Pink Floyds Roger Waters: Darf dieser Mann noch spielen?

Seite 2: Querfront für Meinungsunfreiheit

Der britische Musiker Roger Waters steht nach einer per Video übertragenen Rede vor dem UN-Sicherheitsrat zum Ukraine-Krieg in westlichen Ländern in der Kritik. Der Grund: Auf Einladung Russlands hatte der 79-jährige Mitbegründer von Pink Floyd am Mittwoch in New York zu den Mitgliedern dieses wichtigen UN-Gremiums gesprochen.

"Der Einmarsch der Russischen Föderation in die Ukraine war illegal. Ich verurteile ihn aufs Schärfste", sagte Waters. Zugleich aber kritisierte er die Vorgeschichte des Konflikts. Der Angriff Russlands sei "nicht unprovoziert" erfolgt. "Deshalb verurteile ich auch die Provokateure auf das Schärfste", fügte er hinzu.

Diese Äquidistanz ging für Waters politisch nicht gut aus. Die Aufregung war groß – so groß, dass völlig unterging, dass der meinungsstarke Musiker alle direkt oder indirekt am Krieg beteiligten Parteien zum Frieden aufrief. Dabei war das nicht der unwichtigste Teil seiner Rede.

Aber die Tatsache, dass er sich von den Russen einladen ließ, scheint für viele entscheidend zu sein. Wenn man sich die Medienreaktionen hierzulande anschaut, könnte man den Eindruck gewinnen, Waters und Pink Floyd hätten ein Truppenkonzert vor Wagner-Söldnern im russisch besetzten Teil der Ukraine gegeben.

Nun eckt Waters politisch immer wieder an. Aber die Reaktionen, die jetzt auf seine Äußerung folgten, haben jedes rationale Maß verloren. Die Frankfurter Rundschau schreibt in einem Autorenbeitrag, Waters "schlägt sich auf Russlands Seite". Die WDR-Korrespondentin aus New York wusste zu berichten (hier in einer redaktionellen Online-Meldung zum Beitrag), dass Waters ohnehin in der Kritik stehe und ein Konzert von ihm in Polen abgesagt worden sei – ohne jede Einordnung, ebenso wie im NDR.

Der Fall Waters zeigt eine Diskursverengung in ihrer gefährlichsten Form: Wer den mitunter wirkenden engen Meinungskorridor verlässt, muss konkrete persönliche und berufliche Konsequenzen fürchten. Dabei geht es nicht um Haltungen, die gesellschaftlich geächtet sind – Holocaustleugnung etwa, Rassismus oder Gewalt gegen Schutzbefohlene. In der tagespolitischen Debatte gelten "Dos" und "Donts", die variieren und in vielen Fällen nicht demokratisch ausgehandelt worden sind.

Waters nutzte die Chance, vor dem UN-Gremium zu sprechen, um Öffentlichkeit zu erlangen. Dem Umstand, dass er von der russischen UN-Delegation eingeladen worden ist, wurde er mit der unmissverständlichen Verurteilung des Krieges gerecht. Ob seine strategische Entscheidung richtig war oder nicht, kann und sollte diskutiert werden. Aber viele andere Möglichkeiten, vor dem UN-Sicherheitsrat zu sprechen, hätte es wohl nicht gegeben. Eine Einladung der chinesischen Delegation wäre wohl nicht weniger umstritten gewesen.

Zudem liegt Waters mit seiner Forderung nach Verhandlungen nahe an der Mehrheitsmeinung der Deutschen, die laut jüngsten Umfragen eine Eskalation des Krieges in der Ukraine fürchten und den vorsichtigen Kurs der Regierungspartei SPD unterstützen. Über alle anderen Inhalte der Videoschaltung nach New York kann und soll diskutiert werden.

Im polnischen Krakau war Waters aufgrund seiner Haltung zur Ukraine im vergangenen September zur Persona non grata erklärt worden. Ein Konzert wurde abgesagt. Dahinter stand maßgeblich ein Stadtrat, der neben seiner politischen Tätigkeit in mutmaßlich illegales Glücksspiel verwickelt ist und Kontakte zur rechtskonservativen Regierungspartei PiS unterhält.

In Deutschland spricht sich die Grüne Claudia Roth wegen anderer Äußerungen Waters für einen Boykott seiner Konzerte aus, ähnliche Forderungen wurden in Frankfurt am Main laut.

Diese Querfront der Meinungsunfreiheit hat von niemandem ein Mandat erhalten. Sie steht weder für Demokratie noch für Freiheitsrechte. Sie ist aufgrund ihres moralischen Impetus‘ potenziell antiaufklärerisch und gefährlich, weil mit ihr ein neuer Autoritarismus voranschreitet, der Teile der deutschen Grünen und der polnischen Rechten zu vereinen scheint.

Fehlt nur noch die Postfaschistin Georgia Meloni, die Dank des CSU-Politkers Manfred Weber auf dem besten Weg zur Aufnahme in die Achse der Guten ist.