"Länder sollen die Möglichkeit erhalten, in eine Währung parallel zum Euro zu wechseln"

Seite 2: "Den Bürgern reicht es nicht mehr, alle paar Jahre ein Kreuz zu machen"

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Welche politischen Schritte werden die Freien Wähler unternehmen, um in Brüssel für mehr Transparenz zu sorgen und den Einfluss von Lobbyorganisationen zurückzu- drängen?

Ulrike Müller: Wir Freien Wähler werden uns dafür stark machen, dass das Europaparlament nicht länger Anwalt einzelner starker Lobbys, sondern Interessenvertreter der Bürger ist. Wir fordern dabei ein schärferes Lobby-Register, das Veröffentlichungspflichten der Personennamen, der Mitarbeiterzahl, der Klienten, für die die Lobbyisten tätig sind und die Höhe der finanziellen Aufwendungen für Lobbyarbeit offenlegt. Lobby-Arbeit findet im Europaparlament zunehmend in sogenannten "Intergroups" statt, in denen EU-Abgeordnete gemeinsam mit Interessenvertretern zusammenkommen. Auch in diesen Gremien fordern wir höchste Transparenz mit weitgehenden Veröffentlichungspflichten der Teilnehmer und ihrer Aktivitäten.

Wir setzen uns aus Gründen der Transparenz aber auch der Rechtssicherheit für die Bürger für ein einfaches und leicht verständliches EU- Recht ein. Politische Entscheidungen, Drucksachen und weitere Informationen der Europäischen Institutionen müssen zudem leicht abrufbar sein und durchwegs auch in deutscher Sprache veröffentlicht werden. Zudem wollen wir unser Abstimmungsverhalten im Europaparlament ausnahmslos begründen und den Bürgern mitteilen.

"Es ist nicht mehr zeitgemäß, dass der Bürger als Souverän alle politischen Entscheidungen auf gewählte Repräsentanten delegiert"

Die Freien Wähler setzen sich für die direkte Demokratie ein. Was sind deren Vorteile gegenüber der repräsentativen Demokratie?

Ulrike Müller: Es ist nicht mehr zeitgemäß, dass der Bürger als Souverän alle politischen Entscheidungen auf gewählte Repräsentanten delegiert. In der heutigen Informationsgesellschaft sind die Kommunikationswege kurz geworden und die Bürgerinnen und Bürger sind aufgrund der breiten Informationsmöglichkeiten mehr als in der Lage, viele Entscheidungen selbst zu treffen.

Wir sehen zudem eine zunehmende Abnahme der Wahlbeteiligung, obwohl andere Formen der politischen Partizipation, wie die Proteste um Stuttgart21 oder aktuell die Bürgerinitiativen gegen die Hochspannungsleitung aus Sachsen-Anhalt, spürbar zunehmen. Den Bürgern reicht es heute eben nicht mehr, alle paar Jahre ein Kreuz auf dem Wahlzettel zu machen.

Zugleich erleben wir, dass Koalitionsverträge und Regierungshandeln nicht unbedingt zu politischen Ergebnissen führen, die sich die Wähler zuvor gewünscht hätten. So hat die neu gewählte Bundesregierung durch ihre Enthaltung zur Zulassung des Genmais 1507 im EU-Ministerrat der von über 80 Prozent der Deutschen abgelehnten Gentechnik den Weg auf deutsche Äcker geebnet. Die Bürger hätten hier im Gegensatz zum Bundeskabinett nicht so zaghaft eine eindeutige gute Entscheidung getroffen. Mehr direkte Demokratie im Sinne von Volksabstimmungen ist meines Erachtens die richtige Antwort, um Politik wieder bürgernäher und menschlicher zu machen. Politische Entscheidungen, die direkt vom Volk getroffen werden, verfügen über die größtmögliche politische Legitimation und sind für uns Grundlage einer starken Demokratie der Zukunft.

"Die Stärkung der Regionen bedeutet nicht die Schaffung neuer Kleinstaaten"

Sie treten für ein Europa der Regionen ein. Kommen Ihnen da die Entwicklungen in Schottland und Katalonien zupass?

Ulrike Müller: Wir Freien Wähler wollen die Regionen und Kommunen in Europa stärken. Das, was vor Ort entschieden werden kann, muss auch Aufgabe der Regionen sein. Die Europäische Integration als Entwicklung, die uns Friede, Freiheit, Wohlstand, Mobilität und Raum zur Selbstverwirklichung gebracht hat, kann meines Erachtens für die Zukunft nur Bestand haben, wenn es uns gelingt, kulturelle Vielfalt und das Gefühl von Heimat in Zeiten der Globalisierung zu bewahren.

Unser Ziel ist es daher, den Ausschuss der Regionen zur dritten Kammer neben Ministerrat und EU-Parlament zu entwickeln, um eine gleichberechtigte Mitsprache der Vertreter vor Ort über Richtlinien und Verordnungen zu ermöglichen und den Tendenzen eines weiteren Zentralismus hierüber Einhalt zu gebieten.

Wir brauchen zudem dringend eine Diskussion darüber, welche Zuständigkeiten auf welcher politischen Ebene angesiedelt werden sollen. Die Stärkung der Regionen bedeutet für uns dabei nicht die Schaffung neuer Kleinstaaten. Wir respektieren die Unabhängigkeitsbestrebungen in vielen europäischen Regionen, wenn diese auf demokratischen und verfassungskonformen Verfahren beruhen. Doch baut unser Leitbild anstelle der Sezession einzelner Regionen von einem Staat auf die Stärkung der Entscheidungsbefugnisse vor Ort innerhalb unserer nationalstaatlichen Ordnung und der EU als Staatenverbund.

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