Nato-Russland-Krise: Warum der Westen droht, aber nicht handelt

Sind sich einig, und dann? EU-Außenminister mit Amtskollegen aus der Ukraine. Bild: EEAS

Einigkeit bei Sicherheitskonferenz, Front gegen Moskau. Tatsächlich aber liegt die militärische Eskalationsmacht weiterhin bei Putin

Vorerst wird es keine diplomatische Lösung der Nato-Russland-Krise geben. Nachdem sich Vertreter westlicher Staaten auf der Münchener Sicherheitskonferenz gegenseitig in ihren Forderungen gegenüber Moskau bestätigt haben, was von führenden Medien ihrer Länder als "einheitliches Auftreten" gemeinhin positiv bewertet wurde, scheint ein Gipfeltreffen der Präsidenten der USA und Russlands, Joseph Biden und Wladimir, vorerst nicht anzustehen.

Die russische Regierung jedenfalls hat Pläne für einen solchen Ukraine-Gipfel auf Spitzenebene als "verfrüht" bezeichnet. Man wolle, so hieß es aus Moskau, den Dialog über die Osterweiterung der Nato und die Auswirkungen auf die Ukraine, auf Ebene der Außenministerien fortsetzen, so der Kremlsprecher Dmitri Peskow am Montag. Es sei "verfrüht, über konkrete Pläne für ein Gipfeltreffen zu sprechen".

Die französische Regierung von Emmanuel Macron hatte zuvor mitgeteilt, Putin und Biden hätten der Idee grundsätzlich zugestimmt, wie Telepolis auch in einem Update berichtete. Eine Sprecherin der US-Regierung in Washington hatte indes sogar bestätigt, Biden sei grundsätzlich zu einem Treffen bereit, sofern Russland von einer Intervention in der Ukraine absehe.

Die US-Regierung behauptet weiterhin, über Geheimdienstinformationen zu verfügen, nach denen Moskau einen solchen Einmarsch plant. Die russische Regierung dementiert das. Nachprüfbar sind die Darstellungen beider Seiten nicht.

Unstrittig ist, dass die militärische Lage in den sogenannten Volksrepubliken im Osten der Ukraine eskaliert. Die russische Regierung hat der ukrainischen Armee zuletzt den Beschuss und die Zerstörung eines ihrer Grenzposten vorgeworfen. Kiew bezeichnete dies als "Falschnachricht" und wies jede Verantwortung von sich.

Russische Nachrichtenagenturen berichteten zu Wochenbeginn über "eine vom ukrainischem Gebiet aus abgefeuerte Granate unbekannter Bauart". Der Sprengkörper habe den Posten der Grenzbeamten in der Region Rostow "vollständig zerstört", hieß es übereinstimmend in mehreren Meldungen russischer Agenturen unter Berufung auf den Geheimdienst FSB. Dieser Nachrichtendienst ist auch für den Grenzschutz der Russischen Föderation verantwortlich.

NGO-Analyse listet zivile Opfer in Ostukraine auf

Die ukrainische Armee dementierte die Darstellung aus Moskau umgehend: Man habe keine Granate auf den Posten abgefeuert. "Wir können sie nicht daran hindern, Falschnachrichten zu produzieren – aber wir betonen immer, dass wir nicht auf zivile Infrastruktur schießen, weder in der Region Rostow noch anderswo", so ein ukrainischer Militärsprecher.

Nach Angaben von prorussischen Separatisten sollen bei Gefechten zuvor zwei Menschen getötet worden sein. Neben einem ihrer Kombattanten sei ein Bergmann auf dem Weg zu seiner Schicht durch Schüsse tödlich verwundet worden. Dafür sei die ukrainische Armee verantwortlich, so die Separatisten.

Nato-Staaten, vor allem die USA und Großbritannien, haben Russland in den vergangenen Tagen und Wochen mehrfach vorgeworfen, im Osten der Ukraine einen militärischen Zwischenfall zu fingieren, um damit einen Vorwand für einen Einmarsch zu schaffen.

Dem entgegen dokumentierte die Nichtregierungsorganisation International Crisis Group zivile Opfer durch die Kampfhandlungen, also auch durch die ukrainische Seite. Ein entsprechender Bericht stützt sich auf die täglichen Berichte der OSZE-Sonderbeobachtungsmission. "Unser Fokus liegt derzeit auf der Dokumentation zugespitzter Kampfhandlungen unter Einsatz schwererer Waffen", heißt es in dem Bericht.

Der Krieg in der Ostukraine hatte 2014 begonnen. Seitdem wurden mehr als 14.000 Menschen getötet, heißt es bei der International Crisis Group. Da die Minsk-Vereinbarungen nie umgesetzt wurden, stünden sich …

… rund 75.000 Soldaten entlang einer 420 Kilometer langen Frontlinie in einem Grabenkrieg gegenüber, der dicht besiedeltes Gebiet durchquert. Der Krieg hat die Wirtschaft und die Schwerindustrie der Region ruiniert, Millionen zu einer Umsiedlung gezwungen und die Konfliktzone in eine der am stärksten von Minen kontaminierten Gebieten der Welt verwandelt.