Hitzefrei gibt es nicht – weder im Homeoffice noch an der Werkbank

Hitzegplagter lehnt Arbeit ab

Hitze belastet viele Beschäftigte. Klare Regeln für Hitzeschutz am Arbeitsplatz fehlen. Doch was können Arbeitnehmer tun, wenn die Temperaturen steigen?

Hohe Temperaturen belasten viele Menschen. "Der Klimawandel und seine Folgen werden vor allem in unseren Städten in den Sommermonaten deutlich spürbar", erklärt Bundesbauministerin Klara Geywitz.

Das letzte Jahr war das bisher wärmste Jahr in Europa seit dem Beginn regelmäßiger Messungen. Europa ist der Kontinent, der sich am schnellsten erwärmt. Der Temperaturanstieg beträgt fast das Doppelte des weltweiten Anstiegs. Gleichzeitig gibt es aufgrund der demografischen Entwicklungen deutlich mehr Risikopersonen.

Das führt dazu, dass die Gesundheitsgefahren durch Hitze in Deutschland besonders hoch sind. So zeigt eine aktuelle Studie, dass etwa 10 Millionen Beschäftigte während Hitzewellen stark belastet sind. Zudem muss auch Deutschland sich in Zukunft auf deutlich gefährlichere meteorologische Hitzeszenarien einstellen,

erklärt die Initiative "Deutschland hitzeresilient machen – wir übernehmen Verantwortung", zu der die Bundesärztekammer und der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherungen zählen.

Hitzewellen in den Betrieben

Dies wirkt sich auch in den Betrieben aus. Tipps für Beschäftigte gibt es viele. Es hilft ausreichend zu trinken, in den frühen Morgenstunden zu lüften und die kühleren Stunden für Aufgaben zu nutzen, rät Stephan Sandrock vom Institut für angewandte Arbeitswissenschaft (ifaa) in Düsseldorf. Und empfiehlt: "Verzichten Sie möglichst auf koffeinhaltige Getränke: Sie sind schweißtreibend"

Warnung vor Hitzeerschöpfung oder Hitzekollaps

Allerdings reichen Verhaltensänderungen der Beschäftigten nicht aus. Gesetzlicher Arbeitsschutz betrifft immer auch Pflichten der Unternehmen. Doch auch wenn die Hitze belastend ist: Auf ein verbrieftes Recht auf Hitzefrei können sich Arbeitende nicht berufen.

Die Probleme jedoch sind auch behördlich bekannt. Die gesundheitlichen Belastungen nehmen bei steigenden Temperaturen zu. Vor "Gesundheitsstörungen durch Hitze" warnt etwa die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAUA).

In einem überwärmten Büroraum können gesundheitliche Störungen, wie Hitzeerschöpfung oder Hitzekollaps auftreten:

• Hitzeerschöpfung ist die Reaktion des Körpers auf einen übermäßigen Verlust von Wasser und Salzen, die im Schweiß enthalten sind. Werden diese Verluste nicht ausgeglichen so kann es zu Symptomen wie Schwäche, blassgrauer feuchtwarmer Haut, Muskelkrämpfen, Übelkeit und Schwindel, Verwirrtheit, Fieber, Kreislaufkollaps oder Bewusstlosigkeit kommen.

• Ein Hitzekollaps wird durch eine vermehrte Durchblutung der Haut zur Wärmeabgabe bei anhaltender Hitze und einer damit verbundenen kritischen Blutdrucksenkung hervorgerufen. Dabei wird die Hirndurchblutung so vermindert, dass es zu kurzfristiger Bewusstlosigkeit und zum Kollaps kommen kann.

BAUA

Komplexe Suche nach rechtlichen Vorgaben

Die Suche nach Grenzwerten gestaltet sich für Beschäftigte schwierig. Denn Regeln finden sich nicht im Arbeitsschutzgesetz, sondern in der Arbeitsstättenverordnung und der Technischen Regel für Arbeitsstätten (ASR).

Beim Büroarbeitsplatz hat das Unternehmen für eine "gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur" zu sorgen: Belastungen durch Hitze, aber auch Kälte sind zu vermeiden. Die Regelungen lassen erkennen, dass kein hitzefrei vorgesehen ist. Stattdessen hat das Unternehmen Schutzmaßnahmen zu ergreifen, z. B. effektive Steuerung des Sonnenschutzes und der Luftkühlungseinrichtungen, Lüftung in den frühen Morgenstunden und Ausschalten nicht benötigter elektrischer Geräte.

  • Bei der Raumtemperatur kann die Technische Regel für Arbeitsstätten (ASR) A3.5 weiterhelfen:
  • Bei Überschreitung einer Lufttemperatur im Raum von 26 Grad hat der Arbeitgeber für Sonnenschutz zu sorgen.

Bei über 30 Grad Hitze im Büro sind zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen, beispielsweise angepasste Arbeitszeiten oder vom Arbeitgeber bereitgestellte Getränke.

Seine Rechte durchzusetzen ist für den Einzelnen schwierig: "Arbeitgeber und Beschäftigte müssen im gegenseitigen Einvernehmen durch geeignete Maßnahmen situativ handeln", erklärt die BAUA. Welche Konsequenzen ein Nichthandeln der Unternehmensseite hat, lässt die Bundesanstalt offen.

Hohes Risiko beim Verweigern der Arbeit wegen Hitze

Zwar können Betroffene argumentieren, dass das Unternehmen eine arbeitsvertragliche Pflicht verletzt und der Arbeitende daher ein Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitsleistung geltend machen kann (§ 273 BGB).

Die Vorschriften bedeuten jedoch nicht, bei über 26 Grad im Betrieb nach Hause gehen zu dürfen. Denn eine Sollvorschrift ("soll 26 Grad nicht überschreiten") ist nicht zwingend, sondern eine arbeitswissenschaftliche Empfehlung.

Verweigert der Beschäftigte die Arbeit aufgrund der Hitze, geht er ein hohes Risiko ein. Denn im Streitfall würde ein Gericht überprüfen, ob das eine Kündigung rechtfertigt.

Andere Möglichkeiten hat der Betriebsrat. Über sein Mitbestimmungsrecht kann er Maßnahmen des Arbeitsschutzes vorantreiben. Zentral ist dabei die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung. Sie ist im Arbeitsschutzgesetz festgeschrieben und soll Gefahren aus Sicht der Beschäftigten ermitteln.

Dabei muss der Betrieb prüfen, welche Gefahren für die Gesundheit der Beschäftigten bestehen – etwa Hitze. Und dann ist festzulegen, welche Gegenmaßnahmen erforderlich sind. So könnte der Betriebsrat mit der Unternehmensleitung über Maßnahmen gegen die Hitze streiten und Gegenvorschläge über ein Einigungsstellenverfahren zum Thema machen.

Dies setzt aber engagierte Interessenvertreter voraus und erfolgt per "Häuserkampf" über Auseinandersetzungen in dem einzelnen Betrieb. Eine klare Vorgabe für jede Arbeitsstätte wäre leichter durchsetzbar.

Beim Homeoffice sieht es nicht besser aus: Hitzefrei muss das Unternehmen nicht geben, zumal viele Betriebe das Arbeiten zu Hause als "mobile Arbeit" bezeichnen. Denn gesetzlich sind Telearbeitsplätze "vom Arbeitgeber fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich der Beschäftigten" (§ 2 Abs. 7 Arbeitsstättenverordnung). Dies setzt eine Ausstattung mit Arbeitsmitteln durch das Unternehmen am häuslichen Arbeitsplatz und eine Gefährdungsbeurteilung voraus.

Bundesregierung belässt es bei Vorschlägen

"Es ist unsere Pflicht als Ärztinnen und Ärzte, die gesundheitlichen Auswirkungen des Klimawandels darzulegen und Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit nicht nur zu fordern, sondern aktiv zu unterstützen", erklärt Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, und fordert ein Handeln der Politik. Die Bundesbauministerin Geywitz fordert beispielsweise in einer "Hitzeschutzstrategie":

  • Mehr Raum für Grün schaffen, das für Abkühlung sorgt,
  • die Verschattung besonders hitzebelasteter Orte und
  • ausreichend Wasser für dichte Baumkronen, die in den Städten Schatten bilden und durch Verdunstung kühlen.

Eine klare Regelung zum Schutz vor Hitze am Arbeitsplatz fehlt in der Vorschlagsliste.