"Sowohl als auch" ist dem Westen fremd

Häuser hinter einem Platz in Pjöngjang

Der Umgang mit Nordkorea unterscheidet sich in Asien stark von dem im Westen

(Bild: tuzla/Shutterstock.com)

Indonesien, Vietnam und Thailand reden mit Nordkorea. Warum dies in Südostasien anders als im Westen wenig verwunderlich ist. Wer hat die besseren Chancen für die Zukunft?

Die Denkweisen in den westlichen Industriestaaten und den fernöstlichen Ländern unterscheiden sich grundlegend.

Unterschiedliche Herangehensweisen

Die fängt schon beim Zeitverständnis an. Während im Westen ein lineares Zeitverständnis vorherrscht, bei welchem es wichtig ist, als erster ins Ziel zu kommen, und so gegenüber dem Wettbewerb zu siegen, hat sich im fernen Osten ein zirkulares Zeitverständnis entwickelt. Dabei besteht das Ziel, bei jedem Umlauf an Wissen und Weisheit dazu zu gewinnen.

Zudem wird nicht so hart wie im Westen zwischen Fakten und Wünschen unterschieden. Für Menschen, die im Westen sozialisiert wurden, ist dies meist eine harte Nuss. Für Asiaten ist der umgekehrte Weg offensichtlich deutlich einfacher, weil es im Westen klare Regeln gibt, während schon die Interpretation der Schrift in Fernost zahlreiche Möglichkeiten offen lässt.

Eine weitere Besonderheit der fernöstlichen Diplomatie zeigte sich beispielsweise in den Beziehungen, die Thailand mit China pflegte, während man offiziell mit den USA kooperierte und dem US-Militär den Flughafen U-Tapao zur Verfügung stellte.

In dem autobiografischen Roman ″The Dragon’s Pearl″ von Sirin Phathanothai beschreibt sie ihre Kindheitserlebnisse im Hause Zhou Enlai in den 1950er und 1960er Jahren.

Hintergrund der Geschichte ist die Situation als Thailand 1956, als die Beziehungen zwischen Bangkok und Peking auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges angespannt waren, versuchte, den Machtkampf zwischen China und den Vereinigten Staaten in Asien zu überleben.

Einerseits benötigte die thailändische Regierung dringend amerikanisches Geld für ihre instabile Wirtschaft, konnte jedoch die Bedrohung durch China, das gerade seine Stärke auf der koreanischen Halbinsel demonstriert hatte, nicht ignorieren. Zwei Kinder aus der Bangkoker Oberschicht, deren Familie über gute Beziehungen nach China verfügte, wurden als Geiseln oder Pfand nach Beijing gebracht.

Nordkorea schmiedet neue Allianzen

Gilt Nordkorea im Westen noch immer als der am stärksten isolierte Staat der Welt, sieht die Situation bei unbefangener Betrachtung durchaus anders aus. Die Verbindungen Pjöngjangs laufen heute in verschiedene Länder, etwa nach Südostasien und offenbar auch nach Osteuropa.

Nordkorea hat inzwischen immer mehr Freunde. Gratulationsgrüße zum Jahrestag der Staatsgründung kamen nicht nur aus Moskau. Seit Russlands Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 hatten sich Wladimir Putin und Kim Jong Un angenähert und Nordkorea unterstützt Russlands Krieg nicht nur rhetorisch, sondern auch mit Waffenlieferungen.

Auch aus Peking traf ein freundlicher Brief in Pjöngjang ein, verknüpft mit dem Wunsch von Staatspräsident Xi Jinping, die strategische Kommunikation mit Pjöngjang zu stärken.

China, das Nordkorea im Koreakrieg von 1950 bis 1953 unterstützte und mit dem Nordkorea seine längste Landesgrenze teilt, ist in der Vergangenheit der mit Abstand wichtigste Partner Pjöngjangs gewesen, wünscht sich aber mehr Ruhe in der Region.

Die gilt verstärkt seit im Jahre 2017 vor dem Hintergrund von Raketentests und schwerer Menschenrechtsverletzungen UN-Sanktionen gegen das Land mit seinen rund 26 Millionen Einwohnern verhängt wurden. In den meisten Bereichen ist der Handel mit dem ostasiatischen Land seither verboten, auch wenn dies sowohl von China als auch von Russland weitgehend ignoriert wird.

Pjöngjang fährt eine globale De-Risking-Stategie

Kim Jong Un lässt sich von den westlichen Sanktionen nur wenig beeindrucken. Gewissermaßen fährt er, dessen Land weit mehr als 90 Prozent seines Handels mit China abwickelt und alleine 50 Prozent davon über die chinesische Grenzstadt Dandong, seine eigene De-Coupling oder De-Risking-Strategie.

Während Deutschlands Regierung im vergangenen Jahr groß verkündete, seine Abhängigkeit von China als Handelspartner reduzieren zu wollen, es aber bei der Ankündigung beließ, würde Nordkorea sein De-Coupling nicht einmal auf verklausulierte Art formulieren. Aber de facto fährt Nordkorea eine globale Diversifizierungsstrategie.

Die internationale Reaktion auf Russland, das nach dem Angriff auf die Ukraine wie Nordkorea mit harten Handelssanktionen belegt wurde, hat sich für Nordkorea als purer Glücksfall gezeigt. Moskau suchte als Folge der US- und EU-Sanktionen den Kontakt zu Pjöngjang.

Das hat das Regime in Pjöngjang motiviert, nach den Beziehungen zu Russland auch Verbindungen zu anderen Staaten auszubauen, so dass sich Nordkorea künftig deutlich besser vernetzen könnte.

Dass die ersten Reisen der nordkoreanischen Diplomaten nach Vietnam, Thailand und Indonesien erfolgt sind, ist nicht verwunderlich. Alle drei Staaten wollen sich aus der wirtschaftlichen Abhängigkeit von den USA lösen, ohne die Abhängigkeiten auf das Reich der Mitte zu übertragen. Zudem werden diese Länder auch eher autoritär regiert, gelten aber als Wachstumsmotoren der Region.

Zuvor war eine Delegation schon nach Laos unterwegs, einem Land das zwar vom Westen nicht sanktioniert wird, das für westliche Unternehmen jedoch kaum interessant ist. Auch die Delegationsreisen in die Mongolei und in den Iran sind im Westen kaum aufgefallen.

Je erfolgreicher Nordkorea bei der ″sowohl-als-auch″-Entwicklung seiner internationalen Handelskontakte ist, desto gefährlicher erscheint das Land für den Westen. Die gilt besonders seit sich Nordkorea bemüht, Handel mit osteuropäischen Ländern wie Bulgarien aufzunehmen, die im Windschatten der EU eher benachteiligt sind. Wie Brüssel unter dem Druck der Transatlantiker reagieren wird, ist derzeit noch völlig unklar.