Internetfahndung in der Schweiz

Die Genfer Polizei zeigt im Internet Bilder von Personen, die während der Proteste gegen den G-8-Gipfel Straftaten begangen haben sollen - offenbar mit Erfolg

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Die Polizei in Genf ist entschlossen, Demonstranten in der Schweiz, die während der G-8-Tagng in Evian möglicherweise Straftaten begangen haben, noch nachträglich identifizieren und ergreifen zu können. Für die Fahndung ist das Internet wieder einmal ein gutes Medium.

Auf ihrer Website hat die Genfer Polizei Fotos von Demonstrationsteilnehmern veröffentlicht, denen sie vorwirft, Straftaten begangen zu haben. Durch diese sei ein Schaden von mehreren Millionen Franken entstanden. Man beteuert, dass es keine Denunziation sei, wenn Menschen die auf den Fotos Gezeigten identifizieren können und bei der Polizei melden. Das sei Bürgerpflicht, schließlich würden die abgebildeten Personen "offiziell" beschuldigt, unterschiedliche Delikte begangen zu haben. Für die Fahndung habe man die Befugnis von einem Richter eingeholt. Das aber kann man glauben oder nicht. Der Website ist nicht zu entnehmen, welcher Straftaten die Gezeigten beschuldigt werden, noch werden die richterlichen Genehmigungen veröffentlicht. Auf den Bildern selbst ist meist nicht zu sehen, ob möglicherweise Straftaten begangen wurden.

An die 180 Strafanzeigen wegen Aufruhr, Gewalt gegen Polizisten, Sachschaden (eingeschlagene Fensterscheiben, demolierte Autos etc.) oder Diebstahl seien gestellt worden. 44 Personen habe man bereits während der Protestaktionen festgenommen, 32 weitere danach. Von diesen 32 Personen waren 23 Minderjährige. Ein Drittel der Festgenommenen, so hebt die Polizei hervor, sei ausländischer Abstammung, auch wenn alle im Kanon Genf wohnen. Wichtig findet die Genfer Polizei auch zu erwähnen, dass viele Jugendliche, die an den Ausschreitungen teilgenommen haben, dies gemacht hätten, weil sie es "amüsant" gefunden hätten, die Ordnungskräfte zu ärgern. Auch ausländische mutmaßliche Straftäter habe man identifizieren können, die von der für sie zuständigen Polizei verhört wurden.

Die Internetfahndung war offenbar bereits nach kurzer Zeit schon erfolgreich. Vier Personen sind innerhalb von 48 Stunden identifiziert worden. Die zwei in Genf lebenden Personen hätten sich schon schuldig bekannt, die andern beiden, ein 21-jähriger Freiburger und ein 23-jähriger Walliser, seien noch nicht vernommen worden. Die Fotos der Verhafteten würden von der Website entfernt und durch andere Verdächtige ersetzt.

Auch die Berliner Polizei hatte nach den Maikrawallen 2002 im Internet nach mutmaßlichen Straftätern durch Veröffentlichung von Fotos gefahndet (Berliner Polizei packt erneut das Online-Jagdfieber). Aber das könnte ein zweischneidiges Schwert sein. Zumindest hatte die Antifaschistische Aktion Berlin (AAB) daraufhin den Spieß umgekehrt und ihrerseits nach angeblich gewalttätigen Polizisten gesucht (Antifa fahndet nach "gewalttätigen" Polizisten). Die Berliner Polizei suchte, dagegen rechtlich vorzugehen, und fand schließlich im Kunsturhebergesetz ein "geeignetes" Mittel. Hier gibt es nämlich ein Verbot, das Bildnis anderer ohne deren Einwilligung zu veröffentlichen. Im April kam es dann zu einem Strafbefehl über 2000 Euro.

Im Gegenzug legte die AAB ihr Fahndungsplakat neu auf - und zwar so, dass die Gesichter mancher Polizisten, die auf dem Foto nicht kenntlich waren, über Bildverarbeitung vermeintlich kenntlich gemacht wurden (Fahndung nach der Polizei). Gefordert wird die Kennzeichnungspflicht für Polizisten.