Personalmangel bei deutschen Bahnen: Wieso fehlen die Lokführer?

Seit Jahrzehnten wird am deutschen Eisenbahnsystem herumgebastelt. Der Erfolg ist überschaubar. Warum der wirtschaftliche Druck manche Probleme verschärft hat.

Mit der Bahnreform, die aus der Deutschen Reichsbahn und der Deutschen Bundesbahn den Konzern Deutsche Bahn AG machen sollte, glaubte man den großen Wurf geschafft zu haben. Was sich als Trugschluss erwies. Aus der Beamtenbahn sollte vor 29 Jahren ein moderner Mobilitätskonzern werden, der keine Beamten mehr benötigt.

Dazu wurde die überkommene Bahnpolizei der Bundesbahn mit dem Bundesgrenzschutz, den man in Friedenszeiten für entbehrlich hielt, zur Bundespolizei zusammengelegt, womit der Bund über eine eigene Polizeitruppe verfügte. Zuvor war die Polizei reine Ländersache.

Für die meisten Bahnbeamten war die Sache etwas komplizierter. Als Beamte konnten sie nicht für eine privatrechtlich organisierte Aktiengesellschaft arbeiten. Sie zu entlassen, war ebenso wenig eine Lösung, wie sie zu Angestellten zu degradieren.

Ähnlich wie bei der Privatisierung der alten Bundespost als Deutsche Post und Deutsche Telekom wurden die Bahnbeamten im Westen in ein Vehikel namens Bundeseisenbahnvermögen überführt und von dort an die Bahn AG ausgeliehen. Im Osten der Republik konnte aus historischen Gründen auf diesen Klimmzug verzichtet werden.

Die Bahn in Deutschland ist ein Sammelsurium an Unternehmen

Die Eisenbahn in Deutschland ist historisch gewachsen und hat ihre Wurzeln einerseits in privaten Initiativen interessierter Investoren, andererseits in der Begeisterung der Landesherren für die neue Technik, die das Zeitalter der Pferdekutschen ablösen sollte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg hat der deutsche Föderalismus seine ganz eigenen Blüten getrieben. So ist in Deutschland zu beachten, dass die Deutsche Bahn nur den Fernverkehr, meist in Form des ICE, in eigener Verantwortung betreibt. Der Regionalverkehr ist grundsätzlich Ländersache.

Die einzelnen Bundesländer schreiben heute den Betrieb der Strecken aus und vergeben ihn zum Beispiel für 12 Jahre an den bevorzugten Bieter. Da die Länder in der Regel ein Interesse daran haben, dass moderne Fahrzeuge zum Einsatz kommen, beschaffen sie diese und vermieten sie an die jeweiligen Betreiber.

Personalmangel auf der ganzen Linie

Beim von der DB eigenverantwortlich betriebenen Fernverkehr gibt es – wie bei den Regionalbahnen – auch Personalengpässe. Und wenn es zu einer Umleitung kommt, weil ein Bagger eine Eisenbahnbrücke gerammt hat und niemand auf die Schnelle die Statik der Brücke beurteilen kann, muss man schon mal eine Zwangspause einlegen, bis der Lokführer am Ausweichbahnhof eingetroffen ist.

Im Regionalverkehr kommt noch ein weiteres Problem hinzu. Da die Regionalbahnverbindungen in regelmäßigen Abständen neu ausgeschrieben werden müssen, stehen auch die Arbeitsplätze der Mitarbeiter regelmäßig auf dem Spiel, wenn der bisherige Arbeitgeber die Neuausschreibung nicht mehr gewinnt.

Hinzu kommt, dass sich der Wunsch nach einer optimalen Work-Life-Balance im Führerstand einer Lok oder eines Triebwagens, der von vielen despektierlich als "große Straßenbahn" bezeichnet wird, kaum realisieren lässt. Montags bis donnerstags von 9.00 bis 17.00 Uhr und freitags nur bis 12.00 Uhr sind unrealistisch.

Wenn dann auch noch die Lokführer älter werden und in Rente gehen oder aus dem Regionalverkehr in den längerfristig gesicherten Fernverkehr oder zu einem der neuen Anbieter im Regionalverkehr wechseln, die bessere Konditionen bieten müssen, wird die Personaldecke schnell zu eng.

Diese Bedingungen sind auch ein Grund dafür, dass Lokführer wie Ärzte in die Schweiz abwandern, die ebenfalls unter Lokführermangel leidet, aber aufgrund höherer staatlicher Zuschüsse bessere Löhne zahlen kann.

Im Regionalverkehr, der im Auftrag der Länder durchgeführt wird, sorgt ein ausgedünntes Zugangebot immer wieder für Ärger bei den Fahrgästen, die als Pendler auf bestimmte Verbindungen angewiesen sind. In Südbaden litt der Bahnverkehr am Hochrhein parallel zur Schweizer Grenze monatelang unter krankheitsbedingten Ausfällen von Lokführern. Aktuell ist der Rhein-Neckar-Raum betroffen, wo das Zugangebot eingeschränkt ist und der Schienenersatzverkehr mit Bussen keine Fahrradmitnahme ermöglicht.

Der Lokführermangel ist keineswegs nur ein Problem der DB-Konzernunternehmen. Auch die Wettbewerber des bundeseigenen Konzerns haben damit zu kämpfen. Seit das Abwerben von ausgebildeten Lokführern mangels verfügbarer Masse keine Lösung mehr darstellt und das von der DB neu ausgebildete Personal bei einem Wechsel die Ausbildungskosten zurückzahlen muss, haben auch die neuen Eisenbahnverkehrsunternehmen mit der aufwändigen Ausbildung von Lok- und Triebfahrzeugführern begonnen.

Bei der Nordwestbahn musste man allerdings kürzlich zur Kenntnis nehmen, dass auch Ausbildungsprogramme auf die Schnelle den Lokführermangel nicht beheben.

Beim übrigen Personal greift man inzwischen verstärkt auf externe Dienstleister zurück. So setzt DB Regio auf der Oberrheinstrecke für die Fahrscheinkontrolle keine klassischen Schaffner oder Zugbegleiter mehr ein, sondern überträgt diese Aufgabe einem externen Dienstleister wie Stölting.

Für die Bahn hat das den Vorteil, dass sie die Dienstleistung der Fahrkartenkontrolle einkauft und der Dienstleister dafür sorgen muss, dass das notwendige Personal im Zug ist. Früher musste der zuständige Bereich von DB Regio eine saftige Vertragsstrafe an das auftraggebende Bundesland zahlen, wenn ein Zug ohne Zugbegleiter unterwegs war.

Bei den Triebfahrzeugführern war Baden-Württemberg im Gegensatz zur Fahrzeugbeschaffung mit der Etablierung eines Pools im Jahr 2020 nicht erfolgreich und hat ihn bereits im Folgejahr wieder abgeschafft.

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