"Russland nicht gewinnen lassen": Macron erneut für westliche Truppen in die Ukraine
Frankreichs Präsident offen für gemischte Kontingente. Paris will Russland zum Frieden zwingen. Doch der Plan birgt ein enormes Risiko.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und sein französischer Amtskollege Emmanuel Macron haben über die Stationierung ausländischer Militärkontingente in der Ukraine gesprochen. Dies berichtet die ukrainische Nachrichtenagentur Ukrinform unter Berufung auf eine Mitteilung Selenskyjs in den sozialen Medien.
Damit greift Macron einen früheren Vorschlag auf, der damals von Moskau massiv attackiert und aus der EU nur unzureichend unterstützt wurde. Nun scheint die Lage anders: Die Ukraine steht kurz vor der Niederlage im militärischen Konflikt mit Moskau, der Widerspruch gegen eine weitere kostenaufwändige Unterstützung eines rein ukrainischen Defensivkrieges wächst und vor allem: Russland bekommt aus Nordkorea – inzwischen dokumentiert – militärische Unterstützung durch Soldaten.
Mit dem bevorstehenden Amtsantritt von Donald Trump in den USA könnte es jetzt zudem eine rasche Lösung des militärischen Konfliktes geben. Nicht nur die Ukraine, sondern auch europäische Regierungen befürchten, dass damit eine Vereinbarung zulasten der Ukraine getroffen wird; Gebietsverluste eingeschlossen. Der erneute Vorstoß von Macron, Truppen in die Ukraine zu senden, um – wenn auch nicht im aktiven Kampf – ein Bollwerk gegen Russland zu errichten, ist vor diesem Hintergrund zu sehen.
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Nach Informationen aus Kiew haben die beiden Staatschefs in einem langen und ausführlichen Telefonat verschiedene Formen der Verteidigungsunterstützung für die Ukraine erörtert, darunter auch den "Einsatz von Partnerkontingenten". Macron habe diese Option ausdrücklich nicht ausgeschlossen, heißt es weiter.
Die Debatte um eine mögliche Entsendung europäischer Truppen in die Ukraine ist vor dem Hintergrund von Spekulationen über mögliche zukünftige Friedensverhandlungen zwischen Russland und der Ukraine in den vergangenen Monaten verstärkt aufgekommen.
Waffenstillstand kontrollieren
Ein solches Kontingent könnte eingesetzt werden, um die Einhaltung eines Waffenstillstands zu gewährleisten, zu dem auch der designierte US-Präsident Donald Trump aufgerufen hat. Die Dynamik, die der Konflikt zwischen Israel und der Hamas in den vergangenen Tagen erreicht hat, zeigt, dass diese Ankündigung ernst zu nehmen ist.
Selenskyj hatte letzte Woche erklärt, ein solches ukrainisch-europäisches Kontingent sei "eines der besten Instrumente", um "Russland zum Frieden zu zwingen". Russland lehnt diese Idee jedoch als "verfrüht" ab, wie die russische Nachrichtenagentur Tass berichtet.
Ukrainer desertieren in Frankreich
Unterdessen steht die in Frankreich ausgebildete ukrainische Brigade "Anna von Kiew" in den Schlagzeilen. Dutzende Soldaten sind bei der. Ausbildung in Frankreich desertiert, es gibt zudem den Verdacht des Machtmissbrauchs durch ihre Kommandeure. Selenskyj und Macron sprachen laut Ukrinform auch über die weitere Ausbildung ukrainischer Soldaten in Frankreich. Derzeit sollen gut 2.300 ausgebildet worden sein.
Die Diskussion um eine mögliche Eskalation des Konfliktes durch die Entsendung ausländischer Truppen dürfte die Befürchtungen vor einem sich ausweitenden Krieg in der Ukraine weiter anheizen. Beobachter warnen bereits seit Längerem vor einem drohenden dritten Weltkrieg, sollten Nato-Staaten direkt in die Kampfhandlungen eingreifen.
Macron: Frankreich im Kampf für Sicherheit und Stabilität
In einer von geopolitischen Umbrüchen geprägten Ära wolle Frankreich seine Rolle als aktiver Gestalter der internationalen Ordnung stärker wahrnehmen, hatte Macron bereits in einer programmatischen Rede vor EU-Botschaftern vor einer Woche gesagt.
"Frankreich muss eine einzigartige Rolle spielen, um in Zeiten der Unordnung unsere gemeinsamen Lösungen aufzubauen", betonte Macron. Als zentrale außenpolitische Prioritäten definierte er die Sicherheit Frankreichs und der Franzosen, den Wohlstand der Nation und Europas sowie die Verteidigung der internationalen Ordnung und Werte.
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Einen Schwerpunkt der fast zweistündigen Ansprache bildete die Sicherheitspolitik. Der Kampf gegen Terrorismus war und bleibt laut Macron ein zentrales Anliegen, sowohl im Nahen Osten als auch in der Sahelzone. Er würdigte den Einsatz der französischen Soldaten, die durch ihren Kampf gegen Terror-Gruppen wie den IS die Entstehung eines territorialen Kalifats mit Gefahren für Frankreich und seine Sicherheit verhindert hätten.
Gleichzeitig strebe man aber eine Neuordnung der französischen Militärpräsenz in Afrika an. Macron begründete dies damit, dass die Stützpunkte im frankofonen Afrika keinen Zweck mehr erfüllten. Man habe dies in Abstimmung mit den Partnern beschlossen, auch wenn manche dazu gedrängt werden mussten. Diese Aussagen sorgten im Tschad und in Senegal für Irritationen.
Zentral: Krieg in der Ukraine
Ein zentrales Thema der Rede war der Krieg in der Ukraine. Macron unterstrich, dass Russland den Konflikt nicht gewinnen dürfe. "Wir können als Europäer Russland nicht in der Ukraine gewinnen lassen – für die internationale Ordnung nicht und für unsere eigene Sicherheit nicht", so der Präsident. Europa müsse an Robustheit gewinnen, massive Investitionen in die Verteidigungsindustrie tätigen und europäische Produktionen priorisieren.
Die von Frankreich 2022 initiierte Europäische Politische Gemeinschaft müsse strategisch gestärkt werden. Die EU-Asylagenda solle umgesetzt und die Kooperation mit Herkunftsländern von Migranten verbessert werden. Deutschland erwähnte er als Beispiel für Wahlbeeinflussung durch neue reaktionäre Kräfte sowie als Partner in Syrien.