Großbritannien soll beim Klonen von Stammzellen führend werden

Die Royal Society empfiehlt die Förderung der Forschung mit menschlichen Stammzellen, schlägt aber einen pragmatischen Weg zur Vermeidung von moralischen Problemen vor

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In den USA wurde bereits von der University of Wisconsin-Madison eine Bank für embryonale Stammzellen gegründet, um die Forscher weltweit mit diesem knappen Gut zu versorgen (Handel mit menschlichen Stammzellen). Zu erwarten ist ein riesiger Markt, wenn man denn einmal wirklich nach Belieben bestimmte Zellen oder gar ganze Organe zum Transplantieren züchten könnte. Nun hat auch die altehrwürdige Royal Society die britische Regierung aufgefordert, die Forschung mit Stammzellen für das sogenannte therapeutische Klonen stärker zu fördern. Großbritannien soll bei der Erforschung der medizinischen Möglichkeiten des Klonens eine führende Rolle spielen.

Therapeutisches Klonen, so die Empfehlung der Royal Society, könnte einen weiten Bereich medizinischer Behandlungen revolutionieren. Richard Gardner, der Vorsitzende der Expertengruppe, die den Bericht für die britische Regierung verfasst hat, nennt als Anwendungsbereiche für Stammzellen unter anderem: "Organe, die durch Verletzungen oder Krankheiten beschädigt sind, müssen nicht immer ersetzt werden, und eine Wiederherstellung wäre möglich, wenn eine geeignete Quelle für Zellengewebe vorhanden wäre. Stammzellen sind eine mögliche Quelle für solche Gewebe." Anwendungen gäbe es auch bei vielen Krankheiten. Schon letztes Jahr wurde von der britischen Human Fertilisation and Embryology Authority vorgeschlagen, für therapeutisches Klonen, also für die Züchtung von Zellgeweben aus embryonalen Zellen, Embryonenforschung zuzulassen, was beispielsweise in Deutschland (noch) strikt verboten, in den USA aber möglich ist, auch wenn es bislang für die Forschung keine staatlichen Gelder gab. Das könnte sich aber bald ändern, denn im Wettbewerb um die Sicherung der Pfründe für die medizinische Verwendung von menschlichen Stammzellen geht es schließlich darum, wer der erste ist und sich das geistige Eigentum an Verfahren und Produkten sichert. Zum Zwecke des therapeutischen Klonens haben sich Forscher des Roslin-Instituts beim britischen Patente bereits die ersten Patente bewilligen lassen, die explizit auch genveränderte menschliche Stammzellen und geklonte Embryos einschließen (Erste Patente für Klonverfahren).

Die Arbeitsgruppe der Royal Society war sich wohl gewärtig, dass beim heiklen Thema des Klonens von menschlichen Stammzellen, zumal wenn sie aus abgetriebenen oder für die In-Vitro-Fertilisation nicht mehr gebrauchten Embryos stammen, schnell öffentlicher Protest aufkommen könnte, wie dies unlängst beim angeblich versehentlich vom Europäischen Patentamt gewährten Patent auf die Herstellung von genveränderten Stammzellen und die daraus entstehenden Produkte in Deutschland geschehen ist. Um der Kritik die Spitze zu brechen, wird vorgeschlagen, vor allem die Möglichkeit der Einrichtung von Banken für eingefrorene Stammzellen zu überprüfen, aus denen sich die Wissenschaftler dann bedienen können. Gelagert werden sollen hier vornehmlich Stammzellen, die man aus dem Gewebe von erwachsenen Menschen und aus der Nabelschnur oder der Plazenta gewinnt. Diese Stammzellen können sich zwar nicht zu allen Zellarten entwickeln wie die embryonalen Zellen, seien aber leichter und ohne ethische Probleme zu erhalten.

Stammzellen aus dem Blut, aus den Knochen und Muskeln oder aus anderen Organen haben aber auch den Vorteil, das sie wahrscheinlich schneller gezüchtet und medizinisch eingesetzt werden können als embryonale Stammzellen, deren Züchtung zu bestimmten Körperzellen trotz einiger anfänglicher Erfolge (Zell- oder Organersatz auf Bestellung?) womöglich in ferner Zukunft liegt. Entscheidend sei dabei auch zu erforschen, wie sich der Zellkern von Stammzellen so umprogrammieren ließe, dass sie zu anderen Körperzellen heranwachsen.

Auch wenn also die Royal Society die Forschung an menschlichen Stammzellen, indirekt auch an embryonalen Stammzellen und deren Klonen befürwortet, aber aus pragmatischen Erwägungen heraus die Arbeit mit Stammzellen aus erwachsenem Gewebe favorisiert, so hat sie doch für sich auch einen Notausgang offen gelassen. Betont wird, dass man bei der Forschung mit Stammzellen Vorsicht walten lassen solle und dass diese überhaupt erst in den Anfängen findet, man also noch nicht wirklich weiß, ob sich die Erwartungen wirklich erfüllen lassen: "Die Technik des therapeutischen Klonens bleibt wahrscheinlich in der absehbaren Zukunft ineffizient, und sie bringt ernsthafte Sicherheitsprobleme mit sich."

Doch der Zug, so lässt sich die Befürwortung der Forschung verstehen, ist bereits abgefahren, und wer nicht aufspringt, bleibt im Zukunftsmarkt mit leeren Händen zurück: Moralische Inseln gibt es nur auf Zeit. Wer sich auf ihnen einschließt, wird zum Verlierer in einem Prozess, der sich trotz aller noch bestehenden ethischen Bedenken durchsetzen wird, weil die Versprechungen ökonomisch und medizinisch einfach zu groß sind. Mal schauen, wie schnell auch in Deutschland das Embryonenschutzgesetz aus eben diesen Gründen angenagt wird. Allerdings ist der Versuch, gerade beim Menschen als letzte Grenze die "Natürlichkeit" beizubehalten (Zur Diskussion um das Klonen von Menschen), nicht wirklich einzusehen, wenn das Leben um ihn herum immer künstlicher wird. Vielleicht sollten sich die Gegner weniger auf den zweifelhaften Erhalt des natürlichen Zufalls der Evolution beim Menschen konzentrieren, sondern entschiedener die Eigentumsfrage angehen. Die scheint wesentlicher brisanter zu sein, und wenn nur deswegen, weil sie weitere offene Forschung behindern kann, die nicht nur den Shareholdern dient, sondern neue Möglichkeiten für die biologische Zukunft des Menschen schafft. Warum sollten die Menschen ausgerechnet für sich selbst nicht die Verantwortung übernehmen können?