Präzisionswaffe Dollar
General Tommy Franks, Oberbefehlshaber im Irak-Krieg, offenbart, dass zahlreiche irakische Offiziere bestochen wurden, um keinen Widerstand zu leisten
US-Präsident Bush oder Verteidigungsminister Rumsfeld feierten den Sieg über das Hussein-Regime. "Operation Iraqi Freedom wurde mit einer Kombination aus Präzision, Geschwindigkeit und Tapferkeit ausgeführt, die der Feind nicht erwartet und die Welt zuvor nicht gesehen hatte", beteuerte Bush. Rumsfeld verwies auf die neue Strategie, die neuen Hightech-Waffen oder den verstärkten Einsatz von Spezialtruppen. Von der wirklichen Geheimwaffe war allerdings nicht die Rede.
Tatsächlich war erstaunlich, wie schnell der Irak eingenommen werden konnte und wie gering der Widerstand war. Dass die Bodentruppen so schnell vorrücken konnten, verdankte sich überwiegend der Strategie der irakischen Armee, nur noch die Städte zu verteidigen. Doch auch hier brach der Widerstand, so vorhanden, oft plötzlich zusammen, weil die Soldaten einfach verschwanden (Die Vaporisierung der Diktatur).
Das Regime war am Ende und brach, unterstützt durch den Angriff und die Angst vor der unweigerlichen Niederlage gegenüber der weit überlegenen Macht, in sich zusammen, ohne den erwarteten oder auch möglichen Widerstand zu leisten, der gerade im Stadtkampf möglich gewesen wäre. Abgesehen von den Kurden trat auch nicht ein, dass beispielsweise die von Hussein lange brutal unterdrückten Schiiten die "Befreier" jubelnd begrüßten und sich gegen die irakische Armee erhoben.
General Franks, der das Oberkommando im Krieg gegen Afghanistan und gegen den Irak innehatte, hat nun einen Hinweis darauf gegeben, welche Wunderwaffe den schnellen Sieg über das Hussein-Regime kräftig unterstützt zu haben scheint. Gegenüber Defense News sagte er, dass Spezialeinheiten und Geheimdienstmitarbeiter schon vor dem Krieg in Kontakt mit hohen irakischen Offizieren in wichtigen Städten getreten sind und sie bestochen haben, nicht gegen die amerikanischen Truppen zu kämpfen. Er habe schon vor dem Krieg Briefe von irakischen Generälen erhalten, so berichtet Slate in denen sie versicherten: "Ich arbeite jetzt für Sie."
Bekannt wurde schon Monate vor dem Kriegsbeginn, dass Spezialeinheiten sich schon im Irak aufgehalten haben. Es gab auch Meldungen, dass Verhandlungen mit dem irakischen Militär stattgefunden hätten. Auch noch im Krieg war die Rede von Waffenstillstandsverhandlungen, beispielsweise während des Kampfes um Basra. Gerüchte gab es auch, dass manche der menschlichen Schutzschilde CIA-Agenten gewesen wären, die die Lage erkundet und Offiziere bestochen haben.
Franks hielt allerdings genauere Einzelheiten zurück und gab nicht bekannt, welche oder wie viele Offiziere wann und mit wie viel Geld gekauft worden waren. Möglicherweise war aus diesem Grund auch der Widerstand in Bagdad so gering. Hier hatte man - offenbar aber nicht das Pentagon - mit schweren Kämpfen wegen der angeblich gefährlichen Einheiten der Republikanischen Garden gerechnet. Aber auch beim Einmarsch in Bagdad kam es nur zu vereinzelten Kämpfen, der Großteil der irakischen Truppen hatte die Stellungen verlassen und war untergetaucht. Wie viele irakische Soldaten durch die Bombardierung der Kasernen und anderen Stellungen getötet wurden, ist weitgehend unbekannt - wie noch so vieles in diesem geisterhaften Krieg, über den andererseits mehr als bei allen Kriegen und auch mit den "embeds" direkt von der Front berichtet worden ist. Welche Versprechungen über das Geld hinaus für das Niederlegen der Waffen geleistet wurden, wäre interessant zu erfahren und würde womöglich einiges über manche der systematischen Plünderungen verraten.
Die Strategie mit der Dollarwaffe hatte man allerdings auch bereits in Afghanistan eingesetzt, um sich dort die Unterstützung der Warlords zu kaufen, die für den amerikanischen Luftkrieg die Bodentruppen stellten (Operation Anaconda: Kriegspropaganda). Dabei ist allerdings manches schief gegangen. Es kam beispielsweise zu Massakern (Vorwürfe gegen US-Armee weiter ungeprüft) oder die erkaufte Loyalität ging nicht weit genug, so dass wichtige Taliban- und al-Qauida-Mitglieder fliehen konnten. Angeblich ließen Kämpfer der Nordallianz, die von den USA bezahlt wurden, nach der Bombardierung von Tora Bora viele al-Qaida Mitglieder einschließlich Bin Ladin fliehen, nachdem sie von diesen weiteres Geld erhalten hatten.
Ein hoher Pentagon-Mitarbeiter soll den Einsatz der Geldwaffe als sehr effiziente Kriegsführung bezeichnet haben, die zudem großes Blutvergießen verhindert habe: "Welchen Effekt will man erreichen? Wie viel kostet eine Cruise Missile? Zwischen 1 und 2,5 Millionen US-Dollar. Auch eine Bestechung ist eine PGM (Präzisionsbombe). Sie erreicht das Ziel, aber sie kostet kein Blut und es gibt null Kollateralschaden." Die Bestechungsaktion, so der Pentagon-Mitarbeiter weiter, sei mindestens so wichtig wie der tatsächliche Krieg mit Waffen gewesen: "Wir wussten, dass manche Einheiten aus einem Gefühl der Pflicht und des Patriotismus kämpfen würden, und das taten sie auch. Aber das veränderte das Ergebnis nicht, weil wir wussten, wie viele von ihnen sich krank melden würden."
Die Taktik, auf die geheime Präzisionswaffe Geld zu setzen, um militärische Siege zu erringen, ist sicherlich in Ländern, die arm und korrupt sind und/oder in denen die Menschen vornehmlich durch Zwang parieren, effektiv einzusetzen. Das mag auf viele arabische Länder zutreffen, in denen die Regierungen sich oft nur durch Unterdrückung der Opposition und durch Verweigerung der Demokratie halten können. Scheitern dürfte sie aber dort, wo Patriotismus vorherrscht. Und vermutlich werden muslimische Extremisten, die aus irgendwelchen Gründen für ihren Glauben und damit auch womöglich für ihr vermeintliches Seelenheil kämpfen, von Geld wenig beeindruckt sein. Wer bereit ist, Selbstmordanschläge ausführen, hat bereits auf materiellen Wohlstand verzichtet. Auch aus diesem Grund ist der Krieg gegen den "internationalen Terrorismus" muslimischer Prägung und gegen den Irak höchst verschieden.