Präsident und Dealmaker

Seite 3: Transparenz

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Wie war das jetzt nochmal? Wer zahlte wann wie viel an wen und warum oder auch nicht? Wer war schuld und woran genau? Für Populisten war die Komplexität der Welt, die da zum Ausdruck kommt, ein gefundenes Fressen. Ihre Version war denkbar einfach: In der Wirtschaftskrise musste das amerikanische Volk Hunger leiden. Das Elend hätte sich mindern oder ganz beenden lassen, wenn die Europäer ihre Schulden gezahlt hätten. Aber statt zu zahlen verwickelten die Europäer die Amerikaner in quälend lange Konferenzen, aus denen Uncle Sam als geschröpfte Witzfigur herauskam. Das erregte die Gemüter.

Übrigens gab es auch Amerikaner, denen die Diskussion, die ihre Landsleute mit wachsender Leidenschaft führten, peinlich war. Für sie sah es so aus, als hätten die Vereinigten Staaten beim Krieg nur mitgemacht, um Geld zu verdienen. Öl ins Feuer gossen die Nazis und andere Rechtsaußen-Gruppierungen im Deutschen Reich. Ihnen war die verbliebene Summe von drei Milliarden Goldmark viel zu hoch. Vor allem aber hatten sie erwartet, dass mit den Reparationen auch das im Versailler Vertrag enthaltene Rüstungsverbot fallen würde. Nach Lausanne war das Geschrei groß, weil das nicht geschehen war.

Der von den amerikanischen Populisten erzählten Geschichte fügte das eine weitere Facette hinzu. Die Europäer zahlten ihre Kriegsschulden nicht, weil sie das Geld lieber in sündhaft teure Schlachtschiffe steckten, um demnächst wieder Krieg zu führen. So stand es in Hearsts Revolverblättern und so ist es dem Film zu entnehmen. Das ist kein Wunder. Hearst hatte für den Präsidenten die passenden Dialoge geschrieben. Der Mann, der ab 1933 am stärksten aufrüstete, kam im "Narrativ" der Populisten nicht vor. Hitler war fein raus, weil über die Schulden der Siegermächte gestritten wurde, nicht über die Reparationen der Verlierer.

Gabriel Over the White House

In Gabriel Over the White House beruft Präsident Hammond eine internationale Schuldenkonferenz ein. Ursprünglich sollte er sich mit den Delegierten der anderen Länder auf einem Kriegsschiff der US-Marine treffen. Roosevelt riet dazu, die Konferenz auf einer zivilen Yacht stattfinden zu lassen. Es ist eine ziemlich große Yacht daraus geworden, mit jeder Menge Soldaten in Uniform. Allzu zivil sollte es dann doch nicht sein. Eingangs überrascht der Präsident die Delegierten mit der Mitteilung, dass die Konferenz live im Radio übertragen werde, und zwar weltweit.

Man spreche mit mehr Bedacht, meint Hammond, wenn man wisse, dass das Volk zuhört. Ein Kriegsziel der USA sei es gewesen, mit der Geheimdiplomatie Schluss zu machen und in aller Öffentlichkeit Verträge auszuhandeln, nicht hinter verschlossenen Türen. Das werde nun umgesetzt. Dahinter steht der mir persönlich sehr sympathische Gedanke, dass durch maximale Transparenz automatisch alles besser wird. In Zeiten, in denen die Gegner von TTIP und CETA eine Wiederkehr der Geheimdiplomatie des 19. Jahrhunderts beklagen, ist das sehr aktuell.

Mich beschleicht allerdings der Verdacht, dass das, was der Präsident da macht, nur eine Anbiederung an "das Volk" ist, das er zu vertreten vorgibt und das manipuliert werden soll. Es fällt auf, dass sich der Volkstribun Jud Hammond dann doch nicht auf die segensreiche Wirkung der Transparenz verlässt, sondern lieber mit Gewalt und Krieg droht. Gesponsert wird er von William Randolph Hearst, der behauptete, dem Volk eine Stimme zu geben und mit seinem Zeitungsimperium einen Kampagnenjournalismus betrieb, bei dem eben dieses Volk nach Strich und Faden belogen wurde, wenn es gerade opportun war.

Executive Order

Donald Trump hat versprochen, als Präsident der dealmaker in chief zu sein: Ein Staatenlenker, der nach harten Verhandlungen den bestmöglichen Deal für das Land herausholt. Mit Jud Hammond verbindet ihn die Liebe zum medienwirksamen Auftritt und zu PR-Nummern. Trump allerdings agiert bisher noch wie ein Bauunternehmer, der lokale Probleme löst, wenn er sich dafür feiern lässt, dass er bei einem Hersteller von Klimaanlagen 1.000 Arbeitsplätze rettet (im Austausch für ein jährliches Steuergeschenk, das eine mittelständische Firma, für die Angestellte keine Verhandlungsmasse sind, nie kriegen würde). Hammond dagegen sucht die ganz große Bühne. Daher ist es nur folgerichtig, wenn er erst die Probleme des Landes löst und dann die der ganzen Welt. Letzteres geht so:

Gabriel Over the White House

Zu Beginn der Schuldenkonferenz liest Hammond den Delegierten die Leviten. Ihre Länder, sagt er, haben sich im Krieg Geld geliehen, um sich verteidigen zu können, und jetzt wollen sie die Schulden nicht zurückzahlen, weil sie angeblich zu arm sind. Das geht auf Kosten des amerikanischen Steuerzahlers, der nicht nur die eigenen Kriegsschulden begleichen muss, sondern auch die der Europäer. Der amerikanische Steuerzahler wird vier Mal direkt genannt, und mehrfach indirekt. Jeder "tax payer", der aus dem Mund des Präsidenten kommt, knallt wie ein Peitschenhieb.

Donald Trump spricht lieber vom amerikanischen Arbeiter als vom amerikanischen Steuerzahler, weil er selbst keine Steuern zahlt, aber sonst erinnert das doch sehr an seinen Wahlkampf. Im Kern ist es dieselbe Botschaft: Die Europäer wollen Sicherheit und nicht vom Feind vernichtet werden, dafür zahlen müssen die Amerikaner. Damit ist jetzt Schluss, sagen der Präsident im Film und der President-elect. Die Delegierten bringen ein paar Ausreden vor und wirken, als sei die Rede des Präsidenten das übliche Donnerwetter, das man bei solchen Veranstaltungen über sich ergehen lassen muss.

Dann schlägt einer von ihnen eine neue Konferenz vor, um die Angelegenheit weiter zu besprechen. Trump hat angekündigt, dass er handeln werde, statt seine Zeit auf Konferenzen zu verplempern. Hammond sieht das ganz genauso. Keine dieser Konferenzen mehr, sagt er, bei denen der amerikanische Adler regelmäßig als gerupfter Vogel wieder aus dem Saal herauskommt. Ohnehin seien die Verträge, die man bei solchen Konferenzen schließt, stark überbewertet. Auch darin sind sich Trump und Hammond einig.

Trump hat dem amerikanischen Arbeiter den großen Kassensturz versprochen. Wenn dabei herauskommt, dass NATO, UN und Welthandelsorganisation ein Zuschussgeschäft sind will er Verträge aufkündigen, Beiträge streichen und mit dem eingesparten Geld Jobs für amerikanische Bergarbeiter schaffen, die dann wieder unbeschwert Kohle fördern können, weil Treibhausgase und die Klimakatastrophe eine Erfindung der Chinesen sind. Als Präsident hat er da viele Möglichkeiten, weil dessen Befugnisse, per Dekret (executive order) und am Kongress vorbei zu regieren, seit 9/11 immer weiter ausgebaut wurden.

George W. Bush instrumentalisierte die executive order für seinen "Krieg gegen den Terror", und Obama hatte auch nichts dagegen, die Verfassung sehr großzügig auszulegen, weil es sonst viel schwieriger geworden wäre, den Drohnenkrieg zu führen oder - mit desaströsen Konsequenzen - in Libyen zu intervenieren. Ganz neu ist das nicht. Es ging los mit George Washington. Einsamer Rekordhalter in Sachen executive order ist Franklin D. Roosevelt mit mehr als 3.500. Seine Gegner beschuldigten ihn denn auch, die Vereinigten Staaten in eine Diktatur zu verwandeln.

Trump hat das Regieren per Dekret im Wahlkampf als verfassungswidrig gegeißelt und angekündigt, mit diesen Praktiken der Regierung Obama Schluss zu machen. Ob das ein Versprechen ist, das er tatsächlich einhält, oder ob auch er die Vorteile der executive order für sich entdeckt, wird sich zeigen. Unabhängig davon, wie sinnvoll, kontraproduktiv oder gar kriminell einem die Dekrete eines US-Präsidenten erscheinen mögen: Aus der Geschichte kann man lernen, wie wichtig der Supreme Court ist.

Roosevelt brachte das Oberste Gericht eine empfindliche Niederlage bei, als es den National Industrial Recovery Act kippte: ein Gesetz, das es dem Präsidenten erlaubte, regulierend in die Wirtschaft einzugreifen, um die Deflation zu bekämpfen, das Wachstum anzukurbeln und Jobs zu schaffen. Insgesamt aber begleitete der Supreme Court das regierungspolitische Handeln Roosevelts sehr wohlwollend. Das lag auch daran, dass er ab 1937 neun Richter nominieren konnte, die in vielen Dingen ähnlich dachten wie er. Eine Ernennung gilt auf Lebenszeit (bzw. bis zum Rücktritt, üblicherweise aus Gesundheits- und Altersgründen).

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