Kritiker der israelischen Regierung setzt Recht auf Vortrag durch

Verleger Stein. Bild: privat

Verleger Georg Stein engagiert sich für Frieden in Nahost. Die Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg wollte dennoch einen Vortrag von ihm verhindern – erfolglos. Über einen beachtlichen Konflikt.

Ein Vortrag des Verlegers und Nahost-Kenners Georg Stein in der Universitätsstadt Heidelberg zum Thema "Eskalation im Nahen Osten" schlägt hohe Wellen. Erst hat die Hochschule für Jüdische Studien versucht, die Veranstaltung örtlicher Friedensgruppen mit dem Geschäftsführer des Palmyra-Verlages im Eine-Welt-Zentrum zu verhindern.

Nachdem sie damit gescheitert war, hat sie in der Sache das Innenministerium in Baden-Württemberg eingeschaltet. Jetzt verlangt Michael Blume, Beauftragter der Landesregierung gegen Antisemitismus die Prüfung des Vortrages.

"Herr Stein ist regional bekannt für seine einseitigen antiisraelischen Positionen", heißt es in einem Brandbrief der Hochschule für Jüdische Studien an das Welthaus, das die Räumlichkeiten für den Vortragsabend am 26. Oktober stellte.

Eine Absage der Veranstaltung solle dazu beitragen, die "Verbreitung von Israel-Hass zu verhindern", argumentierten die Verfasser.

Das auf Diffamierung angelegte und auf Einschüchterung abzielende Schreiben ist unterzeichnet von Rektor Werner Arnold, vom Vorsitzenden des Freundeskreises der Hochschule sowie von Studentenvertretern.

Der Palmyra-Verlag sei "keineswegs ein wissenschaftlicher Verlag", sondern eine "Propagandaplattform", wettern die Verfasser. Sie weisen darüber hinaus darauf hin, dass Räumlichkeiten für den Vortrag von Georg Stein nicht mit öffentlichen oder steuerlich subventionierten Mitteln gefördert werden sollten – wohl wissend, dass das Welthaus finanzielle Unterstützung unter anderem durch die Stadt Heidelberg und das Staatsministerium des Landes erhält.

Man muss es den Betreibern hoch anrechnen, dass sie sich von dem subtilen Hinweis auf mögliche Mittelkürzungen nicht beeindrucken ließen und an der Vergabe des Raumes unter Verweis auf die Meinungsfreiheit festhielten.

Ablehnung der Staatsführung Israels und Verurteilung des Hamas-Terrors

Eigentlich sollte die Veranstaltung in der Volkshochschule Heidelberg stattfinden, doch diese hatte den Raum aus Angst vor Tumulten abgesagt.

Über den Vorgang berichtet die Rhein-Neckar-Zeitung ausführlich und ausgesprochen sachlich. Den Berichten ist zu entnehmen, dass Georg Stein in seinem Vortrag Kritik an israelischer Politik geübt, jedoch auch betont hat, dass der Überfall der Hamas am 7. Oktober verabscheuungswürdig und mit nichts zu entschuldigen sei.

Tatsächlich ist der Heidelberger Verleger ein Urgestein im Kampf für Frieden im Nahen Osten. Unter dem Motto "Von Arafat bis Zappa" bestimmen zwei Schwerpunkte das Programm des nach der weltberühmten antiken syrischen Ruinenstadt Palmyra benannten und 1989 gegründeten Verlages.

Zu zahlreichen Bänden zur Rockmusik kommen politische Sachbücher zum israelisch-palästinensischen Konflikt und zur arabisch-islamischen Welt.

Die verlegerische Tätigkeit ist bestimmt von der Notwendigkeit eines Dialogs zwischen Israelis und Palästinensern sowie dem Westen und der arabisch-islamischen Welt.

Die Vorwürfe der Hochschule für Jüdische Studien weist der Verleger denn auch "in aller Entschiedenheit" zurück. In einem am 8. November verbreiteten offenen Brief geht er ausführlich auf die Unterstellungen ein.

Die Anschuldigungen seien "unwahr, beleidigend und ehrabschneidend. Strafrechtlich erfüllen sie den Tatbestand der üblen Nachrede und Verleumdung."

Seinem Vortrag im Eine-Welt-Zentrum "eine einseitige Ausrichtung" zu unterstellen, ohne dass seine Kritiker überhaupt wussten, worüber er sprechen würde, sei "einfach nur unseriös". Genauso die Feststellung, die geplante Veranstaltung könne "Israel-Hass" verbreiten. "Nichts liegt mir ferner", betont Stein.

Der Versuch, das Eine-Welt-Zentrum zu einer Veranstaltungsabsage zu bewegen, sei "anmaßend". Es gehe nicht an, dass die Hochschule für Jüdische Studien "quasi allein entscheidet", wer sich zum israelisch-palästinensischen Konflikt äußern dürfe und wer nicht. "Noch leben wir in einem Staat mit einer grundgesetzlich geschützten Meinungsfreiheit."

Erklärung in Verteidigung der Meinungsfreiheit

Die ausführliche Stellungnahme des Palmyra-Verlegers ist politisch in ihrer Klarheit und Konsequenz beachtlich und kann anderenorts Mut machen, die Meinungsfreiheit gegen mittlerweile grenzenlos gewordene Antisemitismus-Vorwürfe und Unterstellungen auf Israel-Feindschaft zu verteidigen.

Einer Einladung der Lokalpresse an beide Seiten zu einem Disput stimmte der Verleger ausdrücklich zu. Rektor Arnold ließ über seine Pressestelle ausrichten, er habe "kein Interesse an einem Gespräch mit Herrn Stein".

Baden-Württembergs Antisemitismus-Beauftragter Blume verlangt derweil eine Prüfung. "Ich hoffe, hier werden durch die Verantwortlichen in Heidelberg die Texte und Reden ausgewertet und, wo nötig, Grenzen gezogen", lässt der CDU-Politiker sich in der RNZ zitieren.

Wen er dabei in der Zuständigkeit sieht, sagte er laut Lokalzeitung nicht. "Wenn vor Ort jedoch niemand Verantwortung übernähme, so würde ich mich landesseitig einschalten", lässt er dafür wissen.

Verleger Georg Stein zeigt sich von Blumes Vorgehen nicht überrascht. "Quasi eine Drohkulisse aufzubauen, ist absurd, aber irgendwie auch typisch ‚The Länd‘", kommentierte der Palymra-Geschäftsführer gegenüber der RNZ.

"Herr Blume sieht sich schon länger dem Vorwurf ausgesetzt, die berechtigte Kritik an der Politik Israels mit seinem wichtigen Auftrag als Antisemitismus-Beauftragter zu verwechseln", so Stein. Zu einem offenen Gespräch mit Innenminister Strobl und Blume sei er gerne bereit.

Dass sich die Hochschule für Jüdische Studien in Schweigen hüllt – eine Antwort hat Georg Stein nicht erhalten, ein Gespräch mit ihm wird abgelehnt --, stößt in Heidelberg auf Unverständnis und Kritik.

Leser der Lokalpresse empört

"Kann es ein besseres Marketing für den Palmyra-Verlag geben?", fragt ein Leser der Lokalpresse. "In der Psychologie beschreibt man das, was Prof. Dr. Werner Arnold da treibt als Streisand-Effekt. Hätte der Professor mal lieber vorher auf Wikipedia nachgeschaut. Gute Geschäfte wünsche ich (dem Verlag)."

Ein anderer Leser merkt an:

Schade, dass hier vonseiten der Jüdischen Hochschule Spalten statt Dialog geübt wird. Beunruhigend zudem in der gegenwärtigen, aufgeheizten Debatte die Versuche politisch motivierter Zensur nicht genehmer Positionen durch die HfjS und Rektor Arnold.

Die Diskreditierung des Palmyra-Verlages als Propagandaplattform gegen Israel kann ich als gelegentlicher, kritischer Besucher entsprechender Veranstaltungen (zufällig auch des von der HfjS inkriminierten Vortrages im Welthaus) nur als grotesk und völlig realitätsfern bezeichnen. Vielmehr erlebe ich dort das starke Bemühen, sowohl Israelis als auch Palästinensern ein Forum der Verständigung zu geben, im Interesse einer gerechten Lösung im Nahen Osten für beide Seiten und einer Beendigung der Gewaltspirale.

Der fürchterliche Hamas-Überfall auf Israel erfuhr im Übrigen prominente Anteilnahme in dem historisch umfassenden Vortrag von Herrn Stein. Als Beobachter des thematisierten Konfliktes muss sich einem der Eindruck aufdrängen, dass es Herrn Arnold weniger um Austausch und Dialog, sondern vielmehr um die fragwürdige Durchsetzung exklusiver politischer Ansichten und Interessen geht. Nicht anders lassen sich die ungeheuerlichen Zensurversuche und das Ausschlagen des konstruktiven Gesprächsangebots der RNZ verstehen.

Ganz im Sinne der Verteidigung der Meinungsfreiheit und Demokratie ist es ausdrücklich zu begrüßen, dass die Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg mit ihrem Vorgehen gegen eine friedenspolitische Diskussionsveranstaltung gescheitert ist. "Die Hoffnung auf eine Lösung lebt weiter" – diese Schlagzeile der Lokalpresse weist über den Tag hinaus.

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