Ukraine: Frieden über einen Pyrrhus-Sieg?

Seite 3: Wie beeinflusst die Nato die öffentliche Meinung?

Infratest berichtete in den letzten Tagen, dass die Unterstützung für die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine bei deutlich mehr als der Hälfte der im Deutschlandtrend Befragten liegt, wobei die Unterstützung auf Seiten der Bündnisgrünen am deutlichsten ausfiel.

Die Frage ist, wie es zu einem solchen Umschwung der Meinung kommt. Kaum beachtet ist, dass auf Nato-Seite Profis am Werk sind, etwa das Nato Strategic Communications Centre in Riga, das die öffentliche Meinungsbildung durch Informationen im Sinne der Nato beeinflusst.

Beeinflussung mit manipulativem Charakter im Sinn der Unterstützung der Nato-Strategie erfolgt auch ohne direkte Einflussnahme von außen in den Redaktionen einiger Leitmedien zum Beispiel über die Auswahl der Bilder und Informationen zum Kriegsgeschehen.

So kommen in den Nachrichten seit Ende Februar kaum mehr Bilder von Opfern anderer Kriege als dem in der Ukraine vor; die Inhalte der Berichterstattung sind ebenfalls so einseitig, als gäbe es die anderen Kriege weltweit nicht mehr. Dies geschieht, obwohl etwa der Jemen-Krieg von der Uno als die Menschenrechts-Katastrophe unserer Zeit bewertet worden ist.

Das Ausmaß der manipulativ wirkenden Desinformation im medialen Mainstream wird auch sichtbar, wenn etwa das Hamburger Institut für Kriegsursachenforschung neben dem Ukraine-Krieg über 20 Kriege weltweit auflistet.

Die exklusive Fokussierung des Nachrichten-Managements führt unter anderem dazu, dass immer mehr Gespräche an Informationsständen der Friedensbewegung offenbaren, wie fundamental Menschen, die früher für Frieden ohne Waffen eingetreten sind, nun verunsichert sind und sich von ihrer Grundüberzeugung unter Verweis auf Wladimir Putin verabschieden und für die Lieferung auch schwerer Waffen an die ukrainische Armee eintreten.

Es kommt auch vermehrt zu Angriffen gegen Friedensaktivisten, die etwa als Putin-Versteher oder gar als fünfte Kolonne des Kreml oder auch als gefährliche Träumer von einer Welt, die es nicht gibt, herabgewürdigt und beschimpft werden.

Wenn Ampel-Politiker wie Alexander Graf Lambsdorff der Friedensbewegung vorwerfen, sie spucke den ukrainischen Opfern des Krieges ins Gesicht, dann droht der nächste Eskalationsschritt, den die deutsche Geschichte kennt, der über die Verunglimpfung von Friedensaktivisten zu Verboten ihrer Aktivitäten reicht.

Angriffe dieser Art hat es immer wieder in der Geschichte gegeben. Erhard Eppler erklärte in der ersten der großen Hunderttausender-Friedensdemonstrationen im Bonn der 1980er-Jahre1:

Wir haben keine Angst vor moralischer Abqualifizierung … Wir haben keine Angst davor, als Kommunistenknechte abqualifiziert zu werden. Das ist Gustav Heinemann nicht anders gegangen. Wir haben keine Angst vor dem Verfassungsschutz…

Aktion Sühnezeichen

Neu ist, dass derartige Angriffe auch aus Spektren erfolgen, die einst selbst ihren Beitrag zur Friedensbewegung geleistet haben.

Diese Angriffe auf die Forderung nach Diplomatie statt immer weiterer militärischer Eskalation übergehen auch, dass die Ukraine infolge der Waffenlieferungen erst dann wieder auf Verhandlungen setzt, wenn die militärische Lage einen Sieg ihrer Seite bedeutet:

Kiew will erst bei eigenen militärischen Erfolgen wieder mit Moskau sprechen. Die Hoffnungen ruhen dabei auf neuen Lieferungen der Verbündeten.

ntv

Rückeroberung der Krim?

Wer auf eine solche Strategie setzt, der übergeht die Gefahren auch eines nuklearen Infernos, vor dem die Internationale Atomenergiebehörde IAEA seit Kriegsbeginn warnt.

Und er setzt mit dem Bild des Opfers auch auf eine Vermehrung von Leid und Tod, denn die Rückeroberung der Krim mit ihrer russischsprachigen Bevölkerung wäre blutig.

Waffenlieferungen, die ein Risiko heraufbeschwören, das dem Ziel des Friedens die Basis entziehen kann, sind unverantwortlich, sie stellen sogar ein Verbrechen, einen Verstoß gegen die Haager Landkriegsordnung von 1907 dar – Zitat: "Die Kriegführenden haben kein unbeschränktes Recht in der Wahl der Mittel zur Schädigung des Feindes."

Die "meuchlerische Tötung oder Verwundung von Angehörigen des feindlichen Volkes oder Heeres" ist verboten. Das umfasst auch das Inkaufnehmen eines nuklearen Infernos, für das es 1907 noch keine Vorstellung gegeben hatte.

Die weltweit mehrere Hundert Atomreaktoren alleine, zusätzlich die Chemieanlagen in allen Erdteilen, sowie das Erfordernis, Klimaschutz zu betreiben und Verbrennungsabgase sowie Ressourcenvernichtung zu vermeiden, führen zum Gebot der Gegenwart, im Sinne des Überlebens der Zukunftsgefährdungen, eine Friedenspolitik mit Abrüstung und einer weltweiten Kooperation zu betreiben. Dazu sagte der damalige Generalsekretär Sithu U Thant im Jahr 1969:

Nach den Informationen, die mir zugehen, bleibt den Mitgliedsstaaten der Uno nicht mehr viel Zeit, um … eine weltweite Zusammenarbeit zu beginnen, um das Wettrüsten zu stoppen, den menschlichen Lebensraum zu verbessern, …. Wenn eine solche weltweite Partnerschaft innerhalb der nächsten zehn Jahre nicht zustande kommt, so werden, fürchte ich, die erwähnten Probleme derartige Ausmaße erreicht haben, daß ihre Bewältigung menschliche Fähigkeiten übersteigt.

Quintessenz: Es gibt keine Alternative zu einer friedensökologischen Politik der Kooperation statt der Rivalität, die der Menschheit die Kraft zum Überleben nimmt, wenn die Generationen unserer Epoche sie nicht überwinden.

Das beginnt da, wo die Schwarz-weiß-Propaganda der Gut-Böse-Zerrbilder ersetzt wird durch unvoreingenommene Kommunikation, durch die Einhaltung der Uno-Charta aller Staaten in einer Welt-Friedensordnung, die die Sicherheitsinteressen "eines jeden" berücksichtigt, wie es im Zwei-plus-Vier-Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland von den Siegermächten des Zweiten Weltkrieges und den damals beiden deutschen Staaten vereinbart worden war.