"Harter Schlag" für Spaniens Tourismusindustrie

Barcelona weitgehend leer. Foto: Ralf Streck

Da in Spanien auch offiziell die Corona-Infektionszahlen steigen, schicken diverse Länder Rückkehrer aus Spanien in die Quarantäne

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Da sich das Coronavirus im spanischen Staat seit Wochen wieder munter ausbreitet, haben diverse Länder zu Maßnahmen gegriffen. Ganz besonders sticht hierbei Großbritannien hervor. Obwohl auch dieses Land selbst weiterhin etliche Ansteckungen verzeichnet, hat das Königreich nun für alle Rückkehrer aus Spanien eine Quarantäne von 14 Tagen verordnet.

Für die spanische Tourismusindustrie ist das ein Rückschlag, denn Briten sind die größte Touristengruppe im Urlaubsland. Wer fährt schon gerne in ein Land, wenn man nach der Reise 14 Tage eng abgeschirmt verbringen muss.

Im Nachgang hat der große Tour-Anbieter TUI-UK, der größte im Land, vorläufig bis zum 9. August alle Flüge von Großbritannien auf das spanische Festland gestrichen. Auch Reisen danach sind nicht sicher, die Reisenden werden bis zum Monatsende informiert, ob sie durchgeführt werden. Flüge und Pauschalreisen auf die Balearen und Kanaren werden noch angeboten. Die spanische Regierung verhandelt mit den Briten darüber, die Balearen- und Kanareninseln auszunehmen. Doch das weckt Begehrlichkeiten und bringt Streit. Nun fordern auch Valencia und Andalusien, dass Madrid in London durchsetzen soll, auch diese Regionen auszunehmen.

Die Tourismusindustrie, die gerade wieder am Anlaufen war, wertet das vor allem für die Gebiete, die besonders von britischen Urlaubern besucht werden, als "harten Schlag". Das sei wie eine "kalte Dusche", erklärte der Präsident des Verbands der Tourismusunternehmer Hosbec Toni Mayor. Man sei zwar weit entfernt von einer normalen Situation gewesen, hatte aber auf eine Normalisierung in den nächsten Wochen und Monaten gehofft.

Großbritannien nicht allein mit seiner Entscheidung

Die wird es so nicht geben. Und ob die Briten die Inselgruppen, wie in Spanien erhofft, ausnehmen, ist stark zu bezweifeln. Vielmehr denkt die Regierung in London sogar darüber nach, die Quarantäne insgesamt auch auf Reisende aus Frankreich und Deutschland auszuweiten. "Wenn wir sehen, dass die Zahlen in einem Land hochgehen, wo im Moment kein Quarantänebedarf besteht, würden wir Maßnahmen ergreifen müssen, weil wir nicht riskieren dürfen, dass das Coronavirus erneut in Großbritannien verbreitet wird", erklärte die Gesundheitsstaatssekretärin Helen Whately mit Blick auf beide Länder. Man müsse die Situation im Auge behalten.

Tatsächlich ist Großbritannien nicht allein mit seiner Entscheidung. Auch Norwegen schickt Rückkehrer aus Spanien in eine Quarantäne, allerdings nur 10 Tage. Belgien hat seinen Landsleuten Reisen in von der Pandemie besonders betroffenen Regionen Lleida in Katalonien und Huesca in Aragón verboten. Frankreich warnt seine Landsleute vor Reisen nach ganz Katalonien, da auch außerhalb Lleidas steigende Ansteckungsraten verzeichnet wurden.

"Bedeutsamste 10 Tage"

Der katalanische Präsident Quim Torra hat gerade am Montag angekündigt, dass es erneut verschärfte Maßnahmen auch im Großraum Barcelona geben werde, wenn sich die Lage in 10 Tagen nicht verbessert. Schon jetzt bleiben Diskotheken geschlossen und die Bevölkerung wird aufgefordert, die Wohnungen so wenig wie möglich zu verlassen. Torra sprach von den "bedeutsamsten 10 Tagen" in diesem Sommer, denn man sei mit einer ähnlichen Situation wie vor dem Lockdown im März.

Er forderte die Bevölkerung zu einer "kollektiven Anstrengung" auf, um die Lage im Griff zu behalten. Das ist allerdings angesichts der Touristen in Barcelona, die sich oft nicht an die vorgeschriebenen Maßnahmen wie Maskenpflicht halten, nicht einfach. Torra schließt deshalb einen neuen Lockdown nicht aus, bezeichnet Katalonien aber wegen der getroffenen Maßnahmen als "sicher" für einen "verantwortungsvollen Tourismus".

Allerdings, nur weil Katalonien schnell wieder auch drastische Maßnahmen wie in Lleida ergriffen hat, heißt das nicht, dass die Lage in Katalonien besonders schlimm ist. Es heißt vielmehr, dass die Lage von den Verantwortlichen ernst genommen und Zahlen nicht geschönt werden.

Irreführende Fixierung auf Infektionszahlen

Denn die Fixierung auf Infektionszahlen, die allseits weiter vorherrscht, eröffnet nur Schummlern Tür und Tor. Das kann gerade (erneut) in Madrid betrachten werden, wo die Rechtsregierung erneut besonders sorglos vorgeht, noch immer keine Maskenpflicht besteht, wie in weiten Teilen Spaniens. Und in der Region Madrid war man auch besonders rigoros in der Pandemie.

Wenige Touristen auf den Ramblas, oft aber ohne Masken trotz Maskenpflicht. Nachts fallen grölende Franzosen auf. Foto: Ralf Streck

Tausenden alten Menschen wurden in Alten- und Pflegeheimen die medizinische Versorgung verweigert. Sie sind zum großen Teil weggestorben. Fast ein Fünftel aller Bewohner von Altersheimen verstarb in der Region Madrid, fast 8000 von knapp 43.000 Bewohnern. Und man hat im Frühjahr auch nichts getan, um zu verhindern, dass das Virus aus dem zentralen Infektionsherd ins ganze Land verteilt wurde.

Nun muss man vermuten, dass Madrid zu wenig und falsch testet, um keine Infektionszahlen zu bekommen, die schlechte Nachrichten machen. Denn wegen der Fixierung auf festgestellte Infektionen sind scheinbar so lange keine durchgreifenden Maßnahmen nötig, solange die Infiziertenzahlen relativ niedrig sind. Höhere Zahlen würden den Tourismus und die Wirtschaft belasten, was die neoliberale Regierung natürlich nicht will.

Löst man sich von der Zahl neuer Infektionen und vergleicht dagegen die Zahl der Covid-Einweisungen in Krankenhäuser, liegt die Region Madrid noch deutlich vor Katalonien. Das fällt auch spanischen Medien auf. "Das Rätsel, warum Madrid mehr Einweisungen in Hospitäler hat, bei vier Mal weniger nachgewiesenen Fällen", wird getitelt.

Ein großes Rätsel ist das allerdings nicht, denn Madrid führt auch kein vernünftiges Tracking durch und untersucht die Infektionsketten nicht wirklich. Nur knapp 200 Personen sind in der großen Region damit beschäftigt, die wie keine andere vom Virus heimgesucht wurde. Offiziell wurden allein in Madrid fast 8.500 Opfer verzeichnet, allerdings die Toten in Altenheimen ausgeklammert, weshalb die reale Zahl etwa doppelt so hoch ist. In Katalonien sind dagegen etwa 800 Menschen mit der Nachverfolgung beschäftigt, weshalb dort natürlich auch deutlich mehr Positive festgestellt werden.

Schaut man sich die letzten offiziellen Zahlen (vom 24.) des spanischen Gesundheitsministeriums an, dann wird klar, dass Madrid in den letzten sieben Tagen mit 54 Fällen deutlich mehr Einweisungen und Krankenhäuser hatte als Katalonien (34). Die Dunkelziffer der Infektionen muss deshalb in Madrid hoch sein. Und Katalonien liegt bei Einweisungen nur leicht über Andalusien (31), das sich als weitgehend "sauber" zu verkaufen versucht.

Auch dort werden, wie in Madrid, nur relativ wenige Ansteckungen festgestellt und dort, das ist sicher kein Zufall, regiert auch die Rechtskoalition Volkspartei (PP) und Ciudadanos (Cs) unter Duldung der ultrarechten VOX.

An Spitze bei Einweisungen in Krankenhäuser liegt allerdings Aragon mit 83. Die Zahl korreliert, wie in Katalonien, viel klarer mit den festgestellten Infektionen, weshalb sie glaubwürdiger ist als Daten aus Madrid oder Andalusien. Diese Zahl ist aber fatal, da die Region nicht einmal ein Viertel der Bevölkerung Kataloniens aufweist.

Aber auch Valencia, das sich ebenfalls als weitgehend sauber darzustellen versucht, ist die Lage auch nicht sonderlich gut mit 28 Einweisungen in den letzten 7 Tagen. Setzt man die Einwohnerzahl Valencias ins Verhältnis zu Katalonien, hat Valencia im Vergleich sogar mehr Einweisungen.