Lösen zerkleinertes Gestein und Meeresdüngung das Klimaproblem?

CO2-Wolke von Zahnrädern eeingesogen

Klimaforscher suchen Wege, CO2 aus der Luft zu entfernen. Gesteinsmehl und Meeresdüngung könnten helfen. Doch bergen diese Methoden ungeahnte Risiken?

Gesteine und Ozeane nehmen bereits große Mengen Kohlendioxid auf. Gegen die enormen Mengen der von der Menschheit ausgestoßenen Treibhausgase kommen diese natürlichen Prozesse aber nicht an. Mit technischen Methoden könnten sie beschleunigt und Potenziale gesteigert werden, hoffen Forscher. Im Experiment bestätigt sind die meisten Modellannahmen bislang nicht.

Klimawandel: 1,5-Grad-Grenze bereits überschritten?

Seit nunmehr zwölf Monaten in Folge ist es auf der Erde mehr als 1,5 Grad wärmer als in der vorindustriellen Periode von 1850 bis 1900. Das Pariser Klimaziel, die Erderwärmung auf im Schnitt 1,5 Grad zu begrenzen, ist damit zwar bis jetzt nicht komplett verfehlt, denn dazu müsste der Erwärmungstrend über längere Zeit anhalten.

Dass dies über kurz oder lang so kommen wird, darüber besteht unter Klimaexperten kein Zweifel. Carlo Buontempo, Direktor des EU-Klimawandeldienstes Copernicus kommentierte anlässlich der Veröffentlichung der neuesten Daten:

Der Juni markiert den 13. Monat in Folge mit globalen Temperaturrekorden und den 12. in Folge mit Temperaturen über 1,5°C im Vergleich zur vorindustriellen Zeit. Dies ist mehr als eine statistische Kuriosität und zeigt eine große und anhaltende Verschiebung in unserem Klima.

Selbst wenn diese besondere Serie von Extremen irgendwann zu Ende geht, werden wir zwangsläufig neue Rekorde erleben, wenn sich das Klima weiter erwärmt. Das ist unvermeidlich, wenn wir nicht aufhören, Treibhausgase in die Atmosphäre und die Ozeane zu leiten.

Copernicus

CO2-Entnahme: Aufforstung allein reicht nicht aus

Angesichts der anhaltend hohen Treibhausgasemissionen der Menschheit und dem voraussichtlichen Verfehlen des Pariser Klimaziels plädieren Wissenschaftler auch dafür, der Erdatmosphäre wieder Kohlendioxid zu entziehen, um so die globalen Durchschnittstemperaturen langfristig zu senken – wobei gleichzeitig auch die Emissionen drastisch gesenkt werden müssten.

Die CO2-Entnahme in Höhe von rund 2,2 Gigatonnen im vergangenen Jahr erfolgte bislang fast ausschließlich durch Aufforstungs- und Wiederaufforstungsmaßnahmen. Doch auch neuartige Techniken könnten dabei künftig eine Rolle spielen, wie der kürzlich erschienene Bericht "The State of Carbon Dioxide Removal" betonte. Zu diesen neuartigen Techniken zählen solche, die mehr Kohlenstoff in den Böden binden sollen, wie der Einsatz von Pflanzenkohle in der Landwirtschaft oder das Ausbringen von zerkleinertem Silikatgestein, was ebenfalls auf landwirtschaftlichen Flächen erfolgen könnte.

Enhanced Rock Weathering: Gesteinsmehl als Klimaretter?

Hierfür wird oftmals der englische Fachbegriff "Enhanced Rock Weathering" verwendet. Grundsätzlich macht man sich einen natürlichen geologischen Prozess zunutze: Bei der Verwitterung von Silikatgesteinen wird normalerweise CO2 aus der Luft gebunden. Das Gestein reagiert mit Regenwasser oder Grundwasser und Kohlendioxid aus der Luft. Kohlenstoff wird so als Carbonat im Boden gebunden oder weiter ins Meer ausgewaschen.

Die natürliche Verwitterung benötigt Millionen von Jahren, trotzdem werden auf diesem Weg bereits etwa 1,1 Gigatonnen CO2 pro Jahr aus der Atmosphäre absorbiert. Forschende kamen daher auf die Idee, diesen Prozess durch Zerkleinerung des Gesteins zu beschleunigen.

Herausforderungen bei der Umsetzung von Enhanced Rock Weathering

Infrage dafür kämen etwa Olivin- oder Basaltgesteine. Allerdings, so erläutert das Massachusetts Institute for Technology (MIT), gibt es eine Reihe von Fallstricken zu beachten. Abbau, Zerkleinerung und Transport des Gesteins würden große Mengen Energie erfordern, was wiederum in die CO2-Bilanz der Technik einfließen müsste. Zudem seien große Landflächen erforderlich.

Mit dem Gesteinsmehl könnten auch unerwünschte und toxische Nebenprodukte des Bergbaus großflächig in der Umwelt verteilt werden. Würde die falsche Art von Olivingestein verwendet, könnte auch mehr CO2 freigesetzt als neu gespeichert werden. In größerem Maßstab erprobt ist die technisch beschleunigte Verwitterung nicht. Eine 2020 im Fachjournal Nature veröffentlichte Studie bezifferte das Entnahmepotenzial der Technik auf 0,5 bis 2 Gigatonnen CO2 pro Jahr bei Kosten von 80 bis 180 US-Dollar pro Tonne.

Potenzial und Grenzen der beschleunigten Gesteinsverwitterung

Eine 2022 im Fachjournal Frontiers in Climate erschienene Studie errechnet sogar ein Potenzial von 2 bis 5 Gigatonnen pro Jahr.

Allerdings müsste dieses Potenzial wissenschaftlich verifiziert und die Technik in Feldversuchen erprobt werden, heißt es in der Studie einschränkend. Globale Modelle, mit denen das Potenzial abgeschätzt wurde, stützen sich in erster Linie auf Studien in experimentellen Anlagen wie Gewächshäusern oder Wachstumskammern, kaum aber auf Versuche im Freiland.

Bei der verfügbaren Landfläche sollte laut dem Forschungsteam um Maya Almaraz von der University of California Davis kein Problem bestehen, denn Ackerland und Weiden nähmen 38 Prozent der globalen Landfläche ein, bereits existierende Düngemaschinen könnten auch Gesteinsmehl verteilen. Die Anreicherung von Kohlenstoff durch die beschleunigte Verwitterung könnte dabei sogar die landwirtschaftlichen Erträge erhöhen.

Praxistest: Gesteinsmehl in der Landwirtschaft

So die Theorie. Denn die Datenbasis aus Praxistests fällt laut Almaraz' Forschungsgruppe bescheiden aus. "Nur fünf Veröffentlichungen verwendeten feldbasierte Methoden, und vier dieser fünf wurden von derselben Forschergruppe erstellt, die anscheinend eine einzige Feldstudie in Ontario, Kanada, durchgeführt hat", schreiben die Forscher.

Forscher der Newcastle University und des kommerziellen Unternehmens UNDO, das sich auf die CO2-Entnahme spezialisiert hat, bestätigt positive Effekte für die Landwirtschaft.

Auf Versuchsfeldern mit Hafer im Norden Englands wurde auf verschiedene Weise zerkleinertes Basaltgestein ausgebracht. Die Ernteerträge konnten nach Angaben der Newcastle University so um durchschnittlich 15 Prozent gesteigert werden. Dazu beigetragen haben könnten im Basalt enthaltene Mineralien wie Kalzium und Kalium. Toxische Stoffe seien von den Pflanzen hingegen nicht aufgenommen worden.

Risiken für tropische Böden: Wenn "gut gemeint" nach hinten losgeht

Ob die Effekte auf Böden in England auf anderen Bodentypen und in anderen Klimazonen reproduzierbar sind, ist allerdings mehr als fraglich. Auf tropischen Torfböden hätte das Ausbringen zerkleinerten Silikatgesteins möglicherweise den gegenteiligen Effekt: Laut einer 2022 in Communications Earth & Environment veröffentlichten Modellstudie würde es zu vermehrten CO2-Emissionen aus den Böden, sowie einer Auswaschung von Kohlenstoff in Flüsse und Meer führen.

Durch das Gesteinsmehl würde der pH-Wert der sauren Böden erhöht und diese damit destabilisiert. In das Modell einbezogen wurde etwa die Charakteristik von Torfböden auf der Insel Sumatra. Die Autoren vermuten, dass Torfböden in anderen tropischen Regionen ähnlich reagieren würden:

Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine verstärkte Verwitterung den natürlichen Kohlenstoffkreislauf in tropischen Torfgebieten, die als wichtige Kohlenstoffsenken fungieren und vor Küstenerosion schützen, destabilisieren kann, im Gegensatz zu den gewünschten Auswirkungen.

Wenn diese Böden allerdings nicht infrage kommen, sinken bislang errechnete Potenziale des Enhanced Rock Weathering beträchtlich.

Ozeanalkalisierung: Eine Alternative zur Landflächen-Nutzung?

Wenn sich die CO2-Entnahmetechnik an Land als riskant erweist, bleibt immer noch das Ausbringen von Gesteinsmehl in die Ozeane. Bei diesem Alkalinisierung genannten Verfahren werden dem Ozean basische Mineralien zugegeben, wodurch der pH-Wert erhöht wird und das Meerwasser somit wieder mehr CO2 aus der Luft aufnehmen kann.

Die Ozeane absorbieren bereits rund 30 Prozent des jährlich durch die Menschheit ausgestoßenen Kohlendioxids. Durch Alkalinisierung könnte die Kapazität noch erhöht und außerdem der bereits erfolgten Versauerung entgegengewirkt werden.

Durch die gewaltigen Kohlenstoffmengen, die das Meerwasser bereits aufgenommen hat, ist dessen pH-Wert gesunken, mit negativen Folgen für Organismen, die Kalkskelette und -schalen bilden, wie Korallen, Muscheln oder auch Kieselalgen.

Doch auch die Ozeanalkalisierung ist weitestgehend Theorie, die Feldforschung steht noch ganz am Anfang. Im von der EU finanzierten Forschungsprojekt Ocean-Nets sollen die Auswirkungen auf biochemische Prozesse im Meer und Ökosysteme erforscht werden.

Forschungsprojekt Ocean-Nets: Dem Meer auf den Grund gehen

Auch andere, auf den Ozean fokussierte CO2-Entnahmetechniken stehen auf der wissenschaftlichen Agenda. Im Rahmen von Ocean-NETs fanden bereits Experimente in Mesokosmen – abgeschlossenen, schwimmenden Behältern – in einem norwegischen Fjord statt.

Ein Forschungsteam unter Leitung des Geomar Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel versetzte das Wasser in den Versuchsbehältern in mit gelöschtem Kalk oder mit Magnesium-Silikat. Anschließend wurden die Veränderungen in den Mesokosmen über acht Wochen beobachtet. Die Auswertung des Experiments bleibt aber noch abzuwarten.