Kampf um Kopiergebühr in Spanien
Kurz bevor dem spanischen Autorenverband SGAE weitere Millionen in die Kassen gespült werden, ermittelt die Anti-Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen sie
Erneut sorgt die hohe "Kopiergebühr" in Spanien für Aufregung. Kurz bevor sie auf weitere Geräte und Datenträger ausgeweitet wird, und dem Autorenverband SGAE noch mehr Geld in die Kassen spült, wurde diese angezeigt. Ihr werden "kriminelle Aktivitäten" beim Einsatz der Gelder über ein weit verzweigtes Firmennetz vorgeworfen. Dabei ist sie gemeinnützig sein, ein Gewinnstreben ist gesetzlich untersagt. Gewonnen haben die Netizen die Schlacht gegen die SGAE, die auch das Recht zur Sperrung von Webseiten wollte. Sie kritisiert weiter, dass "kompetente Organe", ohne richterliche Kontrolle, die Webzensur anordnen können. Dabei müsste, so Verfassungsrechtler, der Notstand ausgerufen werden, um die Meinungs- und Pressefreiheit in Spanien einschränken zu können.
Die spanischen Netizen gehen weiter gegen die Kopiergebühr vor und versuchen zu zeigen, dass mit dem "illegal" (Kopiergebühr in Spanien illegal) eingesammelten Geld, illegale gehandelt wird. Erneut wird vor allem der SGAE der Krieg erklärt. Doch bleiben die Vereinigungen der Netizen (AI und AUI) diesmal nicht allein bei ihrem Feldzug gegen den Gebührenwahn, mit dem sich die Autorenverbände an den Konsumenten schadlos halten.
Hatten sie zuvor schon Konsumentenverbände und Gewerkschaften auf ihre Seite gezogen, haben sich nun die Vereinigung von kleinen und mittleren Technologiebetrieben (APEMIT) und eine Vereinigung von Restaurationsbetrieben (VACHE) dem Protest angeschlossen, weil sie sich als Opfer der SGAE fühlen. Gemeinsam haben sie diese bei der Anti-Korruptionsstaatsanwaltschaft angezeigt. Hintergrund sind die Enthüllungen der neuen Tageszeitung Publico, die seit Wochen der SGAE ans Schienbein tritt. Es vergeht kaum ein Tag, an dem Publico nicht über Vorgänge in und um die SGAE berichtet.
Kopiergebühr soll stark erweitert werden
Und die Intervention kommt nicht von ungefähr. Denn die Sozialdemokraten (PSOE) haben es mit großer Verspätung geschafft, die neuen Kopiergebühren festzulegen. Doch der Beschluss wurde noch nicht im Gesetzesblatt veröffentlicht und kann noch gekippt werden. Vor den Wahlen im März bestehen Hoffnungen darauf, schließlich gelang es der PSOE-Regierung eineinhalb Jahre lang nicht, die Höhe der Gebühren auf Datenträger und Geräte festzulegen. Zwar hatte sie schon letzten Sommer mit dem neuen Urheberrechtsgesetz (LPI) das gesetzliche Vakuum um die Kopiergebühr beseitigt, doch der massive Widerstand verzögerte die Umsetzung bisher
Inzwischen hat auch der Chef der oppositionellen Volkspartei (PP) angekündigt, die Gebühr zu korrigieren, wenn die PP die Wahlen gewinnen sollte. Mariano Rajoy bezog sich darauf, dass die gleiche CD-Spindel in Spanien wegen der Gebühr um 2,5 Euro teurer sei als in Deutschland. Spanien liegt bei der Nutzung neuer Technologien im untersten Bereich der EU, wofür Rajoy auch die hohen Kosten verantwortlich macht.
Die Netizen haben schon 1,4 Millionen Unterschriften gegen die Gebühr gesammelt. Hersteller von Datenträgern und Händler fürchten massive Einbrüche beim Umsatz, weil die Gebühren die Preise in die Höhe trieben. Im Internet-Zeitalter führe das dazu, dass im billigeren Ausland bestellt werde. Denn anders als die bisherige spanische Unsitte, alle CDs und DVDs mit einer zudem sehr hohen Gebühr zu belegen, fallen diese Gebühren in anderen europäischen Ländern viel niedriger aus. In Deutschland werden sie nur für einen Teil der Datenträger erhoben. Schließlich wird nicht jede CD dazu benutzt, um Musik oder Filme (nach dem Recht auf eine Privatkopie) darauf zu brennen. So hatte schon der EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy erklärt, dass nur Datenträger mit einer Gebühr belegt werden können, die "in einem nennenswerten Umfang für Privatkopien genutzt werden". Deshalb droht auch an dem Punkt neues Ungemach aus Brüssel (Strafbefehle für Spanien aus Brüssel).
Zudem sieht das neue Gesetz eine massive Ausweitung der Gebühren vor. Auf externe Festplatten sollen 12 Euro Gebühr erhoben werden, für jeden Mp3-Player oder iPod fallen 3,15 Euro an und jedes Handy, in das ein Mp3-Player integriert ist, spült den Autorenverbänden 1,5 Euro in die Kassen. Hinzu kommen Kombigeräte (Fax, Scanner, Drucker), Brenner, USB-Sticks, Speicherkarten ..., wobei die Speicherkapazität dabei unerheblich ist. Als Zuckerchen, zur Beruhigung der Netizen, sollen die Gebühren auf CDs von 22 Cent auf 15 und bei DVDs von 60 Cent auf 40 Cent pro Stück fallen. Gescheitert war die SGAE nur damit, alle Festplatten und sogar DSL-Verbindungen mit der Gebühr zu belegen (http://www.heise.de/tp/r4/artikel/19/19840/1.html).
Hinter der gemeinnützigen SGAE steckt ein Netzwerk an gewinnorientierten Firmen
2006 sind die Einnahmen der SGAE auch ohne die neuen Gebühren wieder deutlich gestiegen. 2006 nahm sie fast 350 Millionen Euro ein, 7,5 Prozent mehr als im Vorjahr. Nur fragen sich immer mehr Menschen, was mit dem vielen Geld passiert? Künstler beklagen immer wieder, kein Geld von der Vereinigung zu bekommen. Und hier setzt auch die Anzeige bei der Anti-Korruptionsstaatsanwaltschaft an, die nun die Ermittlungen aufgenommen hat, zu der sich ohnehin Untersuchungen der EU gesellen.
Die Tageszeitung Publico wies im Oktober darauf hin, dass sich hinter der gemeinnützigen Autorenvereinigung, die per Gesetz keinen Gewinn machen darf, ein Netzwerk an Firmen verbirgt. Es würde den Rahmen sprengen, dies im Detail aufzuschlüsseln. Doch die Zeitung macht deutlich, dass neben der SGAE und ihrer "Stiftung Autor" zahllose Firmen bestehen, die gewinnorientiert arbeiten. Zunächst wird der Technologiearm der SGAE genannt, SDAE, eine kommerzielle Firma. Die Stiftung Autor, auch gemeinnützig, sei einziger Aktionär an der gewinnorientierten Firma Iberautor, die wiederum im Besitz von etlichen anderen Firmen sei. So fließe Geld und Know-how über die SGAE in gewöhnliche Firmen. Auffällig sei auch, dass Leitungsmitglieder der SGAE Firmen vorstehen, die nicht so offensichtlich mit ihr verbunden seien. Räumlichkeiten würden gemeinsam benutzt, manchmal sogar das gleiche Telefon.
Genannt wird zum Beispiel die Firma Microgénesis, deren Präsident bis 2000 der heutige Generaldirektor der SDAE, José Luis Rodríguez Neri, war. In deren Leitung säßen auch die SGAE-Führungsmitglieder Rafael Ramos Díaz und Eva García Pombo. Microgénesis widme sich über die Portale Latinergy, Museekflazz, Egrem und Nubenegra dem Verkauf von Musik.
Auch auf Basis dieser Informationen haben die verschiedenen Organisationen ihre Anzeige erstattet. Sie werden der SGAE Unregelmäßigkeiten bei Verwaltung der Geldmittel vor. Sie führe eine "ökonomische Aktivität mit offensichtlichen kriminellen Einfärbungen" aus. Die Einnahmen würden "zu großen Teilen illegal unter den Filialen aufgeteilt und nicht unter den Mitgliedern", also den Künstlern, wie es der Artikel 154 des Gesetzes über Geistiges Eigentum (LPI) vorsehe. Die Beteiligung an Firmen diene möglicherweise einem "betrügerischen Umgang mit den Geldern". Das ist starker Tobak für die angeschlagene SGAE, die auch mit Querelen im eigenen Haus zu kämpfen hat. Deren Geldeintreiber rebellieren und gehen gegen die Zentralisierung vor, weil die "Freischaffenden" damit einen erheblichen Teil des Einkommens verlieren.
Die SGAE will nun mit Gegenanzeigen reagieren. Sie hat angekündigt, man werde die vier Organisationen wegen "falscher Beschuldigung" anzeigen. In einer Mitteilung spricht sie auch von einer "Hetzkampagne", welche "ihre Aktivität zur Verteidigung der Entschädigung der Autoren beschädigen soll". Das geschehe gerade in dem Augenblick, in dem die Höhe der Kopiergebühren festgelegt werden soll.
Behördenzensur befürchtet
Die Organisation, die nie ihren Verteilungsschlüssel offen gelegt hat, hat Angst davor, dass ihr die Felle wegschwimmen und die neuen Gebühren keine Rechtskraft erhalten. Offenbar ist mit dem Abgang der ungeliebten Kultusministerin Camen Calvo, die durch Cesar Antonio Molina ersetzt wurde, ihr Einfluss in der Regierung gesunken. Als kürzlich das neue Gesetz zur Anregung der Informationsgesellschaft (LISI) im Kongress verabschiedet wurde, ist ein wichtiges Ziel der Organisation gefallen. Sie wollte entscheiden dürfen, was im spanischen Internet veröffentlicht werden darf. Der ursprüngliche Entwurf sah vor, Organisationen wie der SGAE das Recht einzuräumen, Webseiten per Antrag schließen zu lassen (Streit um Kopiergebühr und Internetzensur hält in Spanien an). Das wurde gestrichen und hier war sich die PSOE plötzlich mit der oppositionellen PP einig.
Die Netizen beklagen aber, dass das Gesetz, dass nun noch die Zustimmung des Senats braucht, die Tür zu einer außergerichtlichen Zensur weiter öffnet. Denn so wie der Text bisher lautet, könnten vom Bürgermeister bis zum Minister demnächst alle die Schließung von Webseiten anordnen. Die Kommission für Freiheit und Informatik (CLI) warnt vor einer "administrativen Zensur".
Das LISI soll das das umstrittene Kontrollgesetz für das Internet (Spanien: Mit Spam gegen Kritisches im Internet) ersetzen. Doch statt es abzuschaffen, wie die PSOE einst versprochen hat, verschärft sie es deutlich. Das 2002 von der PP vorangetriebene LSSI (http://www.heise.de/tp/r4/artikel/13/13416/1.html) sprach nur im Anhang unverbindlich von der Möglichkeit, auf behördliche Anweisungen Webseiten zu sperren. Das Gesetz der PSOE spricht unverblümt von "einem kompetenten Organ", das die "Rücknahme von Inhalten anordnen kann". Es ist also keine Konfusion mehr, wie einst befürchtet wurde, dass die Zensurmöglichkeiten ausgeweitet werden und die Kompetenzen der Gerichte beschnitten werden sollen.
Die Netizen kritisieren, das Gesetz verstoße gegen die spanische Verfassung, sie können selbst aber, anders als in Deutschland, nicht vor das Verfassungsgericht ziehen. Für den Anwalt und Internetexperten Carlos Sánchez Almeida handelt handelt es sich bei Webseiten um Publikationen, deren Sperrung in die von der Verfassung besonders geschützte Meinungsfreiheit eingreift. Ohnehin ist die Justiz keine große Hürde für Zensur. In Spanien findet sich schnell ein Richter, der Zeitungen schließen oder Ausgaben von Zeitschriften beschlagnahmen lässt. Das zeigte erst kürzlich der Fall der Satirezeitschrift "El Jueves" (Zensur für "Ehrverletzung" des spanischen Königshauses). Dass die beiden Karikaturisten gerade wegen Beleidigung des Königshauses zu jeweils 3000 Euro Geldstrafe verurteilt wurden, soll dem peinlichen Vorgang demokratische Legitimität einhauchen.
Verfassungsexperten Anfang des Monats zu dem Ergebnis, dass für derartige Maßnahmen zunächst in Spanien der Ausnahmezustand ausgerufen werden müsste. Das erklärten Kai Ambos (Universität Göttingen), Juan Luis Gómez Colomer (Universität Castellón), Luis P. Salas Calero (Universität Florida) und John Vervaele (Universität Utrecht), nach der Studie der spanischen Verfassung in Anbetracht der Schließung von Kommunikationsmedien in den letzten zehn Jahren (Baskische Journalisten gefoltert. Diese vorläufigen Schließungen verstießen sowohl gegen die spanische Verfassung, wie auch gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, führen sie in ihrem Bericht aus, an dessen Ausarbeitung weitere Verfassungsexperten aus Chile, Italien und Argentinien beteiligt waren. Die Pressefreiheit, so die Juristen, könne nach Artikel 55.1 der spanischen Verfassung nur nach vorheriger Ausrufung des Ausnahmezustands eingeschränkt werden. Auch fast zehn Jahre nach der Schließung der Zeitung Egin, gibt es noch kein Urteil und auch die Zeitung Egunkaria sei praktisch durch die vorläufige Schließung vor fast fünf Jahren vernichtet worden.