Inflation, Energiemangel, Sanktionen: Scholz sieht "Herausforderungen"

Ist mit seinem Krisenmanagement zufrieden: Olaf Scholz. Bild: bundestag.de (Screenshot)

Themen des Tages: Die Krise erreicht den Bundestag. Die Masken fallen ein bisschen. Und Polen will Geld.

Liebe Leserinnen und Leser,

im Bundestag ging es heute um das politische Klima im kommenden Winter. Und auch wenn der kalt wird: Die Debatte dazu verlief heiß. Die Ampel-Koalition gibt der Bevölkerung etwas Maskenfreiheit, die sie sich selbst schon mal gegönnt hat. Und die polnische Rechte macht Wahlkampf mit Weltkrieg.

Doch der Reihe nach.

Winter is coming

Ziemlich testosteronschwer verlief heute die Generaldebatte im Bundestag. Die (Alpha-)Männchen Olaf Scholz, Friedrich Merz und Robert Habeck kämpften im Plenum um den Führungsposten als bester Krisenmanager. Ein "Sammelsurium an Kompromissen auf dem Niveau des kleinsten gemeinsamen Nenners", nannte CDU-Doppelchef Merz das dritte Entlastungspaket der Bundesregierung. Die Bundesregierung sei "weit davon entfernt, sachgerechte Antworten auf diese gewaltigen Herausforderungen zu geben, vor denen wir stehen".

Sachgerechte Antworten gab er zwar auch nicht wirklich, und er war irgendwie auch ein wenig einverstanden mit der Sanktionspolitik der Bundesregierung – aber so ein Rumgeeiere ist ja sein gutes Recht als Oppositionsvertreter.

Interessant war die Wortwahl von Kanzler Scholz, der sich alle Mühe gab, seine hanseatische Trockenheit zu überwinden und angriffslustig zu wirken. Es werde sicherlich "ein Winter der Herausforderungen", sagte Scholz, was etwas danach klang, dass die Regierung die zunehmenden Sorgen der Menschen hierzulande über die Folgen von Krieg und Sanktionen ernst nimmt. Die Bundesregierung, so jedenfalls Scholz’sche Selbsteinschätzung, habe dafür gesorgt, dass Deutschland gut vorbereitet sei.

Das freilich wird von Energiemarktexperten und, nun ja, der lästigen Wählerschaft mitunter krass anders beurteilt. Scholz focht das nicht an, er wischte alle Bedenken in bester MSPD-Manier mit einem Durchhalteappell an, der ein bisschen nach Volk und Vaterland klang: In schweren Zeiten "wächst unser Land über sich selbst hinaus".

So eben, wie die Rechnungen an den Supermarkt- und Tankstellenkassen.

Vom Rest der Opposition kam wenig Überraschendes. Die AfD (derzeit 13,5 Prozent in den Umfragen) will Atomkraft und Gas aus Russland. Die Linke (Umfragewert: 5,5 Prozent) will das, was sie am besten kann: Mehr Geld für Sozialleistungen fordern, ohne aber bei den wirklichen wichtigen Fragen von Krieg und Frieden irgendwie anzuecken.

Corona-Politik: Lässt die Politik die Masken fallen?

Beim zweiten großen Krisen-Thema – der Corona-Pandemie – hat man dieser Tage Déjà-vus: Sowohl die Debatte über Infektions- und Todeszahlen ("an" oder "mit") kehrt aus dem Winter 2021/22 zurück, als auch der Streit um die Maskenpflicht. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gelingt es weiterhin nicht, sich als auch nur in Grundzügen adäquate Besetzung in seinem Ressort zu behaupten.

Stand aktuell: In Flugzeugen soll die Maskenpflicht entfallen, in Bussen und Bahnen nicht. Sicher: Da wird immer auch irgendeine Erklärung nachgeliefert, hier die unterschiedliche Luftzirkulation und -filterung in den genannten Verkehrsmitteln. Nachvollziehbar ist das alles dennoch nicht.

Immerhin aber muss man der Bundesregierung zugestehen, dass sie der Bevölkerung zumindest einen Teil der Freiheiten wieder zugesteht, die sie sich selbst machtarrogant in Regierungsfliegern gegönnt hat. Sie erinnern sich? Die Leiterin des ARD-Hauptstadtstudios, Tina Hassel, war bei einem Embedded-Journalism-Flug mit einem Airbus der Flugbereitschaft unfreiwillig investigativ tätig und veröffentlichte ein Selfie, das sie und Kabinettsmitglieder in maskenfreier Unbeschwertheit zeigte.

Keine Themen im Wahlkampf? Nimm den Zweiten Weltkrieg!

Seit Jahren werden in Polen immer wieder Forderungen nach Reparationen aufgrund des Zweiten Weltkriegs und der deutschen Besatzung ausgepackt. Schon 2017 hatte eine Kommission in Warschau eine Milliardensumme präsentiert, der Chef der Rechtspopulistischen PiS, Jaroslaw Kaczynski, will nun über 100 Milliarden Euro, konkret: 1,3 Billionen Euro.

Das ist rechtlich kaum umsetzbar, bringt die Bundesregierung aber immer wieder moralisch in Bedrängnis. Denn die Bundesrepublik hat seit den 1950er-Jahren bis zum Zwei-plus-Vier-Vertrag jeden Winkelzug genutzt, um ihren Verpflichtungen zur Wiedergutmachung zu entgehen. Tatsächlich zielt Kaczynski wohl auch nicht wirklich auf einen Ausgleich der Schäden, sondern nutzt das Thema vor allem innenpolitisch.

Juristisch nämlich ist die Sache klar: Polen hat keine validen Ansprüche, bei Ansprüchen Griechenlands sieht das anders aus, vor allem wegen erpresster Kredite. Das wurde zigmal kommentiert, hier etwa vom wissenschaftlichen Dienst des Bundestags:

Während für polnische Reparationsansprüche auch im Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des polnischen Sejm selbst keine stichhaltigen juristischen Argumentationslinien zu erkennen sind, stellt sich die Situation in Bezug auf griechische Ansprüche weniger eindeutig dar. Die Position der Bundesregierung ist völkerrechtlich vertretbar, aber keineswegs zwingend.