"Schwule Priesterpaare am Nato-Altar sind auch keine Lösung"
Seite 3: Exkurs: Eugen Drewermann und die Abrichtung des Individuums
- "Schwule Priesterpaare am Nato-Altar sind auch keine Lösung"
- Das neoliberale Paradigma der "Unternehmerkirche"
- Exkurs: Eugen Drewermann und die Abrichtung des Individuums
- Lackmustest für weltkirchliche Zuverlässigkeit: "Die Waffen nieder!"
- Eine zentralistische Weltkirche ist impotent
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Der Beitrag von Herbert Böttcher wird hoffentlich demnächst auch im Netz abrufbar sein und noch für viel Nachdenklichkeit sorgen. Nicht einverstanden bin ich allerdings mit seinen Ausführungen zu Eugen Drewermann, die einer vor Jahrzehnten von "politischen Theologen" entwickelten Kritik folgen und die Differenz zu neoliberalen, sehr populär gewendeten Varianten einer "tiefenpsychologischen Theologie" übersehen.
Gewiss, Drewermann ist der radikalste Anwalt des Individuums, und gerade das erweist diesen Autor eines mehrbändigen Werkes "Kapital und Christentum" als überzeugenden Theologen. Er macht auch deutlich, worauf ein subversiver "Existentialismus" hinausläuft.
Der Einzelne soll mitnichten in irgendeiner Weise in den vorfindlichen Verhältnissen "funktionieren", vielmehr so aus der Angst befreit und in seinen tiefsten Schichten gekräftigt werden, dass es ihm niemals in den Sinn käme, der Wirtschaftsapparatur eine Definitionsmacht hinsichtlich seiner Würde zuzugestehen oder gemäß einem staatlichen Befehl Bomben auf andere Menschen zu werfen. Radikaler kann der Gegensatz zu Dienstleistungs- und Staatstheologien gar nicht ausfallen.
Kein anderer namhafter Theologe steht kapitalismuskritischen und friedensbewegten Christenmenschen in Wort und Handeln so bei wie Eugen Drewermann, der sich u.a. stets orientiert zeigt über den aktuellsten Stand der Hartz-IV-Repressionen gegen die Armen. Wo sonst unter den bekannten Professoren der "Gotteswissenschaften" wäre überhaupt ein öffentlich Klartext redender Pazifist zu finden? Bezahlt werden sie alle - im Gegensatz zu Drewermann - vom Staat, und so gibt es nichts Neues unter der Sonne zu vermelden.
Das klerikale Modell der Aneignung des "Kirchenvolksvermögens"
Neben der neoliberalen Marketingkirche verfolgt - in wenigen Bistümern - der klerikale Fundamentalismus eine andere, auf Dauer ebenso wenig zukunftsträchtige Strategie: Eine Elite "wahrer Katholiken", flankiert von geistlichen Bewegungen und elitären Gemeinschaften, erlangt über eine entsprechende Personalpolitik die Hauptverfügung über ein milliardenschweres "Kirchenvolksvermögen".
Wer aber das Geld kontrolliert - so die materialistische Wahrheit wider alle platonischen Beschwörungen -, der bestimmt über neue Institute der Theologie, Kleriker-Ausbildung, Einkauf von Expertisen, Investitionen im Sinne des eigenen Paradigmas usw. auch den geistig-geistlichen Kurs eines ganzen Bistums.
Dies ist aus meiner Sicht - neben einer Machtkultur der Vernebelung - der Kern des noch immer bestehenden Kölner "Systems Meisner". Eine durchaus anders gesonnene Basis von freiheitlichen rheinischen Katholikinnen und Katholiken hat scheinbar gar keine Mitbestimmungsmöglichkeit mehr z.B. wider das hier einflussreiche Werk "Opus Dei", welches aus Gründen innerer Verwandtschaft einst im Franco-Faschismus gut gedeihen konnte.
Wer nicht einmal im Schlaf daran denkt, solche Kräfte als seine "geistliche Obrigkeit" anzuerkennen, kommt - auch als Gemeindepfarrer - um eine Vernetzung zum frommen Widerstehen nicht umhin. Im "Modell" der klerikalen Fundamentalisten löst sich die verbliebene Gemeinschaft der Gläubigen wohl am schnellsten in Luft auf. Doch es regiert eben einstweilen noch eine zusammengeschmolzene Elite von "rechtgläubigen Amtsträgern", die über riesige Summen verfügen und damit nicht nur schnelle Autos kaufen können.
Über Geld sollte man sprechen, zumal die einzige kompromisslose Exkommunikation aus dem Munde Jesu sich auf die Haltung zum Geld bezieht. Unabdingbar ist es, dass die deutschen Bischöfe im Zuge der gegenwärtigen Reformation endlich freiwillig - bevor es ohnehin bald erzwungen wird - aus dem bestehenden Besoldungssystem aussteigen und ihre Bezüge zumindest auf das Format eines Kurienbischofs zurechtstutzen.
Wer soll denn einem Oberhirten, der bei freier Wohnung - ohne für Ehepartner und Kinder sorgen zu müssen - Monat für Monat ein Gehalt von bis zu 13.000 Euro bezieht, glauben, dass er die Weg-Route des Jesus von Nazareth vertritt und sich im Konfliktfall dem ihn besoldenden Staat etwa auf dem Feld der Militärpolitik in die Quere stellt? Nein, zwei Herren - dem "Friedenskönig" und dem Militärministerium - kann man wirklich nicht gleichzeitig dienen.
Welcher Kirche soll der "Synodale Prozess" zugute kommen?
Die im gegenwärtigen "Synodalen Prozess" des deutschen Katholizismus behandelten Reformanliegen - wie: Ökumene, Gleichberechtigung der Frauen (Aufbrechen des Männerbundes), Aufklärung und Prävention von sexueller Gewalt, neue Sexualethik (sowie Abschied von Homophobie und homophoben Projektionen), Ende der Aufspaltung in Kleriker und sogenannte Laien in einer geschwisterlichen Kirche des gemeinsamen Hörens, Freistellung der priesterlichen Ehelosigkeit - betreffen mitnichten nationale, irgendwie spezifisch "deutsche" Themen, sondern kirchliche Problemfelder auf dem ganzen Erdkreis.
Wer die skizzierte synodale Agenda dennoch für so etwas wie ein "nationalkirchliches Steckenpferd" hält, stellt sich als Christ selbst ein Armutszeugnis aus und beweist außerdem, dass er eine fehlende Kenntnis der Weltkirche (mit all ihren Schönheiten und Abgründen) durch Gerüchte ersetzt.
Was den deutschsprachigen Raum aufgrund u.a. von Reformation, reformkatholischen Diskursen ab dem 19. Jahrhundert und einer beachtlichen Geschichte der Selbstorganisation von "Laien" vielleicht doch auszeichnet, ist dies: ein besonderes Drängen auf Klärungen da, wo andere unter Beschwörung ihrer "Romtreue" Stillschweigen bewahren über Widersprüche, von denen im Grunde jeder weiß.
Der Vorwurf, es würden in einer nationalkirchlichen Agenda spezifisch deutsche Themen bearbeitet, ist also absurd! Bislang wird aber nicht deutlich, dass die hierzulande verhandelten Reformen einer Kirche zugute kommen sollen, die - lokal wie global - glaubwürdiger als "Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit" (II. Vatikanum) zu wirken vermag.
Hier bleibt es nötig, säkulare Menschenrechts- und Demokratiediskurse theologisch zu (ver-)schärfen. Es gehört doch z.B. zu den eindeutigsten Weisungen Jesu, dass in seiner Gemeinschaft keiner von oben "herunter-willküren" (beherrschen) darf, weil eben Gott und Willkür nie zusammengereimt werden können. Und wie schräg klingt es, wenn in einer autoritären Kirche von der "herrlichen Freiheit der Kinder Gottes" (Römerbrief 8,21) die Rede ist?
Die neoliberale Dienstleistungskirche ist bekümmert, weil die Zielgruppe der Schwulen und Lesben - nach einem gewaltigen Exodus - als Kundschaft endgültig verloren geht. Stattdessen sollte es aber in einer überzeugenden Kirchenreform um anderes gehen, um ein an die Wurzel gehendes Verständnis von Menschenwürde und um Überwindung jener mafiösen, geradezu blasphemischen Angstapparatur, die einstmals über eine repressive Sexualmoral Menschen an die Kirche zu fesseln vermochte. (Kein Getaufter ist ermächtigt, eine tiefgreifende Erfahrung des "Gutgeheißenseins" durch das Dekret einer theologischen Behörde für gegenstandslos erklären zu lassen.)
Schritt für Schritt sollte bei allen Reformfragen aufgezeigt werden, dass es - gerade auch aus weltkirchlicher Perspektive - um anderes geht als um eine gefällige Angleichung an eine bürgerliche Wohlfühlgesellschaft: Wer nach innen Uniformität erzwingt und die Ökumene sogar mit den nächsten "Verwandten" verweigert, kann nach außen nicht Einheit in Vielheit predigen. Wer einer patriarchal dominierten Gewaltgeschichte in die Speichen fallen will, kommt nicht umhin, endlich auch im eigenen Haus mit einer Degradierung der Frauen zu brechen.
Wer sich als Werkzeug für die Einheit der Menschheit bezeichnet, sollte darauf verzichten, Minderheiten innerhalb oder außerhalb der Kirchenmauern zu diskriminieren. Wer allen eine partnerschaftliche und gewaltfreiere Welt anempfiehlt, sollte es auf der Grundlage eigener Umkehrerfahrungen tun. …
Der Vorwurf der Nationalkirchlichkeit kann aber nur glaubwürdig widerlegt werden, wenn die Ortskirche einerseits unter Berufung auf Jesus bei den genannten Reformanliegen sogar dem Papst ins Angesicht widersteht und den nunmehr eingeläuteten pastoralen Ungehorsam einübt, gleichzeitig aber in den großen Zeitfragen der gesamten Zivilisation sich als treueste Verbündete des gegenwärtigen Bischofs von Rom erweist.
Hierbei gibt es mit Blick auf die Kirchengeschichte in zwei Weltkriegen in der Tat triftige Gründe dafür, dass gerade die Christenheit hierzulande mutiger als alle anderen einen neuen Weg der Friedenskirchlichkeit beschreitet. Die Friedensfrage ist geradezu Prüfstein des ganzen "synodalen Prozesses".