Regierung bereitet Frankreich auf den Atom-Blackout vor
Seite 2: Zahlreiche Probleme aus AKWs gemeldet
- Regierung bereitet Frankreich auf den Atom-Blackout vor
- Zahlreiche Probleme aus AKWs gemeldet
- Auf einer Seite lesen
Da aber schon damals die Blackout-Gefahr stieg, wurde ein zurückgezogenes Prüfzertifikat nach Prüfung von Unterlagen aus der Schmiede wiedergegeben, die den Dampferzeuger geliefert hatte. Dabei war auch der ASN bekannt, dass der Schmiede nicht zu trauen war, da dort über Jahrzehnte Dokumente für sicherheitsrelevante Teile gefälscht oder aufgehübscht wurden. Ohne jede Prüfung des Materials wurde festgestellt, dass die "Anomalien" angeblich "die Diensttauglichkeit nicht in Frage" stellen würden.
Was den EPR angeht, werden die Anomalien auch immer größer. Wie inzwischen bekannt ist, was letztlich von der EDF auch für den Neubau im britischen Hinkley Point eingeräumt wird, besteht real ein Konstruktionsfehler. Den will die EDF mit zweifelhaften Aussichten nun teuer für die französischen Steuerzahler in Großbritannien ausbügeln.
Bekannt wurden Vibrationsprobleme in China, wo Brennstäbe in Taishan zerstört wurden. Und in Finnland, wo der EPR in Olkiluoto schon 2009 den Betrieb aufnehmen sollte, gibt es neue Probleme im Probebetrieb. Am vergangenen Montag fiel die Turbine aus und die Stromproduktion auf null ab. Was die Ursache ist, ist unklar. Damit wird noch unklarer, ob der Reaktor tatsächlich zum Jahresende seinen regulären Betrieb mit fast 15 Jahren Verspätung aufnehmen kann.
Doch kommen wird zurück zum Atom-Desaster im Heimatland des EPR. Obwohl die Regierung die EDF unter Druck setzt, alle Atomreaktoren wieder in Betrieb zu nehmen, ist es doch mehr als aussagekräftig, dass auch damit der Strombedarf im Land nach Jahrzehnten einer verfehlten Energiepolitik auch darüber nicht gedeckt werden kann. Man hat ganz auf Atomstrom gesetzt, verbrennt Milliarden um Milliarden für Projekte, die aber keinen Strom liefern, statt auf sofort verfügbare erneuerbare Energien zu setzen.
"Dank der Sparsamkeit und der europäischen Solidarität können wir Zwangsmaßnahmen vermeiden", erklärte nun die Energiewende-Ministerin.
Pannier-Runacher vergisst aber, dass man in Spanien längst für die erratische Energiepolitik in Frankreich schwitzen muss. Sie meint, im Winter sei man auf einen "umfangreichen Austausch" von Strom und Gas mit Deutschland und Spanien angewiesen:
Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass diese wechselseitige Solidarität von diesem Winter an ausgebaut werden muss, also der Austausch von Gas und Elektrizität mit Spanien und Deutschland.
Das bedeutet aber nur, dass Deutschland und Spanien dem Atomstromland nicht nur Gas liefern sollen, dass Frankreich auch fehlt, sondern weiterhin auch massig Strom. Um Gas hat Macron gerade auch auf seinem Besuch in Algerien nachgesucht.
Dass euphemistisch vom "Austausch" gesprochen wird, darf als Realsatire bezeichnet werden. Frankreich braucht in der Spitze mehr als 100 Gigawatt. Selbst wenn alle anfälligen Atomreaktoren laufen würden, können die gerade einmal 64 Gigawatt leisten, weshalb sogar die Kapitalfraktion seit Längerem vor einer "Katastrophe" bei der Stromversorgung in Frankreich warnt.
Während Macron seine Landleute auf Verzicht eingestimmt hat, stimmt die Energiewende-Ministerin die Bevölkerung in der französischen Energiekrise auf das "schlimmste Szenario" ein. Sie ruft die Bevölkerung deshalb zur Sparsamkeit auf.
Pannier-Runacher zieht indes die Russland-Karte, dabei hat die Energieknappheit im Land mit dem Krieg in der Ukraine praktisch gar nichts zu tun, sondern ist seit Jahrzehnten hausgemacht. "Ganz klar, Russland benutzt Gas als Kriegswaffe, also müssen wir uns auf das schlimmste Szenario vorbereiten", erklärt sie.
Sie hofft offiziell darauf, dass die Gasreserven reichen, wenn man auch den letzten Schrottreaktor wieder in Betrieb nimmt. Wenn es wirklich kalt wird, ist aber mit Ausfällen zu rechnen, räumt sie ein. Die Ministerin macht deshalb Firmen besondere Verträge schmackhaft. Die sollen "zwei Stunden" auf die Produktion verzichten, um Spitzen abfangen zu können. Dafür sollen sie einen um zehn Prozent günstigeren Tarif bekommen.
Stromabschaltungen möglich
Dazu soll die Spannung im Netz abgesenkt werden, was angeblich für die Verbraucher nicht zu spüren sei. Wenn aber diese Maßnahmen nichts nützen, dann "müssen wir zu einer Logik des Lastabwurfs übergehen". Das heißt, es wird zu punktuellen Stromabschaltungen kommen, die maximal zwei Stunden dauern sollen.
Geplant sich auch schon Gasabschaltungen, die aus technischen Gründen aber nur Unternehmen betreffen. Das Land werde "kein zehn Tage stillstehen", verspricht sie, zeigt aber ungewollt zugleich einen möglichen Rahmen an.
Da längst geklärt ist, dass Deutschland den Strom aus dem möglichen Streckbetrieb der letzten drei Atomkraftwerke nicht braucht, ist die Debatte darüber eigentlich nur noch absurd. Sie wird von den Atom-Lobbyisten nur dazu genutzt, um den Ausstieg aus der Atomenergie insgesamt erneut in Frage zu stellen oder auszuhebeln.
Die Debatte ist schon deshalb absurd, da gleichzeitig betont wird, wie gut die Gasspeicher doch längst gefüllt sein sollen. Nein, es geht vielmehr um genau die Solidarität, die aus Paris nun von Deutschland angemahnt wird. Nur sagt das in Deutschland niemand offen.
Denn real glaubt auch in Paris niemand ernsthaft, dass im Winter wirklich alle eigenen Atommeiler pannenfrei laufen. Im altersschwachen Atompark fällt ständig der eine und andere Reaktor aus. Auch deshalb wird am Streckbetrieb längst auch schon im Wirtschaftsministerium von Robert Habeck gefeilt. Der Grüne schließt einen Weiterbetrieb der drei verbliebenen Atomkraftwerke über das Jahresende hinaus unter bestimmten Voraussetzungen nicht aus, hat der Spiegel gerade berichtet.
Dass sein Ministerium den Bericht über die Vorbereitungen zum Streckbetrieb als "Quatsch" dementiert hat, darf man viel eher Quatsch nennen. Denn neu ist das nicht, die Devise hat Habeck, der seine Unkenntnis über die Energiemärkte ja gerade offen zugegeben hat, schon im Juli ausgegeben.
Schon dabei schloss er einen Weiterbetrieb nicht aus. So könne sich beim sogenannten neuen Stresstest ein "Sonderszenario" ergeben, sagte Habeck. "Die Frage, die relevant gestellt werden muss, ist, ob die Stromnetzstabilität in diesem Jahr durch weitere Maßnahmen gesichert werden muss." Erstmals fiel in seinen Ausführungen dabei auch das Wort Frankreich.
Zudem hat auch die Bundesgeschäftsstelle der Grünen in einer internen Mail Empfehlungen eine neue Kommunikationslinie herausgegeben, aus der die Welt zitiert.
Demnach soll es "eine einheitliche Sprachregelung und ein bestimmtes Vorgehen" geben, wird eine E-Mail zitiert, die der Zeitung vorliegt. Daraus wird klar, dass man gegen einen Streckbetrieb nichts mehr ernsthaft einzuwenden hat, sondern nur noch gegen "eine Laufzeitverlängerung" auftritt. So wird erklärt: "Die Beschaffung neuer Brennstäbe, lehnen wir ab."
Seit Monaten wird schon im Wirtschaftsministerium über verschiedene Optionen diskutiert. Das geht unter anderem aus einem Gesprächsprotokoll zwischen Habeck, seinen Staatssekretären und den Atomkraftwerksbetreibern hervor, aus dem der Tagesspiegel unlängst zitiert hat.
Interessant auch hier, dass den Betreibern eine französische Lösung vorschwebt, sie also die Verantwortung auf den Bund und auf die Steuerzahler abwälzen wollen. "Der Staat solle quasi 'Eigner' der Meiler werden und sei für Sicherheit und Investitionen zuständig" berichtete die Zeitung. Die Verantwortung bei einem Weiterbetrieb müsse dann die Bundesregierung tragen und damit natürlich auch die immensen Kosten.
Sogar die Betreiber sorgen sich um die Sicherheit. Klar, Sicherheitsüberprüfungen, die alle zehn Jahre nach dem Atomgesetz durchgeführt werden müssen, sind seit 13 Jahren nicht durchgeführt worden. Schon deshalb dürfen die Meiler, die bereits mehr als drei Jahre über die Frist sind, über das Ausstiegsdatum am 31. Dezember hinaus nicht länger betrieben werden.
Nur mit einer umfassenden Prüfung, die lange Zeit in Anspruch nimmt, ist nach geltenden Gesetzen überhaupt ein Weiterbetrieb möglich. Doch der hilft Bayern, denn auf das zielt die ganze Initiative auch ab, nichts, wo wie in Frankreich die Energiewende seit vielen Jahren von der CSU ausgebremst wird.