeresräuber
Die beiden Feuerfischarten Pterois miles und P. volitans gehören zu den Meeresfischen, die weltweit am meisten expandieren. Genetische Analysen lassen darauf schließen, dass in den 1980er Jahren vor der Küste Floridas – entweder aus Versehen oder absichtlich – etwa ein Dutzend der Fische aus Aquarien ins Meer gelangt ist.
Seitdem ist die Population regelrecht explodiert. Die Fische breiteten sich entlang des Atlantiks und des Golfs von Mexiko bis an die karibischen Küsten aus. Seit Rotfeuerfische an der Ostküste der USA auftauchten, verschlingen die gefräßigen Räuber in den Korallenriffen von North Carolina bis Venezuela jedes Jahr Unmengen anderer Fische.
Das erste Tier im Mittelmeer wurde 1991 an der Küste Israels gefangen, die nächsten Rotfeuerfische erst 21 Jahre später vor dem Libanon. 2015 wurden mehrere Exemplare vor den Küsten der Türkei, Zyperns, Griechenlands und Italiens gemeldet. Beobachtungen zufolge eroberten die Fische die gesamte Ägäis und wandern an der Westküste Griechenlands entlang nach Norden.
2023 erreichten sie Albanien, sogar vor Korsika wurden sie beobachtet. Einzelne Funde stammen aus kroatischen, sizilianischen und maltesischen Gewässern. In ihrem neuen Lebensraum siedeln Rotfeuerfische fünf bis fünfzehn Mal dichter als in ihrer Heimat, wie es in einer Studie im Wissenschaftsmagazin Nature von 2014 hieß.
Mediterrane Arten wandern weiter nach Norden
In den warmen Gewässern gibt es inzwischen fast tausend nicht heimische Arten, die sich jedes Jahr weiter nach Norden und Westen ausbreiten. So liegt die Erwärmung im östlichen Mittelmeer, dem heißesten Bereich des Mittelmeer-Beckens, weit über dem globalen Durchschnitt. In der Folge wandern immer mehr invasive tropische Arten wie Kaninchenfisch, Hasenkopf-Kugelfisch und der Glatte Flötenfisch in das Mittelmeer ein.
Die exotischen Arten überleben inzwischen auch in Regionen, die noch vor wenigen Jahren zu kalt für sie gewesen wären. Dabei verdrängen sie die einheimischen Arten. So stehen der Adriatische Stör und der Tiefsee-Kardinalfisch am Rande des Aussterbens. Zudem fressen die Invasoren artenreiche Algenwälder ab.
Laut WWF ist die Biomasse dann 44 Mal geringer als in Algenwäldern. So entwickeln sich die Algenwälder, die eigentlich wahre Kohlenstoffsenken sind, zu degradierten Landschaften. Auch Seegraswiesen, die ebenfalls Kohlenstoff speichern und Lebensraum für etwa 20 Prozent aller mediterranen Arten bieten, werden von den Invasoren abgefressen.
Sterbende Weichkorallen und Fächermuscheln
Gorgonien, die bedeutendsten Weichkorallen im Mittelmeer, bieten wichtige Lebensräume und Aufwuchsgebiete für viele Arten. Auch sie sterben immer schneller mit steigenden Temperaturen. Wo sie absterben, entsteht Raum für invasive Arten.
Auch Krankheitserreger finden im sich erwärmenden Mittelmeer ideale Bedingungen: 2016 befiel der Parasit Haplosporidium pinnae die Fächermuschel Pinna nobilis, die größte endemische Muschel im spanischen Mittelmeer, so dass es zu einem Massensterben kam. Inzwischen sind alle Bestände betroffen, und die Art wurde 2019 von der IUCN (International Union for Conservation of Nature) als vom Aussterben bedroht eingestuft. Zudem treten immer öfter Massenplagen wie Quallen auf.
Schutzgebiete könnten helfen
Obwohl das Mittelmeer nur 0,3 Prozent des globalen Ozeanvolumens ausmacht, beherbergt es mehr als sieben Prozent aller bekannten Meeresorganismen und ist Lebensraum für eine Vielzahl endemischer Fischarten. So entdeckten Biologen bei ihren Tauchgängen und in Fischernetzen mehr als 650 Fischarten.
Zudem ist es ein wichtiges Laichgebiet für Organismen, die nicht in der Nähe des Meeresbodens, sondern im freien Wasser leben. Doch Überfischung, Nährstoffeinträge, Lebensraumzerstörung und Erwärmung setzen der Meeresfauna stärker zu als je zuvor.
In einem 2020 veröffentlichten Sachstandsbericht warnten das UN-Umweltprogramm sowie diverse Organisationen vor weiteren Klima- und Umweltveränderungen im Mittelmeer. Der WWF fordert ein Netz aus Meeresschutzgebieten. Bis 2030 sollen sie 30 Prozent des gesamten Mittelmeers abdecken. Greenpeace fordert schon länger, bestimmte Regionen im Mittelmeer unter Schutz zu stellen.
Etwaige Kosten sollten dabei keine Rolle spielen: So hat es sich der 2015 gegründete Fonds "MedFund" der Fondation Prince Albert II de Monaco hat es sich zur Aufgabe gemacht, Schutzgebiete im Mittelmeerraum zu finanzieren.
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