Implantierbare Chips: das neue ID-Verfahren?

In den USA kann Applied Digital Solutions den "VeriChip" nun ohne Genehmigung der FDA auf den Markt bringen, wenn er nicht zur Beschaffung medizinischer Informationen dient

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Im Mai dieses Jahres hatte Applied Digital Solutions (ADS) die Genehmigung von der zuständigen Food and Drug Administration (FDA) die Genehmigung erhalten, ihren VeriChip mit einer ID-Nummer in Menschen zu implantieren, solange dieser keine medizinischen Informationen enthält. Nun hat die Behörde entschieden, dass unter dieser Voraussetzung auch für den kommerziellen Vertrieb des Chips keine Genehmigung erforderlich ist. Damit könnte, wenn denn ein entsprechender Bedarf bestünde, die Massenproduktion für in Menschen eingebetteten Chips beginnen.

Mit der Aktion, ein Ehepaar mitsamt seinem 14-jährigen Sohn als "Pioniere" mit diesen Chips zu versorgen, hatte das Unternehmen zumindest einige Medienaufmerksamkeit auf sich gelenkt (Chips für die Familie). Zudem erschien ihm die auf Sicherheit orientierte Atmosphäre nach dem 11.9. dazu günstig, diese fragwürdige Technik an den Mann oder auf den Markt zu bringen. Zumindest ist der seit Frühjahr 2000 bis fast auf Null gesunkene Aktienkurs des Unternehmens nach dem 11.9. wieder ein wenig in die Höhe geschnellt. Dann ging es wieder nach unten, die Cyborg-Familie brachte sodann einen kurzfristigen Aufschwung, aber keine wirkliche Stabilität. So ganz glaubt man also an den von ADS in Aussischt gestellten Milliardenmarkt nicht.

Noch ist der implantierbare Chip relativ simpel und entspricht nicht den Versprechungen (oder Androhungen), die man vor mehreren Jahren aufgeboten hatte und die - kaum erstaunlich - zu heftiger Kritik führten (Die Digitalen Engel kommen). So sollte der Chip, genannt der "Digitale Engel", in Zukunft bestimmte Körperfunktionen messen und diese Informationen sowie den Standort der Person an der Telefessel dann an eine Zentrale übermitteln. Auf den Markt gebracht hat man als Digitale Engel inzwischen allerdings eine Uhr für Menschen - gedacht wird an Kinder oder verwirrte Alte - und ein Halsband für Tiere, mit denen über das GPS der Standort des Trägers ermittelt werden kann (Der Digitale Engel ist da).

Zusammen mit der Temperatur und der Information, ob jemand plötzlich hingefallen ist, wird diese Information an eine Zentrale gesendet. Über Telefon oder Email können sich dann wieder die besorgten Überwacher informieren. Versprochen wird, dass bald weitere Biosensoren mehr Daten liefern sollen. Aber Chips, die dauerhaft implantiert werden, sind eine etwas schwerwiegendere Invasion der Privatsphäre, weswegen sie sozusagen vorerst unscheinbar daher kommen sollen.

Der 12 mm lange und 2,1 dicke VeriChip, der mit einer Kanüle unter die Haut eingeführt wird, enthält eine gespeicherte ID-Nummer, die sich mittels eines Scanners ablesen lässt (Implantierbare Chips zur Identifizierung). Der Chip benötigt dazu keine eigene Energieversorgung, da der Scanner über Radiosignal eine magnetische Spule im Chip aktiviert, wodurch die Daten übertragen werden. Mit der empfangenen ID-Nummer könnten dann über das Internet weitere Informationen über den Träger aus einer Datenbank abgerufen werden. Zunächst stellte sich ADS vor, dass für gesundheitlich gefährdete Personen in einem Notfall - so denn ein Scanner gerade vorhanden sein sollte - wichtige medizinische Daten sofort zur Verfügung stehen. Hier hat die Behörde die Verwendung des implantierten Chips zwar nicht verboten, aber sie muss genehmigt und näher bestimmt werden, wenn es dabei um Informationsbeschaffung geht, die ZUR Diagnose oder Behandlung von Krankheiten dienen.

Ein großes Geschäft witterte ADS allerdings schon früher auch in der Verwendung des implantierten Chips als Identifikationsmöglichkeit, also zur Authentifizierung einer Person. Anstatt biometrischer ID-Verfahren könnte sich nach Vorstellung des Unternehmens der Chip mit den Lesegeräten dazu eignen, die Identität von Personen beim Betreten eines Gebäudes oder für den Zugang zu Computern, Autos oder Bankautomaten zu überprüfen.

Er könnte dazu benutzt werden, den Zugang zu gesicherten Bereichen von Flugplätzen oder zu Atomkraftwerken zu kontrollieren. Man kann sicher stellen, dass jemand derjenige ist, der er zu sein behauptet.

Matthew Cossolotto von ADS

Schließlich ist das "Verchipt-Werden" (getting chipped) eine einfache Sache", die nur ein paar Minuten dauert und nur eine lokale Betäubung zur Einführung des Chips benötigt". Versprochen wird, dass das Risiko des Diebstahls, des Verlustes, des Kopierens oder Fälschens der Daten durch den implantierten Chip wesentlich vermindert oder ganz ausgeschlossen würde. Aber warum sollte gerade eine Information, nur weil sie sich in einem Chip unter der Haut befindet, sehr viel besser gegen Manipulation geschützt sein als andere biometrische Identifikationsverfahren?

Ob sich die Menschen freiwillig, um an der Kasse eines Supermarkts bezahlen, am Bankautomaten Geld holen oder einen Bereich betreten zu können, tatsächlich einen Chip implantieren werden, muss man abwarten. ADS ist jedenfalls der Hoffnung, dass die Menschen auch willens sein oder gezwungen werden, sich Chips mit GPS-Anbindung zur Lokalisierung einzupflanzen. Daher werden man nicht nur weiterhin "wearable" GPS-Uhren und andere Dinge entwickeln, die man jederzeit ablegen kann, sondern eben auch implantierbare GPS-Chips. Das Haupthindernis sei allerdings im Augenblick noch die Größe. Derzeit sei ein solches Gerät noch so groß wie Notizbuch und damit etwas unbequem unter der Haut mit sich führen.