Karpfen statt Thunfisch: Der nachhaltigste Speisefisch kommt aus Deutschland
Karpfen gelten als langweilig und altmodisch. In Bayern und Österreich wird der Süßwasserfisch nachhaltig gezüchtet. Was ihn zum Favoriten der Öko-Szene macht.
Immer größere Schiffe, riesige Netze und auf Massenproduktion ausgelegte Fangmethoden bringen viele Wildfischbestände an ihre Grenzen – darunter beliebte Speisefische wie Lachs, Seelachs, Aal und Thunfisch. Um die steigende Nachfrage zu befriedigen, wird Fisch daher zunehmend in sogenannten Aquakulturen gezüchtet. Doch konventionelle Fischfarmen wirken sich verheerend auf Umwelt und Tiere aus.
Zu unterscheiden ist zwischen Teichwirtschaft im Binnenland und Netzgehegen an Meeresküsten bzw. in Flüssen und Seen. So werden in Netzgehegen im Meer unter anderem Lachse oder Thunfische gezüchtet. Die Tiere schwimmen in drangvoller Enge, sodass sich Krankheiten unter ihnen schnell ausbreiten. Diese werden wiederum mit Antibiotika und Pestizide bekämpft.
Absinkendes Futter und Fäkalien verschmutzen den Meeresboden unter den Käfigen. Zudem gelangen Chemikalien, Nahrungsreste, Fischkot, Antibiotika und Arzneimittelrückstände aus den offenen Netzkäfigen ungefiltert in die Flüsse und Meere.
In tropischen und subtropischen Ländern vereinnahmt die wachsende Aquakultur viel Fläche in den Küstenregionen. So gingen seit 1980 durch den Bau von Zuchtanlagen 3,6 Millionen Hektar Mangrovenwälder weltweit verloren, schätzt die FAO. Vor allem für Garnelenfarmen werden Mangrovenwälder in Asien und Südamerika abgeholzt.
Hoher Bedarf an Fischfutter reduziert bereits überfischte Bestände
Um ein Kilogramm Garnelen heranzumästen, werden in konventionellen Garnelenfarmen zwei bis drei Kilogramm Fischmehl verfüttert. Bei einer Produktion von jährlich rund vier Millionen Tonnen trägt die Garnelenzucht erheblich zur Überfischung bei.
Am Grund der Anlage sammeln sich Fäkalien, Chemikalien und Medikamente an. Rückstände verschmutzen die Böden und gelangen ins Grundwasser. Bereits nach etwa hundert Tagen erreichen sie ihr Erntegewicht. Doch wenn massenhaft Tiere auf engstem Raum leben, haben sie nicht genug zu fressen und werden leichter krank.
Auch für andere Arten in konventionellen Fischfarmen wird zusätzlich Wildfisch gefangen, um ihn zu verfüttern – je nach Art des Zuchtfisches die mehrfache Menge seines Körpergewichtes.
Zertifizierter Bio-Fisch mit mehr Platz in naturnaher Aufzucht
Die EU-Öko-Verordnung schreibt maximale Besatzdichten je nach Fischart und Haltungsform vor. Die Haltungsformen reichen von der extensiven Karpfenteichhaltung ohne Zufütterung bis zur semiintensiven Teich- und Netzgehegehaltung (Forellen, Lachse, Dorsche und Mittelmeerarten).
In Europa werden vor allem Karpfen, Forellen, Saiblinge, Lachse, Dorsche bis hin zu Muscheln und Austern nach Ökorichtlinien gezüchtet, seit einigen Jahren ergänzt um Doraden und Wolfsbarsche. Im Gegensatz zu konventionellen Anlagen, in denen Forellen oft in kargen Betonrinnen gehalten werden, bestehen ökologische Teichanlagen zu mindestens zehn Prozent aus natürlicher Vegetation.
In geringeren Besatzdichten werden die Tiere nicht nur weniger krank, auch die Gewässer werden mit weniger Ausscheidungen oder Futterresten belastet. Präventiver Einsatz von Antibiotika ist bei Bio-Fischen genauso verboten wie der Einsatz von Wachstumshormonen.
Bio-Garnelen haben mehr Platz
Auch Bio-Garnelen dürfen nach den Richtlinien der EU-Öko-Verordnung in naturnah gestalteten Teichen mit Bio-Futter heranwachsen. Die Erntemenge ist auf maximal 2.400 Kilogramm pro Hektar und Jahr begrenzt, beim Öko-Verband Naturland auf 1.600 Kilogramm, das entspricht fünfzehn Garnelen pro Quadratmeter. In konventionellen Farmen drängen sich bis zu zehnmal so viele Tiere in Gehegen derselben Größe.
Seit 2014 tragen Garnelenprodukte aus Aquakultur das ASC-Siegel mit dem Kürzel für Aquaculture Stewardship Council. Diese garantieren zwar die Einhaltung internationaler Arbeitsstandards, keinen Einsatz von Antibiotika, die Fütterung von überwiegend zertifiziertem Fischmehl. Was jedoch fehlt, sind maximale Besatzdichten.
Fischanteil im Futter nur so viel wie nötig
Aufgrund von mehr Bewegungsfreiheit in den Gehegen sind Bio-Fische weniger anfällig für Krankheiten und Parasiten. Beispiel Lachsläuse: Während in konventionellen Lachsfarmen die haut-, schleim- und blutsaugenden Schädlinge mit Insektiziden bekämpft werden, fressen in Bio-Fischfarmen häufig sogenannte Putzerfische Lachsen und Forellen Lachsläuse vom Leib.
Raubfische wie Lachse oder Forellen brauchen tierisches Protein. Ihrem Futter wird deshalb Fischmehl und Fischöl beigemischt. So besteht das Futter für Bio-Lachse zu 60 Prozent aus Fisch.
Doch während die EU-Rechtsvorschriften unbegrenzte Mengen an Fischmehl aus ganzen Fischen erlauben, dürfen Naturland-Betriebe nur einen begrenzten Anteil an Fischmehl und Fischöl aus nachhaltigen Quellen verfüttern, wie etwa Nebenprodukte aus der Verarbeitung von Speisefischen. Pflanzliche Futtermittel müssen Naturland- bzw. Ökoqualität aufweisen. Fischreste aus konventioneller Aquakultur sind verboten.
Je höher der vegetarische Anteil im Futter, desto besser die Ökobilanz
Der Naturland-Verband etwa verpflichtet seine Betriebe, Fischmehl und -öl nur aus Abfallprodukten der Speisefischverarbeitung zu verwenden. Damit werde sichergestellt, dass die Zucht die Überfischung der Meere nicht zusätzlich ankurbelt, erklärt Kristina Rodecker im Interview mit der Naturkost-Zeitschrift Schrot & Korn.
In einem ausgewogenen Futtermittel kann der Nährstoffbedarf bei Raubfischen teilweise aus pflanzlichem Material in Bio-Qualität gedeckt werden. So müssen Futterbestandteile wie Getreide und Soja ökologisch und gentechnikfrei erzeugt werden.
Laut Forschungsinstitut für biologischen Landbau sucht die Ökobranche nach tierischen Alternativen zu Fischmehl. Insekten in der Bio-Fischfütterung könnten eine gute, alternative Protein-Quelle zu Fischmehl und Soja sein, glaubt die Produktmanagerin bei Ökofrost. Unter der Marke Biopolar vertreibt das Unternehmen Naturland-zertifizierten Lachs aus Irland. Fischöl hingegen könnte künftig durch Algenöl ersetzt werden.
Im Gegensatz zur EU-Bio-Zertifizierung, der keine eigenen Standards zur sozialen Verantwortung berücksichtigt, zertifiziert Naturland die gesamte Wertschöpfungskette, von der Zucht bis auf den Teller. Beim Kauf von Fisch sollte man daher grundsätzlich nach der Herkunft fragen oder auf Bio-Siegel wie Naturland und Bioland achten.
Folgende Arten aus Bio-Zuchten sind beim Kauf zu empfehlen:
- Bio-Lachs (als Fischfilet, geräuchert oder gebeizt)
- Norwegischer Bio-Lachs kommt aus Netzgehegen in Fjorden. In irischer Aquakultur halten kaltes Wasser und starke Gezeiten die Tiere besonders fit. Die Besatzdichte ist in Bio-Zuchten auf maximal zehn Kilo beschränkt (konventionell: bis zu 40 Kilo). Aufgrund stressfreier Bewegung ist das Fleisch fester, fettärmer und aromatischer. Bio-Lachs erhält seine typisch rötliche Farbe nicht durch chemische Farbstoffe, sondern über mit Algen und Hefen angereichertem Futter.
- Bio-Forellen und -Saiblinge wachsen in gut durchströmten, sauerstoffreichen Süßwasser-Anlagen in Deutschland und Österreich heran.
- Bio-Doraden und -Wolfsbarsche stammen zum Beispiel aus Netzgehegen im griechischen Mittelmeer.
- Bio-Miesmuscheln werden in Deutschland und den Niederlanden, Bio-Garnelen werden außer in Deutschland auch in naturnahen Teichen in Südamerika und Asien gezüchtet.
Karpfen – der nachhaltigste unter den Speisefischen
Als Allesfresser ernährt sich Karpfen von Pflanzen, Algen und Kleinstlebewesen und braucht kaum zusätzliches Futter. Er ist äußerst resilient und fühlt sich auch in trüben Gewässern wohl. Karpfenteiche bilden wichtige Naturschutzgebiete und dienen als Ersatzbiotope für verloren gegangene Auenlandschaften und andere Feuchtgebiete. Extensive Karpfenteichwirtschaft sei nicht nur ein naturnahes Haltungssystem, sie gehöre auch zum kulturellen Erbe, erklärt der Naturland-Verband.
Karpfen wird hierzulande vor allem in Bayern gemästet. Auch in Österreich gibt es einige Bio-Aufzuchtbetriebe, die den Karpfen überwiegend direkt vermarkten.
Für die Zucht des Ökofisches gibt es Richtlinien von Naturland, Bioland und Biokreis. Bei optimaler Zucht und Verarbeitung kann der Karpfen in vielen Gegenden zu einer regionalen Delikatesse werden. Mittlerweile entdeckte die Spitzengastronomie den Karpfen für sich. So werden Naturland-Karpfen regelmäßig stark nachgefragt.
Probleme mit Pangasius und Tilapia
Vergleichbare Allesfresser sind Pangasius und Tilapia mit hohem Pflanzen- und geringem Fischanteil im Futter, denn sie sind ähnlich friedliebend und anspruchslos wie der Karpfen. Weil ihr Wärmebedarf hoch ist, werden sie meist in tropisch-warmen Gewässern – etwa in Israel – gezüchtet. In tropischen Aufzuchtländern jedoch werden Umwelt- und Sozialstandards oft vernachlässigt.
Zudem werden die Zuchtfische den Bedingungen der Zucht angepasst und auf schnelles Wachstum selektiert. Immer wieder brechen Exemplare aus den Zuchtanlagen aus, vermischen sich mit ihren wilden Verwandten und tragen verändertes Erbgut ein.
Das kann das Ökosystem nachhaltig verändern, besonders in Gegenden, in denen die gezüchtete Art nicht heimisch ist. Entkommene Tiere konkurrieren dann mit heimischen Arten und können Krankheiten auf Wildpopulationen übertragen.
Thunfisch: aus freier Wildbahn in die Mast
Glaubt man dem WWF, so gelang es bis heute nicht, den Roten Thunfisch in ausreichender Zahl für die Farmen nachzuzüchten. Stattdessen werden junge Thunfische aus freier Wildbahn gefangen, um sie in Farmen mastreif aufzupäppeln. Ähnliches gilt für Aal, für dessen Zucht kleine Glasaale vor der Küste abgefangen werden – außer für den Direktverzehr und den Export auch für die Aquakultur.
So schrumpfte aufgrund der Glasaalfischerei die Jungtierpopulation seit den 1980-er Jahren auf neun Prozent ihrer ursprünglichen Größe. Einige gezüchtete Arten benötigen regulierte Temperaturen oder Wasserzufuhr, das führt zu einem hohen Energie- und Wasserbedarf. Als Futter wird oft Fischmehl oder Fischöl verwendet. Auch dieses stammt meist von in der Wildnis gefangenen Fischen.
Fischkonsum steigt weltweit kontinuierlich an
Laut dem Fisch-Informationszentrum (FIZ) liegt der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch in Deutschland mit rund vierzehn Kilogramm deutlich unter dem weltweiten Durchschnitt. In Europa waren es im Jahr 2021 etwa 22,2 Kilo.
Dem FIZ zufolge lag die weltweit gefangene und in Aquakultur produzierte Menge an Fischen, Weichtieren (z. B. Muscheln), Krebstieren 2022 bei 185,4 Millionen Tonnen. Davon kamen mit etwa 94,4 Millionen Tonnen erstmals mehr als die Hälfte der globalen Erzeugung aus Aquakultur. Bis 2030 könnten bereits zwei Drittel unserer Fische aus Aquakultur stammen, schätzt der WWF.
Glaubt man dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau, gibt es derzeit weltweit gerade mal rund 250 zertifizierte Aquakultur-Betriebe, die Fische und Garnelen nach biologischen Standards produzieren. Was bedeutet: Beim Bio-Fisch geht noch was.